Seit einigen Tagen gibt es einen landesweiten Hungerstreik in den kolumbianischen Gefängnissen. Im folgenden wird versucht, einen kurzer Überblick über die Situation zu geben.
Seit Jahren gibt es in Kolumbien die politische Streitfrage, ob es politische Gefangene gibt oder nicht. Während nationale und internationale politische, soziale und aufständische Bewegungen betonen, dass es politische Gefangene und Kriegsgefangene in Kolumbien gibt, negiert die Regierung dies und behauptet, es gäbe keinen politischen Konflikt in Kolumbien sondern nur Terror von kriminellen Banden. Den politischen, sozialen und aufständischen Bewegungen wird somit der politische Anspruch abgesprochen.
In Kolumbien gibt es bis zu 9500 politische Gefangene und Kriegsgefangene. Der geringere Teil davon sind Gueriller@s, der größere Teil kommt aus den politischen und sozialen Bewegungen. Seit geraumer Zeit gibt es auch Versuche von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, die Gefängnisse zu besuchen um über die Situation der Gefangenen aufzuklären. Bisher haben dies Regierung und die Haftanstalten verhindert. Die Gefangenen beklagen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, Bedrohungen, Schläge und Gewalt gegen die politischen Gefangenen, ein fehlendes Gesundheitssystem, unhygienische Zustände, keinen rechtlichen und sozialen Beistand sowie Überbelegung, die sich zum Beispiel in folgenden Zahlen ausdrückt. So wurden im Jahr 2011 55112 neue Gefangene aufgenommen während nur 19231 Personen das Gefängnis verlassen konnten.
Am 26. Februar gab es eine Konferenz („Kolumbien hinter Gittern“), die die Agenda der politischen Gefangenen und deren miserabler Situation thematisierte. Hier wurde eine internationale Kommission gegründet. Schon im letzten Jahr initiierte eine Organisation von im öffentlichen Leben stehenden Frauen mit den FARC-EP die Vereinbarung für die einseitige Freilassung von Gefangenen, um somit den Prozess der Anerkennung der politischen Gefangenen zu beschleunigen. Am 28. Februar wurde bei einem Treffen mit dem Justizminister der Besuch einer Kommission in den Haftanstalten vereinbart, die er aber später ohne Begründung wieder zurücknahm.
Das Sekretariat der FARC-EP gab schließlich kurze Zeit später die Freilassung von 10 Kriegsgefangenen bekannt, verlangt aber dafür auch die Bestätigung zum Besuch einer humanitären Kommission in den Haftanstalten. Auch die politischen und sozialen Bewegungen erhöhten den Druck, um den Besuch zuzulassen und den Fakt und Status der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen anzuerkennen. Die Antwort der Regierung war Zynismus und die Bekräftigung für eine Nichtlösung des Problems.
In Kolumbien hat die herrschende Oligarchie, also die Großgrundbesitzer, Unternehmer, korrupte Politiker und transnationale Konzerne, ein Rechts- und Repressionssystem festgelegt, mit denen sie ihre Interessen schützen und gewährleisten will. Es will die Vormachsstellung im immer weiter zunehmenden Kampf der Bevölkerung wahren und versucht dies durch extralegale Wege, Paramilitärs, durch einen „schmutzigen Krieg“, Repression und Medienpropaganda durchzusetzen. Das Aufbegehren dagegen und das Kämpfen für Gerechtigkeit wird als Terrorismus oder kriminelles Bandentum abgetan.
Um den Kampf nach außen zu tragen und um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, beschlossen am 19. März mehrere Hundert Gefangene am folgenden Tag in den Hungerstreik zu gehen. Die Hungerstreikenden verteilten sich auf folgende Gefängnisse:
1. Das Hochsicherheitsgefängnis von Combita,
2. das Gefängnis mittlerer Sicherheit El Barne,
3. das Gefängnis La Picota in Bogotá,
4. das Gefängnis ERON La Picota in Bogotá,
5. das Gefängnis in Palmira,
6. das Hochsicherheitsgefängnis in Girón,
7. das Hochsicherheitsgefängnis in La Dorada,
8. das Gefängnis in Quibdó,
9. das Hochsicherheitsgefängnis La Tramacúa in Valledupar,
10. das Hochsicherheitsgefängnis Palo Gordo in der Region Santander,
11. das Gefängnis Villa Inés in Apartadó,
12. das Gefängnis in Girardot und
13. das Frauengefängnis El Buen Pastor in Bogotá.
Am 21. März kamen weitere über 60 Hungersreikende aus der Haftanstalt ERON La Picota in Bogotá dazu, so dass sich die Gesamtzahl auf über 600 Hungerstreikende erhöhte. Aktionen gab es zudem in anderen Gefängnissen des Landes, so dass deutlich mehr als ein Dutzend Haftanstalten beteiligt waren. Zwischendurch gab es Berichte und Erklärungen von politischen Gefangenen, die ihren Hungerstreik aufgrund des Gesundheitszustandes und der psychischen Situation beendet hatten.
Aktuell steht die Entscheidung der Regierung aus, den Besuch der internationalen Kommission in den Gefängnissen zuzulassen. In einem Land wie Kolumbien trifft dieser Satz zu, der in einem dortigen Gefängnis in die Wand eingerizt war: Die Rebellion ist kein Verbrechen, sie ist ein Recht.
Anbei ein Kommuniqúe aus den ersten Tagen:
Die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen des Landes informieren die nationale und internationale Öffentlichkeit über die Entscheidung eines Aktes von Ungehorsam und eines Hungerstreiks mit der Forderung an die Regierung, die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen als ein Resultat des sozialen und bewaffneten Konflikts anzuerkennen, den unser Land erleidet. Außerdem fordern wir die Erlaubnis zur Überprüfung der aktuellen Situation der Gefangenen durch die internationale Kommission, begleitet durch die Organisation “Kolumbianer und Kolumbianerinnen für den Frieden.”
Wir glauben, diese Entscheidung ist ein Schritt auf diesem langen Weg, um Lösungen für unsere alltäglichen Probleme zu finden, die alle Gefängnisinsassen des Landes betreffen, die hygienischen Bedingungen, die Überfüllung, die rechtliche Situation, die Verletzung der Menschenrechte und vieles mehr.
An diesem nationalen Gefägniskampf beteiligen sich 17 Gefägnisse mit Unterstützung und angebotener Begleitung durch Nichtregierungsorganisationen und Massenbewegungen wie die Kooperation “Neue und bessere Wege aufbauend” (Corporación Construyendo Nuevos y Mejores Caminos – CNMC), die Koalition für die Freiheit der politischen Gefangenen (Coalición por la Libertad de las Prisioneras y los Prisoneros Políticos – Larga Vida a las Mariposas), die Fundation Band der Würde (Fundación Lazos de Dignidad), die Rechtsbrigade Eduardo Umaña Mendoza (Brigada Jurídica Eduardo Umaña Mendoza), das Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen, die Kommunistische Partei, der Unterbau der Partei Polo Democrático, Kolumbianer und Kolumbianerinnen für den Frieden, die Bauernbewegung, die Gewerkschaftsbewegung, die Studentenbewegung und verschiedene Solidaritätsdemonstrationen von verschiedenen politischen und anderen öffentlichen Organisationen aus aller Welt.
Mit dieser geplanten Aktion wollen wir gegenüber Kolumbien und der Welt zeigen, dass es in Kolumbien politische Gefangene und Kriegsgefangene gibt, die politisch engagiert für die soziale Veränderung und den politischen dialogbereiten Ausweg aus dem schweren Konflikt sind, der uns ausbluten lässt. Damit wollen wir bewirken, dass der Grundstein für eine Diskussion um das Thema des politischen Delikts in Kolumbien gelegt wird.
Wir sind bereit zu kämpfen in einer beständigen Auseinandersetzung, bis die Regierung und die Verantwortlichen der Gefängnisse unsere gerechten Einsprüche und Petitionen beschließen.
Wir fordern die Gefangenen, die Familien und sozialen Organisationen auf, uns zu begleiten bei der Errichtung einer Gefängnisbewegung im Land um den Kämpfe bis zum erreichten Ziel fortzuführen.
Politische Gefangene und Kriegsgefangene aus den Gefängnissen:
CÁRCEL DE ALTA SEGURIDA DE PALO GORDO GIRON - SANTANDER
PENITENCIARIA DE ALTA SEGURIDAD DOÑA JUANA- LA DORADA
CARCEL BELLAVISTA – MEDELLIN
CARCEL ANAYANSI DE QUIBDO – CHOCO
CARCEL EL RESPOSO SANTA ELENA - URABA
ERON BOGOTÁ
PENITENCIARIA LA PICOTA BOGOTA
CARCEL DE PALMIRA - VALLE
PENITENCIARIA EL BARNE - BOYACA
CARCEL LA VEGA SINCELEJO - SUCRE
CARCEL LAS MERCEDES MONTERÍA
CARCEL LA MODELO - BUCARAMANGA
CARCEL LA MODELO - CUCUTA
ERON CUCUTA – NORTE DE SANTANDER
RECLUSION DE MUJERES EL BUEN PASTOR - BOGOTA
CARCEL DE POPAYAN – VALLE DEL CAUCA
PENITENCIARIA DE ALTA SEGURIDAD ALTA - COMBITA
RECLUSION DE MUJERES EL PEDREGAL –MEDELLÍN
RECLUSION DE MUJERES DE JAMUNDÍ – VALE DEL CAUCA