zum stand der dinge

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Ohne dass wir es im wirklichen Ausmaß zu spüren bekommen, wenn es auch viele bereits ahnen oder wissen, kommt die herrschende Einrichtung der Welt dieser Tage und Wochen gehörig ins Straucheln.

Nahezu überall auf der Welt, vor auch in der EU und den USA explodieren die Staatsschulden, längst ist die Frage nicht mehr, ob die Summen jemals zurückgezahlt werden, sondern hauptsächlich wer noch wie lange fähig sein wird, neue Schulden zur Tilgung der alten zu irgendwie tragbaren Konditionen aufzunehmen. Dass dabei so mancher Staat in die Knie gehen wird, ist ebenso sonnenklar.

 

Das einzige Rezept, das die Statthalter dieser Wirtschaftsordnung dagegen noch aus dem Ärmel schütteln können, so jedenfalls in ihrer Version, sind immer neue "Sparpakete" und das heuchlerische Gelöbnis zur Besserung, zur Enthaltsahmkeit vom Schuldentropf. Dabei wissen vermutlich auch die meisten der politisch „Verantwortlichen“ nur zu gut, dass sie damit den absaufenden Staatshaushalten noch den letzten Stoß versetzen, indem sie das zur Aufrechterhaltung der ebenfalls kreditgetriebenen Wirtschaft so dringend nötige, aber real kaum noch vorhandene Wachstum noch mehr in den Keller ziehen, und damit auch gleich wiederum die Staatseinnahmen.

 

Anzunehmen, die "zuständigen" Autoritäten wüssten es nicht besser, ginge am Punkt vorbei: Zum einen wissen sie tatsächlich "nichts besseres", gibt es teilweise keine andere Alternative außer den Bankrott schon jetzt zu haben. So wird das Wegbrechen des Bodens unter den Füßen der Staaten noch eine Weile durch ein paar dünne Schnüre ausgehalten, von denen alle wissen, dass sie spätestens dann reißen werden, wenn das Zerbröseln des Fundaments offenbar wird.

 

Die meisten bisher dominanten Player im Spiel samt zwei weltweit "systemrelevanter" Währungen stehen vermutlich nicht weit weg vom Aus. Die Aufregung um Griechenland ist noch die Ruhe vor dem Sturm, die dort getroffenen "Maßnahmen" können als Experimentierlabor für kommende Entwicklungen in anderen Staaten gesehen werden.

 

Jetzt werden überall noch einmal kräftig die Geldhähne aufgedreht, in der Eurozone durch die Zentralbank den privaten Banken die Anleihen der zuerst fälligen Staaten abgekauft. Schnell an den Rand schwimmen und gut festhalten.

 

EU-Autoritäre wie Merkel und Sarkozy wittern nun ihre Chance, eine "europäische Wirtschaftregierung" durchzusetzen, die zentral gesteuert bei Staaten an der Pleitegrenze direkt in die Wirtschaftspolitik eingreifen kann. Wer von "den Märkten" in die Knie gezwungen wird, hat eben nicht genug gespaart, hier muss das imperiale Europa natürlich Hilfskredite geben. Ganz uneigennützig. Und nebenbei schaffen wir uns diese lästigen Sozialprogramme vom Hals, gespaart werden muss eben überall.

 

Während die Krise, gepaart mit dem Terrorismus oder dem vermeintlichen Anti-Terrorismus, allem erdenklichen als Rechtfertigung dient, haben Fragen nach den sozialen Auswirkungen von Politiken längst nicht nur keinen Stellenwert mehr, sie sind im herrschenden Diskurs nahezu unaussprechbar geworden. Du weißt doch, dass kann sich ja heute kein Mensch mehr leisten. Die Konkurrenz ist groß, und gegen China müssen wir zusammen halten.

 

Die Perspektive neuer, globalere Machtsstrukturen betreffender kriegerischer Auseinandersetzungen ist heute nicht mehr ganz fern. Offensichtlich wird überall weiterhin aufgerüstet. Im Pazifik formieren sich gerade zwei Fronten, deren Hauptlinien zwischen den USA und China laufen.

 

Aber auch in Europa ist die scheinbare Eintracht höchst instabil. Die Interessen der einzelnen Staaten sind zutiefst widerstrebend. Großbritannien hat beispielsweise kaum Gründe, außer der Friedenswahrung, den deutsch-französichen Kurs mitzutragen. Aber auch für viele kleinere Staaten, auch und gerade die von Pleite bedrohten, gibt es genug Gründe dagegen. Sie würden eine massive Aufgabe ihrer Souveränität unterzeichnen für den Fall, dass sie selbst an den Punkt kommen, ihre bestehenden Schulden nicht durch neue "auf dem freien Markt" aufgenommene bedienen zu können.

 

Diesen Punkt werden noch diverse Euro-Länder in den nächsten Monaten und Jahren erreichen. Es wird vielleicht bald, wenn Merkels Vision aufgeht, für manche Akteur_innen noch lukrativer erscheinen, einzelne Staaten gezielt in diese Richtung zu bringen. So wäre eine Hintertür geschaffen, wie, den Menschen noch ferner als das repräsentative Politik-Geplänkel der "normalen" Zeiten, von einer europäischen Schaltzelle aus die Krise als Kampfmittel zur Durchsetzung eines autoritären Markt-Staates genutzt werden kann.

 

Ein Blick nach Ungarn, wo die rechte Regierung selbst dabei ist, nicht nur so etwas wie einen Sozialstaat zu demontieren, sondern auch die Idee des (Grund-)rechtsstaates öffentlich verhöhnt, wo rechts davon von populistisch bis Kalaschnikov alles dabei ist zu wuchern und zu sprießen, lässt in grausiger Vorahnung schauern.

 

Aber die Gefahr einer schrittweisen Faschisierung der Gesellschaft lauert überall, der Prozess zumindest im Gange. Auf die "Antifaschistischen" Wach- und Schoßhünde des Staates oder der bürgelichen "Zivilgesellschaft" wird kein Verlass sein. Sie haben sich noch immer bei angeblicher Notwendigkeit wie die Fähnchen im Wind gedreht.

 

Auch ein reines Abpuffern und Aufzeigen der rechten Grauslichkeiten wird die Lage nicht grundsätzlich ändern. Vielmehr kann es leicht einzelne faschistische Tendenzen oder Gruppierungen skandalisieren, und damit den vorherrschenden Hang zu faschistischen Denk- und Handlungsmustern in der Gesamtgesellschaft eher verschleiern.

 

Nichts kann diesen Entwicklungen eher entgegenwirken, als eine wirklich emanzipatorische Bewegung, die die Grundlage dieser Gesellschaft hinterfragt und auf den Kopf zu stellen bereit ist.

 

Auf die Fragen, die von der verschärften Krisensituation aufgeworfen werden, müssen andere mögliche Antworten in Umlauf gebracht, ihre Existenz im Diskurs erkämpft werden.

 

Die Perspektive einer totalen Aufhebung der gesellschaftlichen Totalität, einer Enthebung aller Mächte aus ihren Ämtern, eines Sturmes auf die Bastille nicht nur zur Befreiung der Gefangenen, sondern um der Baumaterialien willen, ist nicht ganz einfach zu vermitteln, wenn uns von jeder Zeitung dieselben Frantzen der Leute angrinsen, die behaupten uns zu repräsentieren und uns die einzigen noch möglichen Lösungen eh schon präsentiert zu haben.

 

Aber nur die kontinuierliche Aushebelung aller Versuche der Dominanz von Menschen über Menschen kann einen anderen Ausweg bieten als die ständige Ausweitung der Dominanz.

 

Jeder Versuch der Bändigung der sozialen Maschine kann vorerst für gescheitert erklärt werden. Der Boomerang kommt gerade zurück, es war alles auf Pump gekauft, inklusive dem gar nicht sozialen "Frieden". Eigentlich ist an den meisten Orten eh schon ein großer Teil von dem privatisiert, was mal als "öffentlich" aufgebaut wurde. Nun darf für alles gezahlt werden, auch vom Staat, nicht zuletzt immer mehr Zinsen, aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel, wie etwa die Wiener Linien, werden nun zurück gemietet von Investor_innen, denen sie für 99 Jahre verpachtet wurden, um einen kleinen schnellen Steuervorteil zu erheischen, der in Kürze verprasst wurde.

 

Heute zählt vor allem noch, ob die Menschen bereit sind, von der alten Ordnung zu desertieren, weil sie offenbar unwirtlich geworden ist, und inmitten der Wüste die ersten Pflänzchen zu hegen von einer widerständigen Un_Kultur der Solidarität und Subversion.