Stürzt die spanische Regierung über Parteiverbote im Baskenland?

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Im Absturzland Spanien hat nun auch die größte baskische Partei der Regierung Zapatero wegen ihrer undemokratischen Politik die Unterstützung entzogen, was zu einer Regierungskrise führen dürfte.  Dass die Sonderkammer am Obersten Gerichtshof in Spanien erneut auch diese linke Wahloption im Baskenland verboten hat, war zu erwarten. Schließlich hat das Sondergericht bisher ausnahmslos alle Anträge der Regierung abgenickt. Die Listen der Koalition "Bildu" (Sammeln) dürfen nach dem Urteil vom Montag nun nicht an den Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai teilnehmen. Das Urteil führt zu heftigen Reaktionen im Baskenland, die noch schärfer ausfallen, als kürzlich nach dem Verbot der neuen Linkspartei "Sortu" (Aufbauen).  Unten noch ein Einschätzung zum 1. Mai.

 

Denn mit Bildu werden die linkssozialdemokratische Baskische Solidaritätspartei

(EA) und Alternatiba, einer Abspaltung der baskischen Sektion Vereinten Linken (IU), ausgeschlossen, weil sie gemeinsam mit unabhängigen Kandidaten antreten wollten. Damit wird die spanische

Verbotspolitik sogar auf Parteien ausgeweitet, an deren Distanz zur Untergrundorganisation ETA nie gezweifelt wurde. Sogar im Urteil steht, dass sie stets "klar und strikt" die ETA verurteilt hätten. Es behauptet aber, die Unabhängigen seien "Strohmänner" der verbotene Partei Batasuna , die Bildu im Namen der ETA führe. Die Koalition soll "Batasuna/ETA eine Anwesenheit in den lokalen Institutionen" ermöglichen, wird darin ausgeführt. 

Dass sich auch Batasuna und die linke Unabhängigkeitsbewegung allgemein längst von der Gewalt der ETA distanziert haben und die ETA zu einer überprüfbaren Waffenruhe gezwungen hat, fällt unter den Tisch. Doch nicht einmal der Beweis wird erbracht, dass die unabhängigen Kandidaten zu Batasuna gehören, denn sie haben nie für die Partei oder ihre Vorgänger kandidiert. Ohnehin wurden den Batasuna-Mitgliedern auch nie die bürgerlichen Rechte aberkannt, weshalb sie nach Ansicht von Verfassungsrechtlern ohnehin in jeder Partei und Koalition selber kandidieren könnten, wenn es rechtstaatlich zuginge. Das aber war bisher meist der zentrale Verbotsgrund für Parteien oder Wählerlisten. Gegen Bildu aber wird nun ausgelegt, dass dies nicht der Fall ist, weil Batasuna besonderen Wert darauf gelegt habe, saubere Kandidaten zu finden. Somit gibt es praktisch im spanischen Staat keine Möglichkeit für die linke Unabhängigkeitsbewegung sich demokratisch zu betätigten. Die Argumentation erinnert an die absurde Logik der spanischen Inquisition. Es ist klar, dass die politische Vorstellung, für ein freies, unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland einzutreten, kriminalisiert wird. 

Dass es sich um eine ETA-Strategie handele, die aus "taktischen" Gründen die Gewalt ablehnen lasse, konnten auch 7 der 16 Richter nicht sehen, die zwei abweichende Voten veröffentlicht haben. Das Urteil fiel nur mit der knappen Mehrheit einer Stimme. Die Minderheit hält die deutliche Abkehr der baskischen Linken von der ETA für echt, sieht ohnehin keinen Verbotsgrund und hält das Urteil für verfassungswidrig.  

Schwere Konsequenzen könnte der Vorgang für die sozialdemokratische spanische Regierung haben. Die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) will dem neuen Eingriff in die Demokratie mehr tatenlos zusehen, auf deren Stimmen die Regierung Zapatero in Madrid angewiesen ist. Die PNV hat bisher Zapatero vor einem Misstrauensantrag der Konservativen geschützt, die seit langem zum Sturz von Zapatero blasen. Sie hat alle Sparpläne und Reformen bisher abgesegnet. Doch nun hat Parteichef Iñigo Urkullu erklärt, Zapatero könne bei "zukünftigen Initiativen" nicht mehr auf die PNV zählen. Die Regierung sei für die Lage verantwortlich, weil sie das "Verbot beantragt hat".  Allerdings hofft die PNV darauf, dass das Verfassungsgericht das Urteil kippt, schwächte heute dann ein weiteres Führungsmitglied die Drohung wieder leicht ab. Es muss bis zum Wahlbeginn am Samstag entscheiden. Über die Verfassungsklage gegen das Verbot der neuen Partei Sortu wird es wohl erst nach den Wahlen entschieden.

In Spanien könnte es nun bald vorgezogene Neuwahlen geben, wenn das Verbot wie fast alle anderen bestätigt wird. Auch damit drängen sich, neben inzwischen von einigen Experten prognostizierten Absturz des Landes auch die politische Parallele zu den Vorgängen in Portugal und Irland auf, wo ebenfalls eine Regierungskrise den Absturz befördert hat. Die wirtschaftliche Situation in Spanien ist mit fünf Millionen Arbeitslosen (mehr als 21%) und einem weiterhin hohen Haushaltsdefizit fatal.

Bisher hat sich die PNV davon beeindrucken lassen, weil sie auch weiß, dass der Gang unter den Rettungsschirm auch dramatische Konsequenzen für das spanische Baskenland hätte, wo die wirtschaftliche Lage deutlich besser ist. Doch sie kann trotz allem nicht weiter zusehen, wie nun auch frühere Koalitionspartner verboten und die Wahlen weiter verfälscht werden. Bildu wäre mit großer Sicherheit in einer Provinz zur stärksten Partei geworden und käme in der gesamten Autonomen Gemeinschaft auf etwa 20%. Schon 2009 führte der Ausschluss der baskischen Linken dazu, dass die PNV als klarer Wahlgewinner erstmals seit der Diktatur die Macht im Baskenland abgeben musste, weil das Besonderheiten im Wahlgesetz der Region ermöglicht haben. Diese Wahlmanipulationen sollen nun weitergeführt werden.

Nach ersten Protesten am Montag, haben Tausende am späten Dienstag in Bilbao gegen das Urteil demonstriert. Zahlreiche Proteste sind für die kommenden Tage geplant. Am Freitag kommt es im gesamten Baskenland zu Streiks und lokalen Protesten, zu denen auch alle baskischen Gewerkschaften ausrufen. Sie sehen im Urteil eine politische Entscheidung. Bildu hat angekündigt, die Wahlen anzufechten und vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, wenn das Verfassungsgericht das Verbot absegnet. Ob es das tut ist wahrscheinlich, aber es ist angesichts des Falls II-SP auch nicht ausgeschlossen, dass es angesichts der extremen Schwere des Eingriffs und der enormen Konsequenzen zum zweiten Mal ein Verbot kassiert. 

© Ralf Streck, den 03.05.2011

1. Mai im spanischen Staat

 

Sozialpartnerschaft spanischer Gewerkschaften steht der Konfrontationsstrategie der geeinten baskischen Gewerkschaften gegenüber

Die Proteste am 1. Mai wurden im spanischen Staat von desaströsen Arbeitsmarktzahlen markiert. Am Freitag wurde die Studie zur erwerbstätigen Bevölkerung (EPA) veröffentlicht. Die vierteljährlichen Zahlen sind genauer als die geschönten Monatsdaten des Arbeitsministeriums. Nach der EPA gab es schon Ende März in Spanien fast fünf Millionen Arbeitslose. Offiziell sind 21,3% der aktiven Bevölkerung, in Andalusien sogar fast 30% und fast jeder zweite junge Mensch ist ohne Job. Da könnte man denken, dies würde zu sehr massiven Mai-Protesten führen.

Doch die fielen vor allem im Baskenland und Katalonien stark aus, wo die Quoten unter dem Durchschnitt liegen, in den baskischen Provinzen Gipuzkoa und Araba sogar unter 10%. Die Beteiligung an Demonstrationen der beiden großen spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT hielt sich in Grenzen. Sie hatten ihren Hauptakt erstmals aus der Hauptstadt Madrid in die Provinz nach Valencia verlegt, um ihre Schwäche zu überdecken.

Immer weniger Beschäftigte - noch weniger Arbeitslose, Rentner oder sozial ausgegrenzte - fühlten sich von diesen Gewerkschaften vertreten, meint auch der Juan Díez Nicolás, Soziologieprofessor an der Madrider Universität. Trotz härtester Einschnitte ins Sozialsystem, Lohn- und Rentenkürzungen, von Sozialdemokraten exekutiert, setzen CCOO und UGT weiter auf Sozialpartnerschaft. Gegen ihre Ankündigungen traten sie gegen die Anhebung des Rentenalters auf 67 nicht zum Generalstreik an, sondern nickten die Reform am runden Tisch ab. Ihre Proteste gegen die Arbeitsmarktreform, die den Kündigungsschutz beseitigte, wurden ausgesetzt. Dabei zeigt sich, dass damit, anders als Regierung und Unternehmen behaupten, keine Jobs geschaffen werden. So klingt es hohl, wenn CCOO und UGT zur Mobilisierung von einer "dramatischen und erschütternden" Lage sprachen und es "immer mehr Gründe gibt, auf die Straße zu gehen."

Konträr dazu liegt die Strategie der baskischen Gewerkschaften. Erstmals seit 2004 haben sie gemeinsam den 1. Mai begangen, um als Einheit der "aggressivsten antisozialen Politik in den letzten Jahrzehnten" zu begegnen, welche die "Regierungen, für die Unternehmen und die Banken mit der Ausrede der Krise der Arbeiterklasse im Baskenland aufzwingen", heißt es im Aufruf. An den Demonstrationen der fünf Gewerkschaften haben sich Zehntausende beteiligt.

Sie hatten 2009 begonnen, gemeinsam zu handeln und zum ersten Generalstreik gegen eine Regierung mobilisiert, die Banken mit Milliarden unterstützt, aber hunderttausenden Familien nicht einmal eine Sozialhilfe zahlt. Auch bei ihrem dritten Generalstreik im Januar gegen die Rentenreform, trat die CCOO-UGT Minderheit im Baskenland als Streikbrecher auf, weshalb sich der Graben zu den spanischen Gewerkschaften vertieft. Während die von Zuschüssen der Regierung abhängigen Gewerkschaften in die Kürzungspolitik eingebunden sind, setzten Basken auf die Massenmobilisierung und auf Konfrontation, um erkämpfte Rechte zu verteidigen. Die steigende Beteiligung an den Generalstreiks bestätigt sie.

Die Aktionseinheit wurde auch dadurch befördert, dass nun die linke Unabhängigkeitsbewegung den bewaffneten Kampf der Untergrundorganisation ETA klar ablehnt. Zwischen den beiden großen Gewerkschaften ELA und LAB hatte dies stets zu Differenzen geführt und die Einheit verhindert. Die Mai-Demonstrationen haben sich vor den Regional- und Kommunalwahlen am 22. Mai auch gegen die Parteiverbote gewendet. Madrid hat sogar das Verbot der Koalition "Bildu" (Sammeln) beantragt. Die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) und eine Abspaltung der Vereinten Linken (Alternatiba) wollen mit unabhängigen Kandidaten der linken Unabhängigkeitsbewegung auf politischer Ebene dem Beispiel der Gewerkschaften folgen.