Das Oktoberfest-Attentat, bei dem 13 Menschen starben und mehr als 200 verletzt wurden, ist auch nach 37 Jahren noch nicht restlos aufgeklärt. Die Bundesanwaltschaft hat jetzt dem BR bestätigt, dass die Ermittlungen ausgeweitet wurden: auf den Libanon.
In den Libanon hatte sich Anfang 1980 die sogenannte Wehrsportgruppe Hoffmann zurückgezogen, aus deren Umfeld der mutmaßliche Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler stammte. Köhler hatte mehrfach an Übungen der paramilitärischen Organisation teilgenommen, die von dem fränkischen Neonazi Karl-Heinz Hoffmann geführt wurde.
Neonazis und Palästinenser trainieren zusammen
Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe im Januar 1980, also mehr als ein halbes Jahr vor dem Oktoberfest-Attentat, hatte Hoffmann seine Organisation in den Libanon verlegt, wo er Kontakt zur palästinensischen Guerilla-Organisation Al-Fatah geknüpft hatte. Die deutschen Neonazis und die Palästinenser einte ihr Hass auf Israel und die Juden.
Gemeinsam trainierten sie in einem Lager im Südlibanon Schießen, das Werfen von Handgranaten und das Bauen von Bombenfallen. Der spätere Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler war zwar erwiesenermaßen nicht mit im Libanon, dennoch könnten die neuen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft den Wehrsportgruppenführer Hoffmann in die Bredouille bringen. Denn zwei seiner Untergebenen überlebten den Libanon-Aufenthalt nicht, beide Todesfälle sind bis heute nicht restlos aufgeklärt.
Leiche nie gefunden
Einer der beiden Männer, Kay-Uwe Bergmann, wurde im Fatah-Ausbildungslager von seinen eigenen Kameraden zu Tode gefoltert, wobei unklar ist von wem genau. Durch Zeugenaussagen belegt ist allerdings, dass Karl-Heinz Hoffmann sich bei den Folterungen anwesend war, er soll sich teilweise auch daran beteiligt haben. Bergmanns Leiche wurde nie gefunden. Bei dem anderen Toten handelt es sich um den damals 29 Jahre alten Neonazi Uwe Behrendt. Er soll angeblich Selbstmord begangen haben, allerdings wurden nur einige Teile seiner Leiche gefunden.
Doppelmord in Nürnberg-Fürth
Der fanatische Hoffmann-Anhänger Behrendt war, so sieht es jedenfalls das Landgericht Nürnberg-Fürth, ein Doppelmörder: Am 19. Dezember 1980, keine drei Monate nach dem Oktoberfest-Attentat, erschoss er in Erlangen den Rabbiner und Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke, die Witwe des ehemaligen Erlanger Oberbürgermeisters. Die Tat glich einer Hinrichtung, der Täter klingelte an Lewins Wohnung und feuerte dann mehrerer Schüsse erst auf den Rabbiner, dann auf seine Gefährtin. Am Tatort hinterließ er eine Sonnenbrille, die später eindeutig der damaligen Lebensgefährtin von Karl-Heinz Hoffmann zugeordnet werden konnte.
Hoffmann bestreitet bis heute, von der Tat im Vorfeld gewusst zu haben, gab aber zu, dass Behrendt ihm nach der Tat den Mord gestanden hat, woraufhin er diesen in den Libanon geschickt habe. Dort kam Behrendt um den Jahreswechsel 1980/81 an und sollte nie zurückkehren.
Theorie vom Einzeltäter
Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg-Fürth glaubte Hoffmanns Version nicht und beschuldigte ihn, Auftraggeber des Mordes an Shlomo Lewin und Frida Poeschke gewesen zu sein. „Lewin wurde allein deshalb als Opfer ausgewählt, weil er als als einer der Repräsentanten der jüdischen Mitbürger im Raum Nürnberg/Erlangen galt, der früher in führenden Positionen im Staat Israel tätig gewesen ist und sich öffentlich als entschiedener Gegner des Angeschuldigten Hoffmann exponiert hat“, heißt es dazu in der Anklageschrift. Nach langem Prozess sprach das Landgericht Hoffmann jedoch in diesem Anklagepunkt frei. Uwe Behrendt sei ein Einzeltäter gewesen, lautet seitdem die offizielle Version – so wie es auch lange geheißen hatte, dass der Wiesn-Attentäter Köhler Einzeltäter gewesen sei, bis die Bundesanwaltschaft vor zweieinhalb Jahren doch wieder Ermittlungen aufnahm.
Im Zuge dieser Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft nach BR-Informationen inzwischen damit begonnen, ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann intensiv zu den Ereignissen im Libanon zu befragen, wohl um zu klären, wer für den Tod von Kay-Uwe Bergmann und Uwe Behrendt verantwortlich ist. Denn Mord verjährt bekanntlich nicht.