Ein weiterer Tod. In den frühen Morgenstunden am Samstag den 7. Juli, starb unser Freund N., 28 Jahre alt, im Stadt Zentrum von Calais. Seine Leiche wurde nahe der Sub-Prefektur aus einem Kanal geborgen. Wie zuvor hat die Polizei Freunden und Familie des Toten den Zugang zu seiner Leiche ebenso wie eine gerichtliche Untersuchung bezüglich seines Todes verwehrt. Sie haben ihre Geschichte zu seinem Tod schon vorbereitet, die sich weiter entwirren wird, je mehr Beweise ans Licht kommen.
Die offizielle Geschichte klingt so: N. klaute ein Handy im Stadt Zentrum, er wurde von einem Freund des Bestohlenen gejagt und irgendwie bekam er es hin in den Kanal, in dem er schließlich ertrank, zu fallen oder zu springen. Offenbar gibt es keine Notwendigkeit für eine gerichtliche Untersuchung oder eine Autopsie. Es gibt keine Notwendigkeit die Polizeibewegungen kurz bevor N. starb zu erklären. Es ist selbstverständlich unnötig auf Beweise zu warten, dass er etwas gestohlen hat. Diese Geschichte, direkt aus den Mündern der Cops, wurde von dem Lokalblatt „La Voix du Nord“ ohne weitere Recherche nachgeplappert.
Ein Migrant. Schwarz. Ein Dieb. Ein Unfall, vielleicht sogar ein verdienter Tod...
N's Freunde - und Zeugen - erzählen eine andere Geschichte. Wir können nicht mehr darüber schreiben was wirklich geschah, aber wir werden es tun, sobald es uns möglich ist. Diesen Morgen (Montag den 9.7.) protestierten 40 Menschen vor der zentralen Polizeistation in Calais. N. war sehr beliebt. Wir werden bald mehr über sein Leben schreiben, mit vollem Respekt für seine Familie und Freunde. Wir werden diesen Tod nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Das vertuschen von Todesfällen in Calais durch staatliche Authoritäten und die Medien sind wir schon gewohnt. Um ein weiteres aktuelles Beispiel zu geben: Am 22. Dezember 2011, wurde ein weiterer Freund, Ismael, unter eine Brücke im Stadt Zentrum von Calais tot aufgefunden. Die Polizei hat die Akte zu dem Fall umgehend geschlossen – es sei Selbstmord gewesen. Sie verweigerten Ismaels Freunden seine Leiche zu identifizieren und verweigerten ebenso eine Autopsie. Freunde von Ismael besuchten mehrmals die Polizeistation um darum zu bitten ihren Freund sehen zu dürfen – jedes mal wurden sie weggeschickt und zusätzlich mit einer Festnahme bedroht, wenn sie nicht gehen würden. Nur ein weißer, französischer Freund wurde hereingelassen um Ismael zu identifizieren. Es gab keine weiteren Ermittlungen.
Die Grenze tötet. Wir wissen nicht wie Ismael starb. Wir haben oft gesehen, wie Polizist*innen Migrant*innen gejagt haben, so dass diese in den Kanal stürzten. Kugeln und Schlagstöcke sind nicht die einzigen Waffen um Menschen zu töten. Ein Sturz von einer Brücke kann genauso töten. Jahre voll Angst und Frustration und Demütigung können genauso töten. Dies sind die Toten, die Europas geplünderten Reichtum vor den „Ausländern“ schützen.
Ni Oubli. Ni Pardon. Don't forget. Don't forgive. Kein Vergessen. Kein Vergeben.
Sobald wie möglich werden wir weitere Informationen zum Tod von N. veröffentlichen.
Nord Littoral Artikel (in Französisch): http://www.nordlittoral.fr/actualite/la_une/2012/07/08/article_un_migran...
Das Calais Migrant Solidarity Dossier erklärt detailliert die Repression in Calais, "This Border Kills", Kann hier auf Englisch und Französisch herunter geladen werden: http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/this-border-kills-our-dossi...
Weitere Infos zu Calais auf Deutsch findet ihr hier:
http://calaismigrantsolidarity.blogsport.de
Eine Broschüre, die die Situation an der französischen Ärmelkanalküste detailliert erklärt gibt's hier:
http://calaismigrantsolidarity.blogsport.de/broschuere-trying-for-england/