Antirassistische Demonstration gegen den Abschiebeknast in Büren am Samstag, 08.09.2012 um 12:00 Uhr
In Büren steht mit über 300 Haftplätzen das größte Abschiebegefängnis Deutschlands. Die Menschen, die hier eingesperrt sind, haben gegen kein Gesetz verstoßen. Sie sind in Haft, damit ihre Abschiebung sichergestellt werden kann. Sie haben ihr Land verlassen auf der Suche nach Sicherheit und einer Lebensperspektive. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet der deutsche Staat verstärkt daran, Einwanderung zu kontrollieren, zu steuern und zu bekämpfen.
Als der Rat der Stadt Büren Anfang der 90er die Wahl zwischen einer
Unterkunft für Flüchtlinge und dem Abschiebeknast hatte, entschied er
sich mit großer Mehrheit für den Knast. Fernab von jeder Öffentlichkeit,
ausgestattet mit neuester Sicherheitstechnologie und umgeben von einer
sechs Meter hohen Betonmauer befindet sich der Knast rund acht
Kilometer von Büren entfernt in einem Waldgebiet. Das war den meisten
wohl lieber, als Flüchtlinge die sich im Städtchen selbst aufhalten und
bewegen. Büren ist ein Symbol für den heimlichen und unheimlichen
Rassismus in Deutschland geworden.
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Abschiebehaft und andere Formen der Unterdrückung
Abschiebeknäste sind Ausdruck einer rassistischen Politik gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen. Sie stellen sicher, dass Menschen die aus Angst und Not in die BRD geflohen sind, gegen ihren Willen in Elend, Folter und Tod abgeschoben werden.
Neben der Abschiebehaft haben die rassistischen Sondergesetze noch eine
Vielzahl anderer unmenschlicher Praktiken zu bieten. Das
Asylbewerberleistungsgesetz gewährt Migrantinnen und Migranten nur etwa
65% des Sozialhilfesatzes, viele bekommen anstelle von Bargeld lediglich
Wertgutscheine, mit denen sie nur in bestimmten Läden und zu bestimmten
Konditionen einkaufen können. Noch entwürdigender ist die Versorgung
mit zusammengestellten Lebensmittelpaketen, bei denen keine Rücksicht
auf Ernährungsgewohnheiten oder Allergien genommen wird. Viele sind
gezwungen unter katastrophalen Bedingungen in Lagern zu leben, oft am
Rand oder außerhalb der Stadt, was die Isolation zusätzlich fördert.
Wenn es ihnen überhaupt erlaubt ist zu arbeiten, stellen die Bevorzugung
von Deutschen auf dem Arbeitsmarkt und die umständliche
Genehmigungspraxis ein faktisches Arbeitsverbot dar.
Eine weitere Schikane ist die so genannte „Residenzpflicht“, die es
Flüchtlingen verbietet, ein bestimmtes Gebiet, beispielsweise den
Landkreis, zu verlassen. Eine Sondergenehmigung kostet manchmal Geld und
ist immer von der Willkür der entsprechenden Ausländerbehörde abhängig.
Der Verstoß gegen dieses unglaubliche und europaweit einzigartige
Gesetz kann Geld- und Haftstrafen zur Folge haben. Ein anderes Beispiel
für den alltäglichen Rassismus sind die „verdachtsunabhängig“ genannten
Kontrollen durch die Polizei, mit denen People of Color aufgrund ihres
Aussehens belästigt und kriminalisiert werden.
Aber gegen die Repressionen gibt es auch selbst organisierten
Widerstand. So wehren sich immer wieder Flüchtlinge kollektiv gegen die
Isolation in Lagern, gegen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit
durch die Residenzpflicht und für ein würdiges Leben. Breitenworbis in
Thüringen, Meinersen in Niedersachsen und Velbert in NRW sind Orte, an
denen es LagerbewohnerInnen gelungen ist, gemeinsam gegen ihre oft
jahrelange Unterbringung in Heimen und Lagern zu protestieren und
Öffentlichkeit herzustellen.
All diese Mechanismen und Gesetze gegen MigrantInnen sollen
Einwanderung verhindern und in Deutschland lebenden Flüchtlingen eine
Teilhabe verweigern.
Dabei wird verschwiegen, dass eine Vielzahl der Fluchtgründe hausgemacht
sind: Waffenlieferungen an das türkische Regime oder die
wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Diktaturen wie dem Iran und Syrien
sorgen dafür, dass Millionen von Menschen massiv ausgebeutet und
unterdrückt werden und oftmals keine Alternative zur Migration haben.
Aber auch fernab dieser Realität sollte es für jeden Menschen eine
Selbstverständlichkeit sein, sich dort aufhalten zu können, wo er will.
Staatsgrenzen sind immer Gebilde von Machtinteressen. Schaffen wir eine
grenzenlose Welt ohne Reisepässe und Schlagbäume!
FRONTEX demontieren!
Das Mittelmeer ist in den letzten Jahren für Tausende Menschen zum Grab geworden. Mit Hilfe von Drohnen, Satellitensuchsystemen, Kameras und Schnellbooten werden die Grenzen überwacht und die „Boat People“ genannten Flüchtlinge ferngehalten. Wie viele auf dem Weg ertrunken und verdurstet sind, kann niemand genau sagen. Wer die Verantwortung dafür trägt, dagegen schon: je stärker die EU-Außengrenzen kontrolliert werden, desto schwieriger wird es für die Boat People, das rettende Ufer zu erreichen. Die Boote weichen auf immer gefährlichere Routen aus, um nicht abgefangen und zurückgeschickt zu werden. Führende Rolle in diesem Krieg gegen Migration spielt die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX. Ihre Mittel und Befugnisse steigen von Jahr zu Jahr, mit tödlichen Folgen. So kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen auf hoher See: Benzin- und Wasserreserven werden konfisziert, um die Flüchtlinge zum Umkehren zu bewegen, Boote abgedrängt oder gleich versenkt. FRONTEX muss aufgelöst und die Reisewege müssen freigegeben werden!
Was sollen denn eigentlich alle in Dublin II?
In der so genannten Dublin II-Verordnung der Europäischen Union ist geregelt, welches EU-Land für einen Asylantrag zuständig ist. Und das ist in der Regel das Land, in das ein Flüchtling zuerst einreist. Deutschland hat keine EU-Außengrenze und kann deshalb Flüchtlinge, die hier einen Asylantrag stellen wollen, zurückschieben. Dublin II bedeutet unermessliches menschliches Leid und führt dazu, dass viele Flüchtlinge inzwischen keinen Schutz mehr erhalten, weil Länder wie Rumänien, Italien, Griechenland, Malta oder Zypern aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage mit der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge und der Durchführung der Asylverfahren überfordert sind. Nicht selten passiert es, dass Flüchtlinge über Kettenabschiebungen zurück in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, z.B. über Rumänien nach Syrien in die Hände ihrer Folterer.
Im April 2012 wurde in der griechischen Hauptstadt Athen ein neues
Containerhaftlager eröffnet, mit Platz für über tausend Menschen.
Landesweit sind rund 30 ähnliche Einrichtungen geplant.Die EU finanziert
nicht nur den Bau, sondern auch die laufende Kosten für diese neuen
griechischen Haftlager. Auch mit dem Bau eines Flüchtlingsabwehrzaunes
im Evros-Gebiet zwischen Griechenland und der Türkei wurde inzwischen
begonnen.
Auf Malta werden ankommende Flüchtlinge ausnahmslos inhaftiert, meistens
zwölf, manchmal bis zu 18 Monate lang. Ihrer Entlassung aus den „Closed
Detention Centers“ folgt die Überweisung in meist überfüllte offene
Lager und anschließend nicht selten die völlige Mittel- und
Obdachlosigkeit. Malta ist für Flüchtlinge eine Sackgasse.
Wir fordern ein Ende der Inhaftierungen geflüchteter und die Abschaffung
von Abschiebungen. Wer kommen will, soll kommen dürfen – wer bleiben
will, soll bleiben dürfen!
Und was hat das mit Büren zu tun?
Um Menschen in Abschiebehaft zu stecken, reicht allein der „begründete Verdacht“ aus, dass sie sich ihrer Abschiebung entziehen wollen. Bis zu 18 Monate kann dann die Inhaftierung dauern, ohne Prozess, als reine Verwaltungsmaßnahme. Zur „Disziplinierung“ von Gefangenen werden Arreststrafen verhängt, d.h. bis zu vier Wochen Leben in totaler Isolierung, ohne Radio, Zeitung, Fernsehen, Bücher, Telefon, ohne Kontakt zu Mithäftlingen.
Seit Ende 2011 sind in Büren auch weibliche Häftlinge untergebracht,
nachdem der Frauen-Abschiebeknast in Neuss geschlossen worden ist. Die
notwendige psychologische Hilfe, die viele von ihnen dringend benötigen,
nachdem sie in ihren Herkunftsländern, auf der Flucht oder in der
Illegalität Opfer sexualisierter und anderer Gewalt wurden, erhalten sie
in keiner Weise. Ganz im Gegenteil: Deutsche Behörden und die Haft
schreiben die Gewaltgeschichten fort. Auch in der Angst vor der
Abschiebung in die unerträglichen Lebenssituationen, vor denen sie
geflohen sind, werden die Menschen alleine gelassen.
Werden Menschen hier aufgegriffen, die über ein anderes EU-Land
eingereist sind, werden sie aufgrund des oben beschriebenen Dublin
II-Systems umgehend dorthin zurückgeschoben. Bis zu ihrer Abschiebung
werden viele in Abschiebehaft gebracht, zum Beispiel hier nach Büren.
Sie warten dort darauf, in ein anderes europäisches Land abgeschoben zu
werden. Was dann mit ihnen passiert, ist meist unklar. Entweder sie
werden vor Ort erneut inhaftiert, einfach auf die Straße gesetzt oder
weiter abgeschoben. Ein funktionierendes Asylverfahren ist nur in den
wenigsten Fällen gewährleistet. So entledigt sich der deutsche Staat
elegant seiner Verantwortung für Schutzsuchende und übt gleichzeitig
Druck aus, damit die EU-Außengrenzen noch stärker überwacht und
abgeschottet werden.
Am 30.8.1999 verbrannte Rachid Sbaai in einer Isolationszelle des Bürener Knastes. Aus Furcht vor der bevorstehenden Abschiebung haben sich seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 mehr als 60 Menschen in deutschen Abschiebeknästen das Leben genommen. Die herrschende Abschiebepolitik hat diese und viele weitere Tote zu verantworten.
Bringen wir diese Mauern zum Einstürzen! Abschiebehaft abschaffen! Abschiebungen beenden!
Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!
Weg mit den rassistischen Sondergesetzen – Gleiche Rechte und Bewegungsfreiheit für alle!