Wie soll die Gesellschaft künftig mit Sicherungsverwahrten umgehen? Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn will eigens Gefängnisse für sie bauen und die Schwerverbrecher länderübergreifend unterbringen. Experten warnen vor zu ambitionierten Plänen.
Hamburg - Ihre Tage in Freiheit sind rar: Schwerverbrecher, die zusätzlich zu einer Haftstrafe zur Sicherungsverwahrung verurteilt sind, müssen meist Jahrzehnte hinter Gittern verbringen. Wie genau diese Zeit ausgestaltet wird, ist bislang Sache jedes einzelnen Bundeslandes.
Jörg-Uwe Hahn, hessischer Justizminister, reist am Mittwoch mit einem neuen Vorschlag im Gepäck zur Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) nach Halle: Die Bundesländer sollen sich bei der Inhaftierung von Sicherungsverwahrten zusammentun.
Hahn schlägt vor, dass länderübergreifend jeweils 80 bis 150 Betroffene in einer Anstalt untergebracht werden. Mit seinen Amtskollegen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat sich der FDP-Politiker bereits kurzgeschlossen - allerdings war das vor den Landtagswahlen. "Die Resonanz ist dennoch - auch bei anderen Bundesländern - sehr hoch", konstatiert Ministeriumssprecher Hans Liedel.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Straftäter bis Juni 2013 neu geregelt werden muss.: Die Betroffenen müssen demnach getrennt von anderen Straftätern untergebracht und intensiv therapiert werden. Die genaue gesetzliche Ausgestaltung künftiger Sicherungsverwahrung steht aber noch aus.
Zusammenschluss nur unter "besonderen Bedingungen"
Es mache keinen Sinn, so Minister Hahn, einen Sicherungsverwahrten aus Bayern nach Schleswig-Holstein zu verlegen. "Das wäre für die Angehörigen und den Betroffenen selbst eine Zumutung." Aber benachbarte Bundesländer könnten sich auf einen gemeinsamen Standort einigen. Tendenziell sei wegen der von Karlsruhe verfügten Neuregelung in Zukunft zudem mit weniger Sicherungsverwahrten zu rechnen als in den vergangenen Jahren.
In Hessen biete sich die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt an, so Hahn. Dort sitzen bereits die meisten Sicherungsverwahrten des Landes: 48 Männer und zwei Frauen. Auf dem Gebiet des jetzigen Parkplatzes der JVA-Bediensteten könnte ein neues Gebäude zur Unterbringung der besonders gefährlichen Straftäter entstehen.
Der Emmendinger Experte für Sicherungsverwahrung, Thomas Ullenbruch, hält länderübergreifende Einrichtungen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durchaus für möglich. Schwalmstadt eigne sich allerdings nicht, da es wichtig sei, die Sicherungsverwahrten zur Vermeidung von Unfrieden strikt von Strafgefangenen zu trennen. "Für sie muss eine eigene Einrichtung auf einem eigenen Gelände und mit entsprechender Größe gebaut werden", so Ullenbruch.
Innerhalb dieser Einrichtung müsse dann Sorge getragen werden sowohl für Verwahrte, die als therapierbar gelten, als auch für diejenigen, die sich ganz oder zeitweise einer Therapie verweigern. "Für beide Gruppen müssen eine selbständige Infrastruktur und entsprechendes Personal bereitgestellt werden", sagt Ullenbruch. Nur wenn nicht wieder bloße "Anhängsel" von Gefängnissen geschaffen würden, mache ein Zusammenschluss inhaltlich und nicht nur aus Sicht der Finanzminister Sinn.
Der Sender protokolliert - Sicherheit bietet er nicht
Es ist nicht der einzige Vorstoß, mit dem Hahn bei den anderen Ländern punkten will: Am Donnerstag schließt Hessen mit Bayern einen Staatsvertrag zur zentralen Datenverarbeitung. Die beiden Länder wollen eine gemeinsame Stelle einrichten, die den Aufenthaltsort gefährlicher Sexual- und Gewaltstraftäter zentral überwacht. Hierzu müssen die Gewalttäter eine elektronische Fußfessel tragen.
Das kleine schwarzes Kästchen wird mit einem Gummiband um den Knöchel geschnallt, ein eingebauter Sender protokolliert sekundengenau, wo sich der Träger wann aufhält. Wenn er sich Auflagen widersetzt, wird sofort der Zentralcomputer informiert.
Die elektronischen Fußfesseln seien eine neue Form sogenannter "freiheitsentziehender Maßnahmen" und "des Schutzes vor rückfallgefährdeten Tätern", sagt Minister Hahn. Damit bestehe im Rahmen der Führungsaufsicht, die grundsätzlich nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beginnt, die Möglichkeit, Betroffene zu verpflichten, eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes zu dulden.
Hahn will auf der JuMiKo nun auch andere Länder für das hessische Fußfessel-Modell begeistern: "Künftig wird durch technische Mittel der konkrete Aufenthaltsort des Betroffenen protokolliert und fortlaufend an die gemeinsame Kontrollstelle gemeldet. Die Aufenthaltsbestimmung erlaubt Rückschlüsse auf das Verhalten des Betroffenen. Zeichnet sich ab, dass die Gefahr eines Rückfalls entsteht oder zunimmt, kann angemessen reagiert werden. Angefangen von einer Ansprache an den Betroffenen bis hin zu einer verstärkten Überwachung durch die Polizei."
Neben der Analyse durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung soll bei der Gemeinsamen IT-Stelle in Bad Vilbel eine gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder eingerichtet werden und noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen.
Aber auch die elektronischen Fußfesseln versprechen nur eine bedingte Sicherheit. Das weiß auch Minister Hahn, wenn er sagt: "Maßnahmen zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung sind kein Allheilmittel: Sie können weder die Sicherungsverwahrung ersetzen noch können sie eine hundertprozentige Sicherheit vor Rückfällen von Straftätern garantieren."