Intime Gespräche können nicht gelöscht werden

Erstveröffentlicht: 
17.02.2012

BERLIN. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, kritisiert den Einsatz von Staatstrojanern bei Sicherheitsbehörden des Bundes. Es gebe hierfür keine ausreichende Rechtsgrundlage, Datenschutzvorschriften seien verletzt worden und der Kernbereich der Persönlichkeit nicht ausreichend geschützt.

 

Das geht aus einem Sonderbericht des Datenschutzbeauftragten hervor, der "VS – nur für den Dienstgebraucht" gestempelt ist. Am Freitag wurde er anonym auf der Webseite linksunten.indymedia.org, einer Nachrichtenbörse südbadischer Linksradikaler, veröffentlicht. Der Sonderbericht wurde erstellt, nachdem der Chaos Computer Club (CCC) im vergangenen Oktober einen bayerischen Staatstrojaner enttarnte. Dabei machte der CCC bekannt, dass die bayerische Spähsoftware nicht nur Internet-Telefonate abhörte, sondern auch Bildschirm-Inhalte (screenshots) übertrug, was vom richterlichen Beschluss nicht gedeckt war.

 

Wenn Internet-Telefonate – etwa via Skype – abgehört werden, spricht man von Quellen-Telekommunikations-Überwachung (Quellen-TKÜ). Da die Telefonate unterwegs verschlüsselt sind, muss die Polizei an der Quelle, also in einem der beteiligten Computer, den Datenstrom ableiten, bevor er verschlüsselt wird. Wie Schaar feststellte, hat das Bundeskriminalamt 23 Quellen-TKÜs durchgeführt, davon elf zur Gefahrenabwehr, acht in Strafverfahren (wegen Terrorismus, Drogenhandels und Betrug) und vier in Amtshilfe für Bundesländer. Die Bundespolizei nutzte die Trojaner-Software einmal (gegen einen mutmaßlichen Schleuser), die Zollfahndung 16 Mal. Für den Verfassungsschutz ist Schaar nicht zuständig.

 

In den Akten der Sicherheitsbehörden fand Schaar keine Hinweise darauf, dass die Spionagesoftware andere Aufgaben ausführte, als Internet-Telefonate abzuhören. So waren in den Akten keine Screenshots zu finden, auch keine Hinweise auf Daten, die per Online-Durchsuchung von der Festplatte des untersuchten Computers kopiert wurden.

 

Datenschutzbeauftragter zeigt sich verwundert

 

Schaar kritisierte, dass die Quellen-TKÜ auf die allgemeine gesetzliche Befugnis zum Abhören von Telefonen gestützt wird. Er hält eine spezielle Vorschrift für erforderlich – anders als die Gerichte, die die Maßnahme genehmigt haben. Zudem sei die Verschlüsselung der Datenströme unzureichend gewesen, so Schaar. Dies habe gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen. Verwundert zeigte sich Schaar, dass er in einem Fall auch Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung in den Akten fand. Dabei hatte ein mutmaßlicher Drogendealer mit seiner Freundin telefoniert. "Kurzes erotisches Gespräch" heißt es in den Akten, "Liebesbeteuerungen", "danach Sexgespräche": "Ab 15.22.20 h bis 16.01.00 finden offensichtlich Selbstbefriedungshandlungen statt". Auch die zugehörigen Tonspuren waren vorhanden. Das BKA hätte sie gerne gelöscht, doch die Software ließ keine punktuelle Löschung zu. Schaar sieht darin ein Problem.