Mietobergrenze neu, Problem alt

Erstveröffentlicht: 
21.04.2012

"Runder Tisch" mit Studie: viel zu wenig bezahlbare Wohnungen.

Vor einem Jahr hat die Stadt nach einem Urteil des Bundessozialgerichts die Mietobergrenzen für Sozialhilfeempfänger erhöhen müssen. "Der Runde Tisch zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze" hat den Praxistest gemacht: Gibt es denn nun mit neuen Mietobergrenzen genug Angebot auf dem Markt? Antwort: nein. Derweil rechnet die Stadtverwaltung mit 630 000 Euro Mehrkosten pro Jahr wegen des Urteils.

 

Die Versuchsanordnung war klar: Zwei Monate lang, von Ende September bis Anfang Dezember 2011, durchforsteten Jürgen Rombach, Inge Zeller, Katharina Schneyderberg und Thomas Burkert vom "Runden Tisch" Zypresse, Schnapp und Badische Zeitung akribisch nach Wohnungsangeboten. In dieser Zeit fanden sie 1132 Wohnungsangebote, die sie auswerteten. 558 dieser Angebote fielen aus unterschiedlichen Gründen weg, etwa weil die Wohnungen nur für Studenten ausgeschrieben oder ohne Preis- oder Quadratmeterangabe waren.

 

Nun ist es ja so, dass die Wohnungsmiete, die der Staat bei Bedürftigen übernimmt, nach Personen- und Quadratmeterzahl definiert ist. Das heißt zum Beispiel: Eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen erhält staatliches Mietgeld in Höhe von 435 (früher: 364) Euro, wenn die Wohnung 46 bis 60 Quadratmeter groß ist. Vier Personen bekommen 599 (früher: 518) Euro für eine 76 bis 90 Quadratmeter große Wohnung. Der "Runde Tisch" sortierte nun die übriggebliebenen 574 Wohnungen nach den Mietobergrenzen. Ergebnis: Gerade mal 131 Wohnungen kamen überhaupt für Sozialhilfeempfänger in Frage von den ursprünglich 1132. "Die spannende Frage war: Kriegen Hartz-IV-Bezieher die Wohnungen?" so Jürgen Rombach. Deshalb setzten sich die Untersucher ans Telefon. 52 Wohnungsanbieter haben sie erreicht, davon haben 23 gleich abgewunken: Alg-II-Bezieher wollten sie nicht als Mieter haben. Das heißt laut Studie: In zwei Monaten gab es zwar 1132 Wohnungsangebote in den Zeitungen, Hartz-IV-Empfänger – und zwar alle in Freiburg – hätten jedoch nur bei 29 Wohnungen reelle Chancen auf den Einzug gehabt. Fazit des "Runden Tisches": "Bedarfsgemeinschaften mit mehr als zwei Personen sind so gut wie chancenlos."

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In Freiburg gibt es derzeit rund 8600 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, etwa 1200 sind nach Angaben von Matthias Müller, stellvertretender Leiter des Sozialamtes, von dem Urteil betroffen. Bei 619 von diesen werden nun die Miete voll übernommen. Dazu kommen 2215 Haushalte, die Grundsicherung bekommen, von ihnen sind 300 betroffen. Insgesamt, so Müller, müsse die Stadt aufgrund des Urteils 630 000 Euro mehr pro Jahr aufwenden.