Mit Werbernzeigen in neonazistischen Zeitschriften macht ein Velberter Musikschulbesitzer auf sich aufmerksam.
Seit
den Verhaftungen von Mitgliedern der neonazistischen Zwickauer
Terror-Zelle wird die Thematik der Gefahren des Rechtsterrorismus
erstmalig in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Schnell sind von
diversen Politikern, Journalisten und anderen Menschen des öffentlichen
Lebens die gestern noch schwiegen gut klingende allgemeingültige Phrasen
zu vernehmen. Wir möchten dieses Feld des Unkonkreten verlassen und im
Folgenden auf ganz konkrete lokale Problematiken eingehen.
Oftmals zitiert wurde in der Vergangenheit die Statistik der Amadeu Antonio-Stiftung, welche über 180 Morde mit rechtem Hintergrund aufweist – nur die wenigsten davon erkennt unsere Bundesregierung an. Ein Beispiel unter vielen ist da eben auch der Mord an dem Velberter Obdachlosen Horst Pulter aus dem Jahre 1995, welcher von einer Gruppe Neonazis ermordet wurde. Dadurch wird die kalte Zahl aus der Zeitung gerade in Velbert ziemlich konkret und greifbar.
Menschen aus unterschiedlichen politischen Hintergründen kümmern sich seit einigen Jahren darum dass der Mord an Horst Pulter nicht in Vergessenheit gerät. Mit Ausnahme der Partei Die Linke beteiligt sich an dieser Arbeit keine einzige Partei aus Velbert. Auch aus den Gewerkschaften, den Kirchen und sonstigen Verbänden gibt es keinerlei Unterstützung. Auch im kommenden Jahr wird es zum Jahrestag der Ermordung Horst Pulters wieder Gedenkveranstaltungen geben. Es wird sich zeigen in wie weit Parteien, Politiker, Gewerkschaften, Kirchen und Verbände bereit sind ihren Worten Taten folgen zu lassen und sich an den Veranstaltungen beteiligen.
Es ist noch gar nicht so lange her als wir die Öffentlichkeit in Velbert über den 2. Vorsitzenden des Velberter Judovereins Sebastian Simka informierten. Dieser ist seit seiner Jugend aktives Mitglied der lokalen Naziszene. Außerdem ist er Sänger mehrerer rechtsradikaler Musikbands mit bundesweiter Bedeutung. Unsere Veröffentlichung damals, in der wir die Hintergründe darlegten und forderten Simka aus der Jugendarbeit herauszuziehen, hatte zur Folge dass diese Thematik auf lokaler politischer Ebene zumindest besprochen wurde. CDU-Ratsherr Schmidt: „Wir werden als Politik nicht den erfolgreichen und gut funktionierenden Judoclub demontieren. Ich betrachte es zunächst einmal als interne Vereinsangelegenheit, wie man sich zu dem Rechtsvorwurf stellt.“ Damit war das Thema für den Rat vom Tisch. Vermutlich wäre Herr Simka ohne unseren Druck heute noch immer in der Jugendarbeit in Velbert tätig.
Doch ist dies leider nicht der einzige Fall in dem ein Mensch mit
rechtsradikalem Hintergrund die wichtige Aufgabe der Jugendarbeit
wahrnimmt. Hier zu nennen ist auch Reinhard Linke, der Besitzer der
Musikschule Linke – Wülfrather Straße 102 in 42553 Velbert. Er leitet
seine Musikschule und engagiert sich zudem in der Kirchengemeinde
Neviges als Kirchenmusiker, wie etliche Artikel und Berichte über sein
Wirken in den Gemeindeblättern und Lokalzeitungen der Stadt Velbert der
Öffentlichkeit verraten. Herr Linke hat jedoch auch seine braune
Schattenseite. Er erlaubte es, im letzten Landtagswahlkampf der NPD,
Plakate an seinem Zaun der Musikschule aufzuhängen. Des Weiteren
schaltete er in der Parteizeitung der NPD, der „Deutschen Stimme“,
Anzeigen in denen er Angestellte für seine Musikschule sucht. Diese
Anzeige hängen wir als Grafik mit an. Die Anzeige stammt aus der Ausgabe
vom Oktober 2009. Es ist also mehr als wahrscheinlich dass aktuell
gleich mehrere Menschen mit rechtsradikalem Hintergrund in der
Musikschule in der Jugendarbeit tätig sind. Nicht jedem wird die Zeitung
„Deutsche Stimme“ auf Anhieb ein Begriff sein. Um zu verdeutlichen in
welchem Umfeld Herr Linke für seine Musikschule wirbt haben wir weitere
Anzeigen aus der gleichen Ausgabe mit angehangen. Es gibt auch einen
sehr ausführlichen Artikel der antifaschistischen Journalistin Andrea
Röpke über „nationale Wirtschaftsnetzwerke“, wo dieses Thema ganz kurz
angeschnitten wird: http://www.links-lang.de/presse/9955.php
Foto der u.a. von der Musikschule entfernten NPD-Werbeplakate
Wir sehen diese Veröffentlichung in erster Linie als Information für Eltern die ihre Kinder aus Unwissenheit dem braunen Einfluss aussetzen. Gleichzeitig ist diese Veröffentlichung aber auch verbunden mit der Forderung an Kirche, Politik und der gesamten Gesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass Menschen mit rechtsradikalem Hintergrund nicht länger die Gelegenheit bekommen über Jugendarbeit Einfluss auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu nehmen. Bereits vorab informierten wir den Bürgermeister der Stadt Velbert, Stefan Freitag, die Fraktionen der im Stadtrat vertretenen Parteien, die in der Veröffentlichung erwähnte Kirchengemeinde und die hiesigen Bundestagsabgeordneten – Kerstin Griese und Peter Beyer – über die bevorstehende Veröffentlichung um besagten Menschen und Institutionen die Gelegenheit zu geben, Stellung zu beziehen.
Gerade auf die Antwort von Stefan Freitag waren wir sehr gespannt,
beharrte er doch vor gar nicht allzu langer darauf, dass es keine Nazis
in Velbert gäbe. Offensichtliche und nicht zu leugnende Vorkommnisse
würden laut Bürgermeister Freitag aus anderen Städten organisiert und
durchgeführt. Erst als Velberter Neonazis in einer Demonstration
organisiert durch Velberter Straßen liefen, blieb auch dem Bürgermeister
nichts anderes mehr übrig als diese Problematik auch offen zu benennen.
Umso enttäuschender ist deswegen die Antwort vom Pressesprecher der
Stadt Velbert zu bewerten, die uns nun im Namen von Bürgermeister
Freitag zugestellt wurde. In dieser heißt es „dass es sich bei der
angeführten Musikschule in Velbert-Neviges/Tönisheide um eine private
Musikschule handelt und nicht um die städtische Musik&Kunstschule.“
Keine Distanzierung, kein Wort der Kritik und keine weitere
Stellungnahme zum Wirken eines Velberter Musikschullehrers in der NPD.
Der Gedanke Kinder und Jugendliche in Velbert vor dem Einfluss dieser
Menschen zu schützen scheint Herrn Freitag gar nicht erst zu kommen.
Ganz besonders interessierte uns auch die Antwort Kerstin Griese´s. Wir haben ihre Äußerungen in der lokalen Presse zu diesem Themenbereich wahrgenommen und natürlich ist uns auch ihr Engagement in der Kirche bekannt. Beides zusammen war für uns Anlass genug, Sie in unserer Veröffentlichung auf alle Fälle zu thematisieren. Erschrecken äußerte Frau Griese über den angesprochenen Sachverhalt und bemerkte, es dürfe „nicht sein, dass Kinder und Jugendliche unter solchen Einfluss geraten“. Weiter schreibt sie „Selbst für mich, die ich mich seit meiner Jugend gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus engagiere, ist es bestürzend, zu erfahren, wie weit sich rechtsextremes Gedankengut auch in der Mitte unserer Gesellschaft befindet.“ Wir hatten gehofft das es nun mit einer auf das Thema bezogenen konkreten Stellungnahme weiter geht. Leider war dies nicht der Fall. Frau Griese bediente sich im Anschluss wieder der allgemeingültigen Formulierungsstruktur, so wie sie von Politikern nun wieder gehäuft vorgetragen wird. So endet ihre Stellungnahme mit „Dass sich gleichzeitig ein Terrornetzwerk über unser Land ausbreiten konnte, ohne dass die Sicherheitsbehörden eingriffen, ist inakzeptabel.“ Natürlich ist das richtig und nicht wenige Menschen werden Frau Griese hier zustimmen. Trotzdem hätte wir es sehr begrüßt wenn sich die Stellungnahme von Frau Griese mehr auf den konkreten lokalen Fall bezogen hätte.
Von sämtlichen anderen angeschriebenen Personen und Organisationen
erhielten wir nach 1 Woche leider keinerlei Antwort.
Diese sind im
Einzelnen:
- MdB Peter Beyer, CDU
- Manfred Bolz, CDU-Fraktionsvorsitzender
- Wolfgang Werner, SPD-Fraktionsvorsitzender
- Dr. Esther Kanschat, Grüne-Fraktionsvorsitzende
- Gerda Klingenfuß, UVB-Fraktionsvorsitzende
- Helmut Stiegelmeier, SLB-Fraktionsvorsitzender
- Harry Gohr, Die Linke-Fraktionsvorsitzender
- Julius von Felbert, FDP-Fraktionsvorsitzender
- Ev. ref. Kirchengemeinde Neviges