[Brb] Wie weiter mit dem Nazizentrum?

Marc Michalsky: links als NPD Aktivist am 08.Mai 2012 in Königs Wusterhausen, rechts als Liedermacher in der Friedrichstraße 27 in Märkisch Buchholz

Rechter Treffpunkt in Märkisch Buchholz weiterhin in Betrieb.

Das beschauliche Märkisch Buchholz, mit 774 Einwohner*Innen kleinste Stadt Brandenburgs, geriet Mitte letzten Jahres in die Schlagzeilen, weil sich NPDler um die Etablierung eines Neonazi-Treffs bemühten. Seit mehr als einem Jahr existiert jetzt das selbsternannte „nationale Jugend- und Freizeitzentrum“.

Das ehemalige „Cafe Görsch“, ein zweistöckiges Gebäude mit Wohn- und Veranstaltungsräumen in der Friedrichstraße 27, ist seit Anfang 2011 in dem Besitz von Neonazis.

Eine erste Erwähnung fand es in einer Infomail des NPD Landesvorsitzenden Klaus Beier. Er machte auf die bevorstehende Vorstandssitzung im neuen „Anwesen von Kamerad Sven Haverlandt“ aufmerksam. Sven Haverlandt ist Vorsitzender des NPD Kreisverbandes Dahmeland. Zusammen mit dem aus Schwarzheide stammenden JNler Pierre Dornbrach veranstaltete er am 17. Juli 2011 eine nazistische Rassenschulung in dem Objekt. Spätestens dann wurden auch die Einwohner*Innen des kleinen Ortes auf ihre neuen Nachbar*Innen aufmerksam.

Es regte sich Widerstand, der zwar die Schließung bzw. den Verkauf des Objektes nicht erwirken konnte, aber immerhin eine gewerbliche Nutzung und eine öffentliche Bewerbung von Veranstaltungen verhindert. Ruhe ist trotzdem nicht eingekehrt, es finden weiterhin Veranstaltungen statt und es wird an dem Aufbau von JN und NPD Strukturen in der Region gearbeitet.

 

Stadt und Amt versuchen mit rechtlichen Mitteln die Betreibung eines Nazizentrums zu verhindern und so einen Imageschaden abzuwenden

Die Existenz eines „nationalen Jugendzentrums“ in Märkisch Buchholz sorgte schnell für Unmut unter den Entscheidungsträger*Innen der Stadt und die Angst vor einem Imageschaden in dem durch Tourismus geprägten Ort war groß. Die Käuferin, Sandra Willnow Haverlandt, Frau von Sven Haverlandt, erwarb das Objekt, das vorher zu Wohn- und Gewerbszwecken genutzt worden war. Auf der vom Informatiker Haverlandt betriebenen Internetseite des Hauses erschien die Meldung, dass es jeden zweiten Freitag allen Menschen als Treffpunkt offen stehe. Als dann öffentlich wurde, dass dort eine JN Schulung stattfand, wurde den Nazis eine öffentliche Nutzung des Gebäudes untersagt. Zumal noch nicht einmal eine Gewerbeerlaubnis vorlag. Ende August beschloß dann die Satdtverordnetenversammlung, die Zweckbestimmung für das Gebiet um die Friedrichstraße zu ändern, sodass keine gewerbliche Nutzung von Wohnräumen  mehr durchgesetzt werden kann.

Trotzdem fanden weiterhin Veranstaltungen und Treffen, als Geburtstagsfeiern oder Privatveranstaltungen getarnt, statt. Die Stadt bemüht sich weiterhin, die Nazis aus dem Gebäude zu bekommen, auch weil der NPD-Kreisverband Dahmeland dort mittlerweile seinen Sitz hat. Im November 2011 beschloß die Stadtverordnetenversammlung den Kauf des Objektes über das Vorkaufsrecht der Gemeinde zu erreichen. Das nötige Geld wurde zwar bereitgestellt, doch die Voreigentümerin ließ dies nicht zu und so können weiterhin verschiedenste Naziveranstaltungen, wenn auch nicht öffentlich, in dem Objekt stattfinden. Im Juni 2012 klagte unter anderem die Bürgermeisterin von Märkisch Buchholz gegen die NPD, weil sie Propagandamaterial in dem Ort verteilten. Anwohner*Innen machten durch Aufkleber auf ihren Briefkästen aufmerksam, dass sie kein NPD-Material in ihren Briefkästen wünschen. Schließlich untersagte das Gericht der NPD die Verteilung von Material in entsprechenden Briefkästen. Bei Zuwiderhandlung warten 250 000 Euro Strafe auf die Neonazis.

 

Strukturaufbau in der Region wird forciert, Kontakte werden ausgebaut

Am 19. August 2011 traten die Neonazis um Haverlandt erstmals öffentlich in Märkisch Buchholz in Aktion. Mit einer Kundgebung unter dem Motto: „Raus aus dem Euro“ versammelten sich 50 Neonazis auf dem zentralen Platz. Neben der eher mäßigen Anwesenheit lokaler Neonazis war die Beteiligung von NPD-Größen und Neonazis aus dem Umfeld der Berliner Neonazigruppierung „NW Berlin“ auffällig. Holger Apfel, Vorsitzender der sächsischen NPD und nun auch Bundesvorsitzender, verkündete vollmundig, dass die NPD bei den nächsten Wahlen 2014 in den Brandenburger Landtag einziehen werde. Sebastian Schmidtke, nun Berliner NPD-Vorsitzender und Führungsfigur des NW Berlin hielt ebenso eine Rede.

Mike Turau aus Königs Wusterhausen versuchte mit weiteren Berliner Neonazis Antifaschist*Innen abzufotografieren. An den Bürger*Innen von Märkisch Buchholz ging die Veranstaltung der Neonazis jedoch nicht unwidersprochen vorbei. 180 Menschen versammelten sich zu einem Gottesdienst in einer Kirche, manche taten ihren Unmut auch lautstark kund. Antifaschist*Innen freuten sich über den Besuch eines NPD-Mobils, welches sich bei der Anreise in der 30-köpfigen Gruppe verirrte.

Ende Januar diesen Jahres wurde dann die Gründung des NPD Verbandes Schenkenländchen verkündet. Vorsitzender ist Marc Michalski aus Halbe. Schon als Liedermacher in der Friedrichstraße 27 in Erscheinung getreten, sorgte er letztes Jahr durch seine außergewöhnlichen Freizeitaktivitäten für Gesprächsstoff. Kenner der Szene berichteten, dass der damals 21-Jährige Michalski gern in den Wäldern von Halbe nach NS-Devotionalien und alter Kriegsmunition sucht, um mit dieser dann in seiner Wohnung zu experimentieren. Diese explodierte, woraufhin er drei Fingerkuppen seiner linken Hand verlor.

Neben der Etablierung einer lokalen NPD-Struktur wurde auch der Aufbau einer JN-Struktur angestrebt,  noch bevor Anfang April unter dem Namen „JN Schenkenländchen“ die Gründung offiziell verkündet wurde, fand am 25. Febrauar eine geschichtsrevisionistische „Heldengedenkenfeier“ statt. Anwesend waren u.a. Uwe Dreisch, ehemalige Führungsfigur der verbotenen Berliner Kameradschaft „Frontbahn 24“, der damalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und Dennis Härtel – Organisationsleiter des NPD Kreisverbandes Dahmeland, JN-Funktionär und ehemaliges Mitglied der verbotenen Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow Fläming“.

 

Bei der offiziellen Gründüngsfeier der JN Schenkenländchen Anfang April waren u.a. Jörg Hähnel aus Mellensee und Dennis Härtel aus Baruth (beide Tetlow-Fläming) anwesend. Neben der Teilnahme an Demonstrationen, Flugblatt-Verteilaktionen in Wohngebieten und vor Schulen, nahmen die Neonazis um Haverlandt und Michalski an einer Kundgebung am 08. Mai 2012 der Freien Kräfte in Königs Wusterhausen teil.

Neben Michalski reisten auch NPDler aus Dahme-Spreewald, Teltow- Fläming und Oder-Spree an. Auch der gute Draht zu den Berliner Kamerad*Innen vom „NW Berlin“ bestätigte sich durch die Teilnahme von 30 Neonazis aus der Hauptstadt, dessen Transparent Michalski hielt. Des weiteren beteiligten sich Neonazis aus dem Umfeld des Nazizentrums an einer Sonnenwendfeier im 20 Kilometer entfernten Storkow am 22. Juni 2012. Zuletzt traten die NPDler mit den weißen "NPD-Dahmeland" T-Shirts bei einer Infotour der NPD-Oderland am 4. August im Osten Brandenburgs in Erscheinung.

 

Wie weiter?

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seitdem das Objekt in Märkisch Buchholz als „nationales Jugendzentrum“ in die Öffentlichkeit getreten ist. Mittlerweile hat sich eine Bürgerinitative unter dem Namen „Buchholz offen und bunt!“ gegründet. Eine offizielle Betreibung konnte durch die Anstrengunen der Stadt verhindert werden. Genutzt wird es jedoch weiterhin, auch wenn sich die Außendarstellung des Hauses und die Bewerbung der dort stattfindenden Aktivitäten schwierig für Haverlandt und Co. gestaltet. Jugendliche aus Märkisch Buhholz scheinen sich nicht für die „Arbeitseinsätze“ und „Liedermacherabende“ zu interessieren. Für Neonazis aus der Region ist es jedoch Anlaufpunkt für gemeinsame Treffen und Freizeitgestaltung.

Durch den Aufbau lokaler NPD- und JN-Strukturen können diese an die Partei gebunden werden und bei Wahlkampf- und Informationsveranstaltungen die NPD unterstützen. Auch ist es wahrscheinlich, dass es von Berliner Neonazis um die Gruppierung „Nationaler Widerstand Berlin“ als Rückzugsraum genutzt wird. Und für das anvisierte Ziel der NPD, 2014 in den Brandenburger Landtag einzuziehen, wird das Nazizentrum in Märkisch Buchholz von Bedeutung sein.