Wenn die AfD klingt wie die Antiimperialistischen Linken

Erstveröffentlicht: 
12.08.2017

Auf dem Russland-Kongress der AfD in Sachsen-Anhalt wird rabiater Antiamerikanismus mit rabiatem Fremdenhass verbunden. Und dann sind da auch noch mysteriöse Schwermetalle in der Luft über Magdeburg.

 

In der Schlange vor dem „Halber 85“ vertreibt man sich die Zeit mit Gesprächen übers Wetter. Der Himmel über Magdeburg ist grau, es nieselt. Und einige Leute wissen genau, warum: „Es werden Schwermetalle in die Luft geblasen. Von Flugzeugen aus. Dadurch bilden sich Wolken. Und dadurch werden wir lethargisch. Es gibt ja in Deutschland keine Männer mehr.“ Aber wer macht das? Wissendes, mitleidiges Lächeln: „Wer wohl? Die, die man nicht nennen darf. Sagen wir: Amerikaner.“ Willkommen in der Welt der Teilnehmer des AfD-„Russland-Kongresses“.

Geladen hat die AfD-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt. Gekommen sind mindestens 250 Menschen, der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt. Die meisten entsprechen dem Klischee: Männer in dem, was man euphemistisch „besten Alter“ nennt. Es sind aber auch viele junge Männer dabei. Kaum Frauen. Viele Teilnehmer sind Russlanddeutsche.

Moderatorin Katrin Ziske vom „Compact Magazin für Souveränität“ begrüßt sie auf Russisch. Die AfD ist die einzige Partei, die gezielt die Russlanddeutschen anspricht, mit eigenen russischsprachigen Medien, über Interviews im russischen Staatssender „RT Deutsch“, und seit Kurzem mit einer „Interessengemeinschaft der Russlanddeutschen in der AfD“.

Deren Vorsitzender Waldemar Birkle, der in Kasachstan geboren wurde und sich in seinem Pforzheimer Wahlkreis um ein Direktmandat für den Bundestag bemüht, vergleicht in seiner Rede die Rolle der Aussiedler für die AfD mit der angeblich bestimmenden Rolle der Türken in der SPD. Freilich würden die Russlanddeutschen wie die Russen, aber anders als die Türken, noch die deutschen Tugenden verkörpern, die heute aber hierzulande als spießig belächelt würden.

Durch die Umerziehung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg seien sie zu einem Volk ohne Geschichte geworden, so Birkle – oder mit nur einer Geschichte, der Nazigeschichte. „Wer aber die eigene glorreiche Geschichte nicht kennt, kann darauf nicht stolz sein.“ Diese Geschichtslosigkeit diene den „Strippenziehern hinter dem großen Teich“. Für diese amerikanischen Strippenzieher habe Russland „zwei Probleme: Bodenschätze und einen gesunden Patriotismus“, der nicht zulasse, dass Fremde sie ausbeuten. Russland werde heute von den Amerikanern für alles verantwortlich gemacht, wie früher Deutschland. Schon darum gehörten diese beiden Völker zusammen.

Rabiater Antiamerikanismus und Fremdenhass

In der Tat wäre es ehrlicher gewesen, den Russland-Kongress einen „Antiamerika-Kongress“ zu nennen – oder wie es Robert Farle ausdrückt, jahrelanger Funktionär der moskautreuen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) in Nordrhein-Westfalen, heute Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD in Sachsen-Anhalt: einen Kongress „gegen den Versuch des US-Imperialismus, Europa zu unterjochen“. Das Vokabular jedenfalls musste Farle beim Parteienwechsel nicht ändern.

Schließt man die Augen (denn die Teilnehmer wären jünger und weiblicher, die Männer behaarter und mit einer Neigung zu Lederjacken und Jeans), könnte man sich tatsächlich auf einem Kongress der Außerparlamentarischen Opposition Ende der 1960er Jahre oder der Antiimperialistischen Linken heute wähnen.

Hans-Jörg Müller etwa, Bundesvorsitzender des AfD-Mittelstandforums, wettert gegen die „Neoliberalen und Neocons um Jeffrey Sachs“, die nach dem Ende der Sowjetunion Russlands Industrie im geopolitischen Auftrag der USA zerstört hätten. Seit hundert Jahren sei es Politik der USA, Deutschland und Russland gegeneinander zu hetzen, um die amerikanische Herrschaft über Europa aufrechtzuerhalten, das habe der Geostratege George Friedman zugegeben. Und Condoleezza Rice, Beraterin von George W. Bush, habe empfohlen, Krisen in Europa zu provozieren, um einen sich abzeichnenden deutsch-russischen Block zu zerstören.

An diesem Punkt wird die Illusion, man befinde sich auf einer linken Veranstaltung, jäh zerstört, als mein Nachbar unter allgemeinem Lachen in den Saal hineinruft: „Nicht alle Neger sind blöd!“ Tatsächlich verbindet ein Mann wie Müller, der als Vertreter diverser deutscher Firmen – darunter VW – in Russland gearbeitet hat und regelmäßig nach Moskau fährt, um mit der russischen Industrie- und Handelskammer einen „Meinungsaustausch“ zu pflegen und dortigen Medien Interviews zu geben, einen rabiaten Antiamerikanismus mit einem ebenso rabiaten Fremdenhass.

731 Konzerne der „US-Finanzindustrie“, so Müller in einer Rede am 13. August 2016, würden die Welt beherrschen und alle europäischen Politiker kontrollieren. Sieben Milliarden Menschen würden zu „Arbeits- und Konsumsklaven“ dieser Finanzkonzerne gemacht. Der von der Europäischen Union eingeleitete „Bevölkerungsaustausch“ durch Masseneinwanderung und der„kommende Bürgerkrieg“ in Deutschland dienten dem Ziel der „Gleichschaltung der Welt“ im Interesse dieser Finanzmagnaten: „Wenn von Moral gesäuselt wird, geht es immer nur um Macht und Geld.“

Man mag all diese Verschwörungstheorien abtun als überzogene Rhetorik, die wenig zu tun habe mit der realen Politik der AfD. Als jedoch André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD, Fraktionsvorsitzender im Landtag und Mitglied des Bundesvorstands gefragt wird, wie man denn politisch unabhängig handeln könne, da Deutschland eine „Kolonie“ sei, weist er die Unterstellung nicht etwa zurück, sondern erklärt: „Wir verlieren die Frage der Souveränität nicht aus den Augen. Wir sind für den Abzug der US-Truppen aus Deutschland. Und in einer nur von den USA geführten Nato wollen wir als Deutsche nicht bleiben. Zurzeit gibt es nur noch einen, der den Ton angibt, und drum herum nur Vasallen. Wir haben das als AfD ganz fest im Auge.“

Damit geht der Kongress in die Mittagspause. Es gibt, passenderweise, Soljanka. Nach der Pause ist Algis Klimaitis angekündigt. Der Sohn eines litauischen Paramilitärs und Nazi-Sympathisanten, der unter deutscher Führung an Judenpogromen beteiligt war, meint, Vertreter der satanistischen und okkulten Eliten wollten über ein „Programm der Rassenvermischung“ die Beseitigung der Nationen, Religionen und Familie bewerkstelligen, mittels einer gezielten Masseninvasion von Muslimen.

Wenn für Müller die Bösewichter Sachs und Friedman heißen, sind es für Klimaitis „Adorno-Wiesengrund“, Max Horkheimer und Ernst Bloch. Dass alle Genannten jüdische Wurzeln haben, ist natürlich kein Zufall. Gemessen an solchen Hass-Exegesen wirkt die Vorstellung einer Ruhigstellung der Deutschen per Schwermetalle in den Flugzeugkondensstreifen beinahe harmlos.