Wir haben es satt – Autonomie und Kooperation statt Markt und Staat - Eine landwirtschaftliche Utopie

Land14

Solidarische Landwirtschaft - Jenseits des Marktes
Das ökologische, soziale und kulturelle Desaster der Landwirtschaft liegt im Zwang zur kapitalistischen Verwertung begründet. Einen Schritt heraus aus diesem Zwang versucht die Solidarische Landwirtschaft zu gehen, um damit den Grundstein für eine andere Landwirtschaft zu legen. In diesen Projekten tun sich Bäuer_Innen und Konsument_Innen zusammen um ihr Bedürfnis nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln zu befriedigen. Ebenfalls im vor hinein und für ein Jahr soll die Deckung der Kosten für die Produktion und die Bedürfnisbefriedigung der Bäuer_Innen (z.B. Löhne) zugesichert werden.

 

Innerhalb dieser Zielsetzung können alle nach ihren (finanziellen) Fähigkeiten beitragen und nach ihren Bedürfnissen (z.B. Gemüse) nehmen. Nicht nur die Forderung nach "fairen" Preisen wird in diesem Modell obsolet. Die Produkte haben keinen Tausch- bzw. Geldwert mehr. Auch werden wieder viele Menschen in die Landwirtschaft mit einbezogen. Und das nicht in den von Bauernorganisationen viel geforderten "fairen", aber weiterhin abstrakten Lohnarbeitsverhältnissen sondern in freiem Tätigsein. Die Höfe wären endlich freie Lernorte, soziale Bindeglieder und Träger von kulturellem Leben in unserer Gesellschaft.

Ernährungsautonomie und geschlossene Kreisläufe

Diese Landwirtschaft jenseits der Marktzwänge sähe dann ganz anders aus. Menschen könnten auf dem Land bleiben oder dort hin zurückzukehren und neue Formen des kollektiven Arbeitens erproben. Vor allem Bäuer_Innen aber auch junge Menschen und Städter würden ihre Ernährungsautonomie zurück gewinnen bringen. Ernährungsautonomie hieße die Kontrolle über Nahrungssysteme in offenen Gemeinschaften (nicht von Staaten oder Nationen) wieder zurück zu gewinnen. Und durch diese neuen Systeme eine kooperative, kollektive, unabhängige, und an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen orientierte Produktion, also eine Alternative zum Kapitalismus zu schaffen.

Ein solcher Acker-, Gemüse und Obstbau würde sich im Nachahmen natürlicher Ökosysteme üben. Mit der Bodenfruchtbarkeit im Fokus würde er versuchen die Vielfalt und Biomasseproduktion maximieren und die Eingriffe in das empfindliche Bodenökosystem zu minimieren. In einen mit Pflanzenresten bedeckten Boden würde direkt die nächste Saat gelegt. Die Fruchtfolgen würden weiter um dem Boden genug Zeit zur Regeneration zu lassen. Nährstoffkreisläufe würden dezentral und regional geschlossen. Stickstoff wird nur noch mit Hilfe von Pflanzen gedüngt, die diesen aus der Luft binden (Leguminosen). Andere Nährstoffe werden dezentral verfügbar gehalten und durch eine getrennte Sammlung der Bioabfälle und menschlichen Ausscheidungen nach hygienisiernder Aufbereitung wieder in die Betriebe zurück geschickt.

Die Landschaft würde durch die Pflanzung zwischen den Äckern wieder kleinteiliger. Hecken, Wertholz-, Obst- und Nussbäume zwischen den Äckern prägen das Bild. Es gäbe mehr Raum für Wildtiere. Auf den Äcker würde wieder mehr blühen. Unter jetzigen Bedingungen "unwirtschaftliche" Feldfrüchte würden auf Verlangen der Menschen wieder kultiviert. Sie wurden gezüchtet und vermehrt von vielen ökologischen Pflanzenzüchtern, von denen viele selbst Bäuer_Innen in der Region sind: Lein, Sonnenblumen, Hanf, Saflor, Mohn. Sehr viel mehr Gemüse und Obst. Und auch Bohnen, Erbsen, Linsen. Nicht für die Tiere, wie von bäuerlichen Organisationen oft gefordert, sondern zum menschlichen Verzehr. Überhaupt würde die Zahl an Nutztieren stark zurück gehen und diese lediglich mit dem gefüttert was für Menschen nicht verwertbar ist, wie Gras zum Beispiel. Dies scheint nicht nur aus energetischen Gründen (Menschen statt Tiere essen das Getreide) und zur Umnutznung von Flächen angezeigt. Sondern auch weil die Frage ob der viel geforderte "Respekt vor Tieren" denn mit Schlachtungen vereinbar ist, gesellschaftlich diskutiert würde. Schafe zum Erhaltung von Naturschutzflächen und zur Produktion hochwertiger Wolle. Nicht aber zur "Milch- und Fleischproduktion".

Die Maschinen auf den Äckern würden wieder kleiner und nicht bei nassem Wetter im Matsch wühlen. Angepasste Technik die dem Boden im richtigen Zustand nicht schadet. Ebenfalls mit angepasster Technik würden die Produkte dieser Landwirtschaft regionaler Arbeitsteilung verarbeitet. Mühlen, Bäckereien, Mostereien, Ölpressen, Lagerhäuser, Kühlräume; all das würden gemeinschaftlich verwaltet. Hof, Land und all diese Produktionsmittel befänden sich im kollektiven Besitz der Menschen in der Region und würden auch von diesen in Stand gehalten werden.

Energieautonomie

Die gesamte heutige Landwirtschaft ist abhängig von fossilen Ressourcen, dabei könnte sie einen entscheidenden Beitrag hin zu dezentraler und erneuerbarer Energieautonomie leisten. Bäuer_Innen und Bewohner_Innen einer Region entscheiden gemeinsam, wie genau sie dieser Beitrag ausgestaltet.

Menschen fänden vielleicht wieder einen kooperativen Umgang mit Zugtieren (z.B. Pferden), die durch moderner Technik eine Wiederentdeckung erleben. Schlepper würden mit Pflanzenöl oder Biogas fahren. Pflanzenöl, dass aus Mischkulturen stammt die die Nahrungsmittelproduktion ergänzen und nicht zu ihr in Konkurrenz stehen. Blockheizkraftwerke, die Biogas in Wärme und Strom verwandeln, die wiederum genutzt in Gewächshäusern das Angebot an Wintergemüse bereichert. Biogas, das aus Reststoffen also Bioabfällen, Fäkalien und auch Biomasse (z.B. Kleegras) gewonnen wird die früher an Tiere verfüttert wurde. Grünland könnte ebenfalls so genutzt werden, vor allem wo ihre Biodiversität eine Erhaltung und Pflege anzeigt. Artenarmes Grünland könnte wieder aufgeforstet werden. Entweder langfristig oder im schnelle Umtrieb mit Weiden und Pappeln bepflanzt werden, die nach einigen Jahren geerntet und ebenfalls als Hackschnitzel in einem Heizkraftwerk genutzt werden. Ein weiterer Teil der landwirtschaftlichen Biomasse könnten ebenfalls mit Energiegewinn verkohlt werden. Diese spezielle Kohle, zusammen mit den anderen Reststoffen der Energieerzeugung verkompostiert ergäbe dann einen Bodenverbesserer der CO² aus der Atmosphäre als Kohlenstoff im Boden speichert. Damit wäre die Landwirtschaft klimaneutral, wenn nicht sogar eine Kohlenstoffsenke. Auch durch Baumaterialien, wie Hanf- und Flachsmatten, die jetzt, als festgelegter Kohlenstoff, die Altbauten in der Region warm halten.

Luftschloss? Utopie!

Wie unrealistisch all dies auch scheint: Angesichts der sich zuspitzenden Krisen sind Utopien bitter nötig. Und wir täten gut daran, alles dafür zu tun das diese oder andere Visionen schleunigst Wirklichkeit werden. Denn dies und noch viel mehr ist das Potential freier menschlicher Kreativität derer wir immer wieder gegenseitig berauben.

Mehr Infos:

http://www.reclaimthefields.org/
http://solidarische-landwirtschaft.org/
http://www.wir-haben-es-satt.de/