Helmut Roewer - Eine Schlüsselfigur

Immer auf der rechten Seite: Helmut Roewer, ehemaliger Präsident des thüringischen VerfassungsschutzesFoto: dpa
Erstveröffentlicht: 
17.11.2011

Welche Rolle spielte Helmut Roewer tatsächlich? Verschiedene Indizien sprechen für stramm rechte Gesinnung des ehemaligen Thüringer Verfassungsschutzchefs

 

Die bisherigen Erkenntnisse zu dem von den Neofaschisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geführten »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) sprechen dafür, daß die von den Behörden geduldeten – wenn nicht gar geförderten – Terrorakte ihren Ursprung in den 1990er Jahren in Thüringen hatten. Dies und deren weitere Entwicklung war offenbar maßgeblich mit dem skandalumwitterten damaligen Behördenleiter Helmut Roewer verbunden.

 

Der ehemalige Bundeswehr-Panzeroffizier, der heute im als rechtsextrem eingestuften Ares-Verlag aus Graz publiziert, war von 1994 bis Herbst 2000 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes (VS). Er fühlt sich offenbar seit jeher berufen, den Kampf gegen die politische Linke aufzunehmen, während die Beobachtung der »rechten Szene« unter seiner Leitung kostenintensiv, aber wenig ergiebig war.

 

Vielleicht fotografiert

 

So gilt als gesichert, daß der Geheimdienst Kenntnis von den neofaschistischen Aktivitäten der späteren »NSU«-Terroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hatte, die bereits vor ihrem Untertauchen 1998 zur rechten Stammklientel in Jena gehörten und schon im Oktober 1996 mit antisemitischen Aktionen und ein Jahr darauf mit Bombenbasteleien von sich reden machten.

 

Allein beim Thüringer VS tauchten, der die NSU angeblich aus den Augen verloren hatte, nun über Nacht 24 Aktenordner dazu auf. Die Behörde bleibt jedoch die Antwort auf die Frage schuldig, wie es den drei Terroristen überhaupt gelingen konnte, im Januar 1998 während und nach einer Hausdurchsuchung und unter den Augen des V-Mannes Tino Brandt – oder mit dessen Hilfe – unterzutauchen. Brandt galt damals als führender Kopf des neofaschistischen »Thüringer Heimatschutzes« (THS) und war zugleich in der NPD aktiv. Er wurde von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2001 als VS-Informant mit insgesamt etwa 200000 D-Mark für seine Zusammenarbeit mit dem Inlandsgeheimdienst belohnt (jW berichtete).

 

Roewer erklärte am Mittwoch im MDR, daß er für die erfolglose Zielfahndung 1998 als damaliger Behördenleiter in Thüringen die Verantwortung trage. Noch vor wenigen Tagen hatte er alle Schuld auf die Polizei abgeschoben. Roewer beharrte darauf, daß Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zu seiner Zeit als Chef keine Quellen des Thüringer VS gewesen seien und von diesem auch nicht mit amtlichen Falschpapieren versorgt wurden. »Ich kann nicht ausschließen, daß sie bei einer der vielen Observationsmaßnahmen irgendwo vielleicht mal fotografiert oder absichtlich fotografiert, aber nicht erkannt worden sind«, äußerte Roewer außerdem in einem am Dienstag ausgestrahlten Fernsehbeitrag. Schließlich seien ja »riesige Aktenberge dazu entstanden«.

 

Die Glaubwürdigkeit der Einlassungen Roewers, der behauptet, daß es in der letzten Zeit Versuche gegeben habe, in seine Wohnung einzudringen, ist nicht besonders hoch. Im Jahr 2000 war er unter anderem suspendiert worden, weil er höchst eigenwillig mit der Zahlung von Honoraren für die V-Leute der Behörde hantiert haben soll. Ein gegen Roewer geführter Prozeß wegen Untreue war 2008 aufgrund seiner angeblich dauerhaften Verhandlungsunfähigkeit erst vorläufig – und 2010 gegen Zahlung einer Geldstrafe von 3000 Euro endgültig eingestellt worden.

 

Unproblematische Neonazis

 

Unter der Leitung Roewers produzierte der Thüringer VS seinerzeit einen Film zu »politischem Extremismus« für den Schulunterricht. Darin wurden autonome Antifaschisten als gewaltbereit diffamiert, ausgerechnet der V-Mann und »THS«-Kopf Tino Brandt gab aber in dem Streifen ein Bekennntis zu prinzipieller Gewaltlosigkeit ab. Für die Affinität zu Lieblings-V-Leuten wie Brandt sprechen auch andere Details im Fall Roewer. In einem 2010 im Ares-Verlag erschienenen Buch vertritt er z. B. die Präventivkriegsthese für den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941, d. h. die in Bundeswehr und deutschen Amtsstuben äußerst populäre Auffassung, Hitler sei mit seinem Überfall nur einem Angriff Stalins zuvorgekommen. Außerdem war Roewer bereits 1999 mit der öffentlichen Äußerung aufgefallen, daß der sogenannte Nationalsozialismus »gute und auch schlechte Seiten« gehabt habe und Neonazis im Gegensatz zu Antifaschisten »unproblematische Gruppen« seien.