Velbert: Demo gegen soziale Ausgrenzung

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„Kein Vergeben, kein Vergessen – Auch Obdachlose haben Namen!“. Unter diesem Titel demonstrierten am heutigen Samstag ca. 70 Menschen durch die Velberter Innenstadt. Denn am 5. Februar 2011 jährte sich zum 16. Mal der Todestag des Velberter Obdachlosen Horst Pulter, dessen Mord der traurige Gipfel rassistischer und menschenverachtender Straftaten in Velbert gewesen ist.

 

Bereits im Vorfeld der Demonstration tauchten in den vergangenen Tagen mehrfach an Bushaltestellen und Straßenlaternen um die vermutete Route herum Aufkleber mit rechten oder anti-antifaschistischen Parolen auf. Der provozierende Gipfel waren Farb-Schmierereien im Herminghauspark, die SS-Runen, Wolfsangeln sowie Parolen wie „Reds better Run“ lauteten. Laut einer Schmiererei sind diese sogenannten „NaSo Velbert“ zuzuschreiben. Eine Gruppe namens „NaSo Velbert“ ist zwar vollkommen unbekannt, kopiert mit dieser Bezeichnung allerdings den der mit einigen Velberter Neonazis bekannten Gruppierung „NaSoWpt – Nationale Sozialisten Wuppertal“.

Ab 13 Uhr versammelten sich die Teilnehmer der Demonstration am Velberter Willy-Brandt-Platz. Neben AntifaschistInnen aus ganz Nordrhein-Westfalen beteiligten sich auch örtliche Politiker der Partei Die Linke an der Demo. Erfreulich war, dass sich auch unterwegs noch einige BürgerInnen, welche allesamt durch verteilte Flyer über das Thema der Demonstration aufgeklärt wurden, dieser anschlossen.

Bereits auf der Anreise fielen mehreren Teilnehmern einzelne Personengruppen auf, die offenbar dem rechten Spektrum angehören sollten. Diese zeigten den aus mehreren Richtungen per Bus anreisenden Personen offen den Hitler-Gruß, machten sich aber während der Demonstration nicht mehr bemerklich.

Nach einem Redebeitrag zum Auftakt, der noch einmal die gesamtgesellschaftliche Mitschuld an Morden wie denen an Horst Pulter und die traurige und nachlässige Arbeit von Polizei, Justiz und Politik beleuchteten, die den Mord bis heute nicht als rechte Tat ansehen wollen, ging die Demonstration zuerst in Richtung Langenberger Straße und bog dann ab in die Velberter Fußgängerzone, „vorbei an Bürgern die wahrscheinlich viel lieber wegsehen als den Mund aufzumachen, wenn wieder Menschen beleidigt oder angegriffen werden“, wie es in einem Redebeitrag während der Zwischenkundgebung vor der Hauptsparkasse hieß.

Der Platz vor der Sparkasse ist der zentrale Punkt in der Innenstadt, der genug Platz bot, um die vielen um diese Uhrzeit einkaufenden Menschen zu erreichen und hoffentlich wach zu rütteln. In einer weiteren Rede ging hier die Demonstration auf die langjährigen Neonazi-Aktivitäten sowie die aktuelle Situation in Velbert ein. Velbert ist als 90.000-Einwohner Stadt im Bergischen Land, mit direkter Nähe zu den Großstädten Wuppertal und Essen sowie dem gesamten Ruhrgebiet schon öfters ein Rückzugspunkt regionaler Neonazis gewesen.

Der nächste Teil der Demonstration führte weiter runter bis zum sogenannten Thomas-Carree, einem modernen Einkaufskomplex, und bog dort ab in den Beamtenweg, wo vor der Parteizentrale der CDU die nächste Kundgebung stattfand. Kurzzeitig wurde hier während der Demo für 5 Minuten die Polizei-Präsenz noch einmal erhöht, als ein Redebeitrag vor der Geschäftsstelle der CDU verlesen wurde, der die Partei, ihre Jugendorganisation und deren Verstrickungen nicht nur in extrem rechte Denkmuster, sondern auch in offen rechte Gruppierungen thematisierte.

Über die Friedrich-Ebert-Straße ging es auf die große Hauptstraße zu und nach einigen Metern Cranachstraße bis in den Herminghauspark hinein. Da eine Auflage der Polizei lautete, dass der Park nicht mit dem Lautsprecherwagen befahren werden darf, wurde der letzte Redebeitrag mit dem Megaphon verlesen. Dieser beschäftigte in aller Ausführlichkeit den Tathergang der Mordnacht, das unsagbare Verhalten der Stadt Velbert diesem Opfer rechter Gewalt und der gleichzeitigen Gedenk-Politik Soldaten, sogenannten „Heimatvertrieben“ und Kriegsrückkehrern gegenüber.

Während der Demo beschränkte sich die Polizei auf das Regeln des Verkehrs, machte allerdings negativ auf sich aufmerksam, als in zivil gekleidete Beamte des Staatsschutzes dauerhaft versuchten, die Demonstration abzufilmen. Und das, obwohl laut mehreren Gerichtsurteilen das Filmen von friedlichen Demonstrationen verboten ist. Nach dem Bundesversammlungsgesetz dürfen Polizisten Demonstrationen nur filmen, „wenn von den Teilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen“. Diese Maßnahme hat also keinerlei Handlungsgrundlage gehabt. Für viele Teilnehmer ebenfalls verwirrend war die zusätzliche Auflage der Polizei, keinerlei Sonnenbrillen im Gesicht zu tragen. Demonstranten, die mit Sonnenbrille unterwegs waren, wurden mit „polizeilichen Maßnahmen“ gedroht.

Mit einer lauten Demonstration haben wir Antifaschisten heute deutlich gemacht, wie wichtig es ist, als Zeichen unserer Wut auf diese Gesellschaft auf die Straße zu gehen und  unsere Wut und unsere Trauer über diese Zustände in dieser Gesellschaft in Widerstand zu wandeln. Wie wichtig es ist, Zeichen zu setzen gegen Faschismus, Nationalismus, Rassismus, Kapitalismus  und soziale Ausgrenzung.


Fotos: http://www.flickr.com/photos/bundphotography/sets/72157625984161922/