Videoüberwachte Wahlplakate

Erstveröffentlicht: 
21.08.2017

AfD sieht sich als Opfer anderer Parteien, die aber auch von Beschädigungen betroffen sind

 

Die vorerst letzte Polizeimeldung dieser Art datiert vom 17. August. Im Oranienburger Ortsteil Zehlendorf hatten Unbekannte 14 Wahlplakate verschiedener Parteien zusammengefaltet. In Oranienburg selbst waren einige Tage zuvor mehrere Jugendliche randalierend durch die Willy-Brandt-Straße gezogen und hatten dabei zwei Wahlplakate abgerissen. In Teschendorf im Löwenberger Land sprühten Unbekannte mit schwarzer Farbe »Verrat« auf eine Großfläche. In Brieselang beschmierten zwei Männer vier Wahlplakate mit einem schwarzen Stift. In elf Dörfern rund um Rheinsberg sind zusammen rund 80 Plakate mit silberner Farbe besprüht worden. In Falkensee wurden 22 Plakate abgerissen. Beschädigte Plakate werden auch aus Pritzwalk, Wittenberge und Glienicke gemeldet. In Luckenwalde wurde ein Wahlplakat angezündet.

 

Betroffen von derartigen Taten waren in Brandenburg nach Auskunft der CDU-Landesgeschäftsstelle etwa die CDU-Bundestagsabgeordneten Jana Schimke und Uwe Feiler.

 

Die rechtspopulistische AfD wertet Übergriffe auf ihre Plakate in und um Seelow (Märkisch-Oderland) als Beleg dafür, »wie wenig verfassungstreu einige Parteien und ihre Anhänger sind«. Während die Plakate von CDU, SPD, LINKE und Grüne unangetastet an den Laternen hängen, seien 99 Prozent der AfD-Plakate heruntergerissen worden, heißt es. »In Seelow hängen nur noch ganz wenige Plakate, in Libbenchen, Dolgelin und vor allem in Friedersdorf haben wir 100 Prozent Verlust zu verbuchen«, beschwert sich der AfD-Kreistagsabgeordnete Detlev Frye. »Das ist keine zufällige jugendliche Zerstörungswut. Das ist eine generalstabsmäßig geplante Aktion gegen unsere demokratischen Rechte«, poltert er.

 

Die AfD sucht nun Paten für ihre Plakate. Wer von seinem Zuhause auf eine Laterne schaue, könne sich bewerben. Der AfD-Landtagsabgeordnete Franz Wiese will den Paten je eine Kamera und 50 Euro Taschengeld spendieren. »Wir hängen dann am Mast ein Plakat und lassen es rund um die Uhr von der Kamera bewachen«, erläutert Wiese. »Wenn sich abends oder nachts etwas rührt, gibt's Alarm und das Beweisfoto gleich dazu.« Es sei traurig, zu solchen Mitteln greifen zu müssen, »aber die kriminelle Energie des politischen Gegners lässt uns keine andere Wahl«. Andernorts hat die AfD auch schon Belohnungen ausgelobt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.

 

Auf so eine Idee würde die LINKE niemals kommen, sagt Vizelandeschef Sebastian Walter. Die brandenburgische LINKE könne für die laufende Kampagne zur Bundestagswahl am 24. September noch keine Verlustziffern melden, weil man mit der Plakatierung gerade erst begonnen habe, erzählt er. Nur schrittweise kommen die Plakate nun auf die Straßen. Es ist Strategie der märkischen Linkspartei, mit den eigenen Plakaten später präsent zu sein als die politische Konkurrenz und so mit den Motiven auch kurz vor der Abstimmung noch Aufmerksamkeit zu erregen. Bei früheren Wahlen seien in seinem Heimatkreis Barnim viele Plakate beschädigt worden, erinnert sich Walter. Nach seinem Eindruck ist es aber nicht schlimmer geworden. Bei der Landtagswahl 2014 habe die LINKE sogar weniger stark zu leiden gehabt als früher. Nach Auskunft von Landesgeschäftsführerin Anja Mayer will die LINKE im aktuellen Bundestagswahlkampf in Brandenburg 35 000 Plakate einsetzen.

 

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (LINKE) hängt viele seiner Plakate persönlich auf. Er hat den Kofferraum seines Autos immer voll, wenn er jetzt unterwegs ist. Vergangene Woche hat er angefangen. Noch sind ihm keine Verluste aufgefallen, doch er kennt es von der Wahl 2013, dass seine Plakate von der einen oder anderen Straße über Nacht alle verschwunden sind. Müller formuliert eine Faustregel: »Nach zwei Wochen ist ein Drittel weg.« Demzufolge wäre es nicht sinnvoll, wenn er bereits acht Wochen vor der Wahl mit dem Plakatieren beginnen würde, erklärt er. »Das wäre finanziell nicht durchzuhalten.« Einmal nachhängen, das gehe gerade noch.

 

Dass die AfD besonders von Attacken auf Wahlplakate betroffen sei, könne er für seinen Wahlkreis in Potsdam und Umgebung nicht bestätigen, ergänzt Müller. Die AfD-Plakate, die er gesehen hat, hängen alle noch unbehelligt - wenn sich aber eines von der SPD darüber befinde, dann sei dieses in einem bemitleidenswerten Zustand. Generell kommt es Müllers so vor, als habe die SPD in seinem Wahlkreis inzwischen schon sehr viele Plakate eingebüßt.

 

Für ganz Brandenburg berichtet SPD-Vizelandesgeschäftsführer Matthias Beigel jedoch, die Sozialdemokratie sei nur in geringem Maße betroffen, wenngleich in einigen Regionen mehr als anderswo. Eine im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen erhöhte Zerstörungsrate sei »aktuell nicht festzustellen«, sagt Beigel.

 

Der Sachschaden für ein zerstörtes Plakat liegt bei drei bis fünf Euro. In ländlichen Gegenden sind Verluste schmerzlicher, da die Anfahrten länger sind und die Benzinkosten entsprechend höher.

 

Grundsätzlich bringe die SPD die Zerstörung von Wahlplakaten immer zur Anzeige, erläutert Beigel. Spätestens sei dem »fürchterlichen Wahlkampf« des US-Präsidenten Donald Trump sollte jedem bewusst sein, wie wichtig ein fairer und demokratischer Wettbewerb zwischen den Parteien ist, meint Beigel. »Unterschiedliche Positionen und harte politische Auseinandersetzungen sind in Ordnung. Der gegenseitige Respekt darf aber unter Demokraten nie verloren gehen.« Zerstörung sei eine Straftat und als solche von Polizei und Justiz zu verfolgen.

 

Indessen befestigten in Nassenheide zwei junge Männer abends an Laternen im Teerofener Weg Wahlplakate. Währenddessen zerstach ein Unbekannter die Reifen ihres Wagens. Die Geschädigten riefen die Polizei. Während die Beamten die Anzeige aufnahmen, entdeckten sie in dem Fahrzeug zwölf CDs mit Rechtsrock, der auf dem Index steht. Die Polizei beschlagnahmte die Musik, und es wird nun auch deswegen ermittelt.