[Ba-Wü] Ärger über den CDU-Club der Polizeiführer

Erstveröffentlicht: 
17.06.2011

Sicherheit. Grün-Rot diagnostiziert unter Spitzenbeamten im ganzen Land einen Parteifilz und lenkt gegen.

 

Von Rüdiger Bäßler

 

Der Erste, den es traf, war Dietrich Moser von Filseck. Der Leiter der Tübinger Landespolizeidirektion sollte nach dem Willen des CDU-Innenministers Heribert Rech neuer Präsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg werden und Klaus Hiller nachfolgen. Zuvor war ernsthaft erwogen worden, den Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf in das Amt zu hieven, der den „schwarzen Donnerstag” im September 2010 im Stuttgarter Schlosspark verantwortete.

Doch das alte Kabinett kam nicht mehr dazu, Rechs Personalvorschlag gutzuheißen, der neue SPD-Innenminister Reinhold Gall wischte ihn kurz entschlossen vom Tisch. Stattdessen rückte Dieter Schneider an die LKA-Spitze, bis dahin Inspekteur der Polizei und bei vielen Kollegen hochangesehen. In der Folge wurden gleich drei weitere Spitzenstellen neu besetzt. Gerhard Klotter, Präsident des Mannheimer Polizeipräsidiums, wurde Schneiders Nachfolger als Inspekteur der Polizei. Die Juristin Caren Denner, langjährige Referatsleiterin bei den Regierungspräsidien Stuttgart und Karlsruhe, wurde Mannheimer Polizeichefin und damit Klotters Nachfolgerin. Mit dem aktuell wohl schwersten Job im Land wurde Thomas Züfle betraut, der Leiter der Polizeidirektion Tübingen. Als Siegfried Stumpfs Nachfolger soll er als Stuttgarter Polizeichef verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

Die Besetzungen, die manchen überrascht haben, sind erst der Anfang eines landesweiten personellen Umbaus, den die Regierung in Angriff nimmt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es bisher schwer war, ohne CDU-Parteibuch Polizeidirektor im Land zu werden. Viele Landräte, Bürgermeister, Gerichtspräsidenten oder Wirtschaftsverbandsleute sahen es gern, wenn bei Gesprächen auf lokaler Ebene dieselbe politische Grundüberzeugung am Tisch herrschte.
 

 

Schweigen innerhalb der Polizei

 
Viele, sehr viele Spitzenbeamte trafen und informierten sich innerhalb des CDU-Arbeitskreises Polizei Baden-Württemberg. „Sie finden fast keinen PD-Leiter, der da nicht mitgespielt hat”, sagt ein Kenner, der die Mitgliederlisten kennt. Nach der Satzung wird nur aufgenommen, wer „sich zu den Grundsätzen der CDU und des Arbeitskreises ,Polizei' bekennt und bereit ist, die Aufgaben des Arbeitskreises zu fördern sowie keiner anderen Partei angehört”.

Nach Überzeugung von Nikolaos Sakellariou hat dieses festgefügte CDU-Parteinetzwerk an der Spitze der Polizei im ganzen Land zu einer Kultur des Schweigens und Duldens beigetragen. „Wenn politische Freunde in Leitungspositionen sind, dann ist auch der Widerspruch überschaubar”, sagt der Anwalt und SPD-Landtagsabgeordnete aus Schwäbisch Hall. Es habe „Schweigen” innerhalb der Polizei geherrscht, „wo ein Aufschrei erforderlich gewesen wäre”. Die Strukturen, die sich in Jahrzehnten entwickelt haben, prangert auch Rüdiger Seidenspinner an, der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Kein Teil der Verwaltung ist heute so abhängig von der Politik wie die Polizei.”

Nun gibt es Anzeichen, dass das Schweigen brechen könnte. Bei einer öffentlichen Bürgerdiskussion mit dem SPD-Minister Nils Schmid in Schwäbisch Gmünd am vergangenen Freitag meldete sich plötzlich Helmut Argauer zu Wort, seit 2000 Chef des städtischen Reviers mit seinen 123 Beamten. Das Revier leiste gute Arbeit, sagte Argauer. Doch was die personelle Ausstattung angehe, sei es „in Gmünd fünf nach zwölf”.
 

 

Respektsstellung eingebüßt

 

Sogar der ebenfalls anwesende SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Lange aus dem Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd zeigt sich verblüfft über die Dramatik der Situation. „Polizeistreifen müssen wieder auf der Straße sichtbar werden”, forderte er im Nachgang der Veranstaltung.

Revierchef Argauer ist derzeit im Urlaub, doch die übergeordnete Polizeidirektion Aalen - auch das ist überraschend - springt ihm offen bei. Ja, bestätigt ein Sprecher, die personelle Lage in Schwäbisch Gmünd sei schlecht, und nicht nur dort. Beamte müssten sich vermehrt spezialisieren, etwa in Richtung Internetkriminalität oder Kriminaltechnik. „Diese Kollegen sind für den Streifendienst verloren”, sagt der Sprecher. Immer mehr Einsätze als „Event-Polizei” kosteten wertvolle Dienststunden. „Wir müssen immer öfter und spontaner da hin, wo heutzutage gefeiert wird.” Das gehe bis hin zu Abstellungen bei Abiturfeiern. Die Polizei habe außerdem ihre Respektstellung eingebüßt. Häufig stellten sich gerade Jugendliche „bewusst gegen die Polizei”. Die Streifenbeamten brauchten bei Einsätzen mehr Zeit und forderten häufiger Verstärkung an. Die Auswirkungen der Elternzeit seien ebenfalls unkompensiert. Doppelbelastungen erhöhten die Ausfälle wegen Krankheit.

Durch verschiedene Streichmaßnahmen - unter anderem die Teufel'sche „Effizienzrendite” und die Erhöhung der Stundenarbeitszeiten - verlor die Polizeidirektion Aalen in den vergangenen Jahren 34 Stellen. Das Durchschnittsalter der Beamten liegt mittlerweile bei knapp 50 Jahren. In den kommenden sieben Jahren wird die Direktion 42 Prozent ihres Personals durch Pensionierungen verlieren.

Sicherheit, sagt SPD-Sprecher Sakellariou, sei im Bewusstsein der grün-roten Wähler nicht das Markenzeichen der Regierung. Trotzdem bestehe dringender Handlungsbedarf. Was er zu künftigen Spitzenbesetzungen sagt, muss manchen wie eine Drohung klingen: „Ein CDU-Parteibuch wird bei uns kein Bonus mehr sein.”