Ein 26-Jähriger ist vom Amtsgericht Heidenheim freigesprochen worden, nachdem er wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt war. Der Mann hatte sich im vergangenen Jahr beim Herbrechtinger Stadtfest mit Pfefferspray gegen eine Gruppe von Neonazis gewehrt und dabei unbeteiligte Passanten verletzt.
„Ich bin schon baff, hier als Angeklagter zu sitzen, denn ich sehe mich in dieser Angelegenheit als Opfer“ – der 26-Jährige, der sich am Mittwoch Vormittag vor dem Heidenheimer Amtsgericht mit dem Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung konfrontiert sah, machte gleich zu Beginn der Verhandlung deutlich, seiner Ansicht nach in die falsche Rolle gedrängt worden zu sein.
Bühne des nun juristisch zu bewertenden Geschehens war das Herbrechtinger Stadtfest vom 16. Juli vergangenen Jahres gewesen. Bei der Brenzbrücke unweit des Bibris-Schulzentrums kamen sich dort kurz nach Mitternacht mehrere Personen ins Gehege. Unbekannte Täter fügten dabei einem 26-Jährigen, der sich anschließend mit Pfefferspray zur Wehr setzte, Verletzungen im Gesicht zu.
So weit die vergleichsweise dürre Feststellung des tags darauf formulierten Polizeiberichts, der jetzt durch die Aussagen des 26-Jährigen und mehrerer Zeugen in wesentlichen Details ergänzt wurde. Ergebnis: Unter Zustimmung aller Beteiligten erging der Beschluss des Gerichts, das Verfahren aufgrund geringer Schuld des mutmaßlichen Täters nach § 153 der Strafprozessordnung einzustellen.
Was war in besagter Julinacht in Herbrechtingen eigentlich passiert? Der Anklageschrift zufolge hatte der 26-Jährige, der sich selber dem nach Aufrufen in einschlägigen Internetforen gestern im Gerichtssaal vielköpfig vertretenen linken Spektrum zurechnet, am Randes des Stadtfests zwei Personen ohne ersichtlichen Grund Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.
Völlig anders schilderte der Angeklagte das Geschehen: Drei aus Dresden angereiste Männer – seiner Einschätzung nach aufgrund Frisur, Kleidung und eindeutigen Tätowierungen als Neonazis auszumachen (und dem Urteil eines Polizeibeaten entsprechend einer Skinheadgruppierung zuzuordnen) – hätten ihn „angemacht und auf mich eingeschlagen. Und ich hätte sicher keine andere Möglichkeit gehabt, da rauszukommen, als durch Pfefferspray“.
Sollten durch das Spray, das er aufgrund einschlägiger Erfahrungen wegen seines auffälligen Äußeren zum Selbstschutz bei sich trage, Unbeteiligte zu Schaden gekommen sein, tue ihm das leid, so der 26-Jährige weiter. Zwei dieser in Mitleidenschaft Gezogenen wurden gestern als Zeugen vernommen. Beide gaben an, sich unmittelbar vor den Handgreiflichkeiten mit den aus Dresden angereisten Männern unterhalten zu haben, weil ihnen diese als Fußballanhänger von einem Spiel des FC Heidenheim bekannt gewesen seien. Ansonsten verbinde sie nichts mit der Personengruppe, auch gehörten sie nicht den Heidenheimer Ultras an.
Von großer Bedeutung für den weiteren Verlauf der Verhandlung war die übereinstimmende Aussage der Zeugen, der 26-Jährige sei zuerst mit Schlägen traktiert worden und habe dann als Reaktion darauf das Pfefferspray eingesetzt. Hinzu kam die Verwunderung des Verteidigers darüber, dass in dem Verfahren nicht auch gegen die Kontrahenten seines Mandanten ermittelt worden sei. Immerhin spiele die Frage eines möglichen Notwehrhandelns eine nicht unwesentliche Rolle.
Dieser Betrachtungsweise näherte sich im Zuge der Beweisaufnahme auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Zunächst befand er, es komme nach der übereinstimmenden Schilderung des Geschehensablaufs „bestenfalls noch eine fahrlässige, auf keinen Fall mehr eine gefährliche Körperverletzung infrage“. Eine Einstellung des Verfahrens erscheine ihm daher gegen Auflagen möglich. Noch einen Schritt weiter ging er mit der Antwort „offen gestanden ja“ auf die Frage des Verteidigers, ob nicht gänzlich auf eine Auflage verzichtet werden könne.
Mit dem bereits geschilderten Einstellungsbeschluss des Gerichts war der 26-Jährige dann sichtlich befriedigt der Rolle des Angeklagten ledig.