»Die Bewegung ist noch relativ jung«

Erstveröffentlicht: 
28.07.2011

Protestcamp gegen Raketentests: Friedensaktivisten bei Aktionen gegen schwedisches »Bombodrom« festgenommen. Ein Gespräch mit Monty Schädel.

Interview: Gitta Düperthal

Seit dem vergangenen Wochenende findet nahe der nordschwedischen Stadt Lulea ein Protestcamp von etwa 170 Kriegsgegnern aus mehreren Ländern statt. In der Nähe befindet sich auch ein militärisches Raketentestgelände. Was ist der konkrete Anlaß?

Wir protestieren dagegen, daß hier Waffen von direkt an Kriegshandlungen beteiligten Staaten getestet werden – und zugleich gegen die Beteiligung des schwedischen Militärs am Krieg in Afghanistan und Libyen. Das militärische Sperrgelände befindet sich im Norden Schwedens: Ein riesiges Areal, vergleichbar dem deutschen »Bombodrom« in Brandenburg, das nach jahrelangen Protesten geschlossen wurde. Während dort Bomben getestet werden sollten, testen hier Rüstungsfirmen aus NATO-Staaten Raketen auf ihre Funktionsfähigkeit und wie sie im Kriegsgeschehen eingesetzt werden können. Beteiligt sind Firmen aus den USA, Großbritannien, Israel, Kanada sowie beispielsweise der Europäische Konzern EADS mit Zentralen bei München und Paris. Unsere Aktionen stehen unter dem Motto: »Der Krieg beginnt hier – laßt ihn uns hier stoppen«. Die internationalen Antimilitaristen wollen darauf hinweisen, daß Schweden keineswegs neutral ist, obgleich es einen militärbündnisfreien Status hat. Deshalb haben wir am Dienstag vor der Grenze zum Militärübungsplatz ein »Die-in« inszeniert: Wir haben das Sterben simuliert und uns zu eingespielten Geräuschen eines Militärangriffs auf den Boden fallen lassen. Später haben sich Aktivisten auf das eingezäunte Sperrgebiet begeben, um das Gelände mit pinkfarbenen Peace-Zeichen zu markieren.

 

Ist das denn gelungen?

Ja. Vor allem für die schwedischen Kriegsgegner ist es von Bedeutung, daß dies hier im dünn besiedelten Norden des Landes gelungen ist – wo doch die Rüstungskonzerne offenbar der Auffassung waren, hier unbehelligt von Protesten durch die schwedische Bevölkerung ihren Kriegsgeschäften nachgehen zu können. Man muß sich das so vorstellen: Kilometerweit führt hier eine einzige Straße durch den Wald, kein Mensch ist weit und breit zu sehen.

 

Dabei hat die schwedische Polizei 28 internationale Aktivisten festgenommen – derzeit sitzen noch zehn von ihnen im Gefängnis. Wie lange dürfen die nach schwedischem Gesetz dort festgehalten werden?

Zum Einsatz selber: Die Polizei hat keine größeren Einheiten vor Ort und sich insofern höflich und zurückhaltend benommmen. Während jedoch am Dienstag festgenommene schwedische Kriegsgegner nach Feststellung ihrer Personalien wieder freigelassen wurden, sitzen ausländische Demonstranten immer noch im Gefängnis in Lulea. Sie werden unter anderem des Betretens und Fotografierens militärischer Anlagen beschuldigt. Das schwedische Rechtssystem läßt zu, daß Gefangene erst nach bis zu drei Tagen dem Richter zur Anhörung zugeführt werden, solange sind sie mit staatsanwaltlichem Bescheid festgesetzt. Deshalb sind wir am Mittwoch mit 50 Aktivisten vor das Gefängnis gezogen – und werden keine Ruhe geben, bis sie frei sind.

 

Am Protest beteiligen sich die schwedischen »Ofog«-Aktivisten, was auf Deutsch »Unfug« heißt. Wie stark ist der lokale Protest gegen das Militärgelände?

Die Bewegung ist noch relativ jung. Ihr Protest steht noch am Anfang. Zudem gilt hier, ähnlich wie bei anderen Militärübungsplätzen, das schlagende Argument, daß die Rüstungsindustrie einer der wenigen Arbeitgeber in einer strukturschwachen Gegend ist. Vielleicht ist eine vergleichbare Entwicklung wie beim »Bombodrom« zu erwarten, das ja auch erst nach 17 Jahren Widerstand dicht gemacht wurde. Zur Zeit gibt es eine breite internationale Unterstützung, unter anderem aus Asien, Südkorea, USA, Kanada, Venezuela, Kolumbien und europäischen Ländern.

 

Wie reagieren die Einwohner der nahe gelegenen Stadt Lulea auf die Aktivitäten?

Lokale Medien berichten; die Bevölkerung reagiert ebenso unaufgeregt auf unsere Proteste wie auf die Tatsache, daß hier Kriegshandlungen vorbereitet werden. Daran kann man sehen, daß die antimilitaristische Bewegung hier noch weitgehend unbekannt ist.
Monty Schädel ist Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und zur Zeit in Schweden