Debatte in der SPD
Von Birger Menke
"Eine solche Aufregung hat es noch nie gegeben"
Die Deutsche Burschenschaft hat dubiose Rassevorschriften erlassen, jetzt reagiert sie auf die massive Kritik: Bei einer Versammlung in Eisenach wurden wichtige Anträge zurückgezogen. Juso-Chef Sascha Vogt fordert trotzdem, Mitglieder des Verbandes aus der SPD auszuschließen.
"Eine solche Aufregung hat es in der Geschichte der Verbindungsszene noch nie gegeben", schreibt ein sogenannter Alter Herr, der Mitglied eines Bundes der Deutschen Burschenschaft ist. Ein Sprengsatz sei hochgegangen. Die Reaktionen auf den Streit im ältesten Dachverband von Burschenschaften über Rassevorschriften und den Ausschluss eines Bundes, der einen Mann mit chinesischen Eltern aufgenommen hatte, sind zahlreich und zum Teil heftig.
Die SPD müsse nun Konsequenzen ziehen, fordert Sascha Vogt, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten: "Aus meiner Sicht ist die Deutsche Burschenschaft ein rassistischer Verband, der eine biologistische Diskussion führt", sagte Vogt SPIEGEL ONLINE. "Das hat mit den Grundwerten der SPD nichts zu tun." Deshalb forderte er gemeinsam mit Sönke Rix, Sprecher der SPD-Arbeitsgruppe "Strategien gegen Rechtsextremismus", den Parteivorstand auf, die Mitgliedschaft in einem Bund der Deutschen Burschenschaft und der SPD als unvereinbar zu erklären.
Die Deutsche Burschenschaft, Dachverband von rund 120 Mitgliedsbünden, tagt derzeit in Eisenach. Unter den sonst verschworenen Männerbünden war ein heftiger Streit ausgebrochen. Auslöser war ein Antrag, die Burschenschaft Hansea zu Mannheim aus dem Verband auszuschließen. Grund: Sie hatte einen Studenten aufgenommen, der in Mannheim geboren ist, in der Bundeswehr gedient hat, die vorgeschriebenen Fechtmensuren leistete, sich zum deutschen Vaterland bekennt. Weil er aber chinesische Eltern hat, hätte er nach Meinung anderer Bünde niemals in die Hansea aufgenommen werden dürfen.
Ein Unvereinbarkeitsbeschluss scheiterte 2006 am SPD-Vorstand
Sie konnten sich dabei auf ein Gutachten des Rechtsausschusses berufen, das im Februar im "Nachrichtenblatt" der Deutschen Burschenschaft veröffentlicht wurde. Das Gremium entscheidet über strittige Fragen bei der Auslegung der Satzung, die der Verband "Verfassung" nennt.
Darin steht, dass die Frage, wer zum deutschen Volk gehört, also Mitglied werden kann, vor allem nach einem Kriterium zu entscheiden sei: "Maßgeblich ist die Abstammung." Und weiter: "Personen mit mehrheitlich außereuropäischen Vorfahren sind unter Hinweis auf die Abstammungsgemeinschaft eines Volkes dementsprechend keine Angehörigen des deutschen Volkes." Die Staatsbürgerschaft reiche nicht aus.
Am Donnerstag teilte die Deutsche Burschenschaft mit, dass der Antrag auf Ausschluss der Hansea zurückgezogen worden sei, "nach einer langen und emotionalen Diskussion", so der Pressereferent Michael Schmidt. Zudem wurde ein Antrag zurückgenommen, der die deutsche Abstammung gemäß dem Rechtsgutachten als zwingende Voraussetzung für eine Mitgliedschaft forderte.
Künftig seien bei der Auswahl von Mitgliedern weiterhin "das Bekenntnis zur deutschen Kultur, die deutsche Staatsangehörigkeit und die Abstammung" entscheidende Anforderungen an Bewerber, sagte Schmidt. Allerdings müsse nicht jeder einzelne dieser Punkte erfüllt werden, um aufgenommen zu werden. Durch die Änderung der Bestimmungen sei die Autonomie der einzelnen Mitgliedsbünde bei der Auswahl der Mitglieder deutlich gestärkt worden.
Ob diese Schritte jedoch ausreichen werden, ist zweifelhaft. Schließlich bleibt das im Februar 2011 veröffentlichte Rechtsgutachten formal weiter in Kraft, auch wenn es offenbar nicht mehr angewendet werden soll. Zumindest eine Reihe liberaler Bünde hatte sich im Vorfeld des Burschentags darauf festgelegt, die Aufhebung des Gutachtens zur Bedingung ihrer weiteren Mitgliedschaft im Dachverband zu machen. Die Abstimmungen auf dem Burschentag finden am Freitag und Samstag statt.
Trotz der zurückgezogenen Anträge blieb Juso-Chef Vogt dabei: Es sei schon immer klar gewesen, dass die Deutsche Burschenschaft weit rechts außen stehe und die Mitgliedsburschenschaften "reaktionäres und rassistisches Brauchtum" pflegten. "Dass aber nun Menschen auf ihre 'deutsche' Abstammung überprüft und ausgeschlossen werden sollten, ist eine neue Qualität", so Vogt.
Die Gießener Politologin Alexandra Kurth hatte den Antrag gegen die Hansea im Interview mit SPIEGEL ONLINE als "blanken Rassismus" bezeichnet.
Ob Vogt mit seiner Forderung Erfolg haben kann, ist ungewiss. Es ist nicht der erste Juso-Vorstoß in Sachen Burschenschaften: Im November 2005 hatte die SPD auf ihrem Bundesparteitag entschieden, dass die Mitgliedschaft in einer studentischen Burschenschaft oder in einem Corps grundsätzlich unvereinbar sein sollte mit der Mitgliedschaft in der SPD.
Dieser sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss scheiterte jedoch am Parteivorstand. Im Januar 2006 entschieden die Parteispitzen mit 18 zu 14 Stimmen gegen eine generelle Unvereinbarkeit, ein Ausschluss müsse im Einzelfall geprüft werden. Ausnahme: die Bünde der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, ein weiterer Dachverband, der laut damaligem Vorstandsbeschluss als rechtsextrem anzusehen sei.
Die Deutsche Burschenschaft hält die Kritik für überzogen
Die Jusos sprachen von einem Skandal und witterten eine direkte Einflussnahme von Burschenschaften auf den Vorstand. "Ich gehe davon aus, dass sich diese Seilschaften seither nicht aufgelöst haben", so der heutige Juso-Chef Vogt. Die SPD habe nun aber gar keine andere Möglichkeit, als die Burschenschafter auszuschließen. "Die Sorge war damals auch, Wähler zu verlieren. Das Risiko besteht natürlich weiterhin, nur kann das nicht entscheidend sein." Der Parteivorstand kommt am 27. Juni zu seiner nächsten Sitzung zusammen.
Die Signalwirkung seiner Forderung ist groß, die Zahl der Genossen, die Mitglied eines Bundes der Deutschen Burschenschaft sind, freilich nicht: Vogt schätzt, dass sie "im zweistelligen Bereich" liegt. Sollte der Parteivorstand die Unvereinbarkeit beschließen, müssten Kläger individuelle Parteiordnungsverfahren veranlassen.
Die Deutsche Burschenschaft hatte bereits am Mittwoch auf die Berichterstattung mit einer Stellungnahme reagiert. Die Vorwürfe seien ideologisch überzogen, das Gutachten und die darauf bezogenen Anträge würden "kritisch gesehen" und seien "bereits im Vorfeld des Burschentags kontrovers diskutiert" worden, teilte Stefan Dobner, Sprecher der Deutschen Burschenschaft, mit. Zugleich verteidigte er das Gutachten: Es orientiere sich "an dem in der Bundesrepublik über Jahrzehnte geltenden Abstammungsprinzip". Als Beispiel für Staaten, in denen dieses Prinzip weiterhin gelte, nannte Dobner auch Israel.
Die Politologin Kurth hatte diese Argumentation als "ebenso perfide wie falsch" bezeichnet. Die Abstammung sei eben auch vor dem Jahr 2000 nicht das ausschließliche Kriterium dafür gewesen, Deutscher werden zu dürfen. "Dieser Weg stand prinzipiell allen offen, die sich über einen längeren Zeitraum legal in Deutschland aufhielten - und viele haben auch davon Gebrauch gemacht."
Dobner wehrte sich in seiner Stellungnahme: "Die Deutsche Burschenschaft mit Rassismus in Verbindung zu bringen, entbehrt jeder Grundlage", so der Sprecher der Deutschen Burschenschaft. Ihre Prinzipien verpflichteten jeden Burschenschafter zur Achtung der Würde jedes Menschen "als Grundlage unserer Verfassung".
Der Sohn chinesischer Eltern, der von der Hansea zu Mannheim aufgenommen wurde, wird einen anderen Eindruck haben.