Seit dem Aufstand der Zapatisten in Mexiko 1994 gab und gibt es viele Versuche, autonome Strukturen aufzubauen. Weite Teile der indigenen Bevölkerung wollen sich nicht mehr unter das neoliberale Parteiensystem stellen, dass ihnen eine Armut und Hilflosigkeit aufzwingt, wie kaum ein anderes System.
Die Antwort der mexikanischen Regierung auf diese Befreiungsversuche ist in vielen Fällen nur eine: Gewalt. Offizielle Regierungstruppen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen ist – zumindest noch – selbst bei den meisten westlichen imperialistischen Staaten verpönt. Der Staat Mexiko setzt deshalb zunehmend auf andere Methoden, die indigene Bevölkerung einzuschüchtern. Oft kommen dabei sogenannte paramilitärische Einheiten zum Einsatz. Meistens von der Regierung bezahlt, ausgebildet und/oder ausgerüstet terrorisieren sie ganze Landstriche. Mindestens sechszehn dieser irregulären und illegalen Truppen agieren in den Bundesstaaten Chiapas, Guerrero, Sonora, Campeche und Tabasco. Zu den bekanntesten Terrorgruppen gehören „Paz y Justicia“, „MIRA“, „Chinchulines“, die „Punales“, die „Guardias Blancas“ und mittler Weile auch die UBISORT.
Die meisten von ihnen operieren im Bundesstaat Chiapas, einem der ärmesten Gebiete Mexikos. Mit Ausnahme der Guardias Blancas („Weiße Garden“), die bereits seit Anfang der fünfziger aktiv sind, wurde fast alle diese Gruppierungen Mitte oder Ende der Neunziger des zwanzigsten Jahrhundert, als direkte Reaktion auf die indigenen Aufstände, gegründet.
Die „Union für das soziale Wohl in der Triqui-Region“ (UBISORT)
Die UBISORT ist eine der wenigen Milizen, die nicht in Chiapas agieren. Obwohl sie weder zu den ältesten, noch zu den größten paramilitärischen Verbänden in Mexiko zählt, ist die Union in der Vergangenheit des öfteren durch ihr brutales Vorgehen aufgefallen. Die Gruppe, die hauptsächlich aus Copala-Bewohnern besteht, kämpft gegen den am ersten Januar 2007 ausgerufene autonomen Bezirk San Juan Copala. Die UBISORT wird direkt von der sich selbst Revolutionären institutionellen Partei (PRI) finanziert. Die rechtskonservative PRI ist in Oaxaca seit über 80 Jahren an der Regierung. Seit Ende 2009 belagert die UBISORT das autonome Gebiet Copala. Wasser- und Stromzufuhren wurden gekappt, Lehrer und Ärzte aus der Region vertrieben. Mehr als zwanzig Menschen sind bereits während dieser Blockade von der UBISORT erschossen worden, darunter auch Kleinkinder. Großes Aufsehen erregte der Angriff auf einen Hilfskonvoi, der im April 2010 Nahrungsmittel und Medikamente in das abgeschnittene Dorf bringen wollte. Zwei Aktivisten wurden dabei durch gezielte Kopfschüsse regelrecht hingerichtet, mehrere Teilnehmer_Innen des Konvois wurden verletzt. Allein der erste Jeep der Hilfstruppe wurde mit über zwanzig Einschüssen durchlöchert.
Die Guardias Blancas („Weiße Garden“)
Die „Weißen Garden“ werden entweder von Großgrundbesitzern oder lokalen politischen Machthabern angagiert, finanziert und bewaffnet. Meistens handelt es sich bei diesen Milizen um ehemalige Soldaten und Sicherheitskräfte oder um verarmte Bauern und Landarbeiter. Mit Hilfe dieser illegalen Angriffskommandos wollen Gutsbesitzer und lokale Politiker – die oft unter einer Decke stecken oder sogar die selben Personen sind – auf illegalem Weg ihre ökonomischen und politischen Interessen durchsetzen. Auf das Konto der „Weißen Garden“ gehen Vertreibungen unliebsamer Bauern aber auch Morde an ganzen Familien.
Pazy y justicia (Frieden und Gerechtigkeit)
Die paramilitärische Organisation „Paz y Justicia“, die sich später in „Desarrollo, Paz y Justicia“ („Entwicklung, Frieden und Gerechtigkeit“, kurz DPJ) umbenannte, gründete sich im Jahr 1995, kurz nach dem Aufstand der Zapatisten, in Chiapas. Die als militärische Arm der SOCAMA (Solidaridad Campesino Magisterial; zu deutsch: Bauern-Lehrer-Solidarität) geltende Miliz wurde unter anderem von Samuel Sánchez Sánchez, Abgeordneter im chiapanekischen Parlament und Leiter der SOCAMA, mitbegründet.
Seit Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat „Frieden und Gerechtigkeit“ mehrere tausend Bäuerinnen und Bauern vertrieben, hunderte Quadratkilometer Kaffeepflanzen vernichtet, und einige der schlimmsten Massaker in Chiapas angerichtet. Auch vor Vergewaltigungen schrecken die Paramilitärs nicht zurück.
Ursprünglich war „Paz y Justicia“ eine Organisation, die soziale Projekt finanzierte. Zu ihrer Führung zählten nicht zuletzt PRI-Abgeordnete, lokale Politiker und ehemalige hochrangige Ex-Militärs. Nach dem Aufstand der EZLN formierte sich die Organisation schnell zu einer illegalen Miliz, die von der mexikanischen Polizei und Armee bewaffnet und ausgebildet wurde.
Die Reihe von terroristischen und illegalen Paramilitärs, die von der mexikanischen Regierung entweder unterstützt oder geduldet werden, ließe sich noch ewig fortführen. Massaker und Vertreibungen sind an der Tagesordnung. Ein Ende dieser Angriffe rechtsgerichteter Milizen kann nur geschehen, wenn dieses Problem endlich auch im Ausland ernst genommen wird. Doch solange Staaten wie die USA lieber Wirtschafts- und Militärabkommen mit Mexiko schließen und sich in Sachen Menschenrechte die Augen zu halten, wird dies schwierig werden.
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