NPD-Veranstaltung in Leinefelde - Kritik an massiver Behinderung von Journalisten

Erstveröffentlicht: 
14.05.2017

Der Deutsche Journalistenverband Thüringen hat den Polizeieinsatz bei einer NPD-Veranstaltung in Leinefelde kritisiert. Unterstützt wird die Kritik auch von der Landtagsabgeordneten Madeleine Henfling (Bündnis 90/Die Grünen). "Die Polizei muss endlich dafür sensibilisiert werden, dass die Journalistinnen und Journalisten nicht ein schönes Beiwerk sind, sondern eine Grundsäule der Demokratie - wie die Polizei übrigens auch", sagte Henfling dem MDR THÜRINGEN. Die Polizei sei mit dafür verantwortlich die Pressefreiheit durchzusetzen.

 

Bei der Veranstaltung waren Journalisten mehrfach von Rechtsextremisten an der Arbeit gehindert worden – darunter auch ein Team des MDR THÜRINGEN JOURNAL. Der Geschäftsführer des Deutschen Journalistenverbands (DJV) Thüringen, Ralf Leifer, kritisierte die Einschränkungen von Medienvertretern: "Pressefreiheit garantiert erst Demokratie, weil nur so der gesellschaftliche Diskurs möglich ist", so Leifer. Die Polizei müsse beim Schutz der Versammlungsfreiheit immer die Pressefreiheit im Blick haben. Es sei eben auch Aufgabe der Polizei, dieses Grundrecht zu schützen sowie eine freie und ungehinderte Berichterstattung zu sichern.

 

2016 hatte der Polizeieinsatz beim so genannten Eichsfeldtag juristische Folgen gehabt, da Beamte im Umfeld der Veranstaltung Journalisten Platzverweise erteilt hatten – rechtswidrig, wie die Thüringer Landespolizeidirektion in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht Weimar später selbst einräumte. 

 

Rechtsextremisten behindern Kamerateam


Hintergrund der aktuellen Kritik ist unter anderem die Behinderung eines MDR-Kamerateams vor Ort, das ohne Einsatzbeamte auf dem Versammlungsgelände drehte, da die Polizei eine Begleitung zunächst verweigert hatte. Eine Gruppe Rechtsextremisten stellte sich während der Dreharbeiten mit einem Transparent mit der Aufschrift "Lügenpresse" und einem Schirm ins Bild und verhinderte so weitere Aufnahmen.

 

Bei einem zweiten Drehversuch in Begleitung von vier Bereitschaftspolizisten und der Polizeisprecherin, wurden Schirme und Bekleidungsstücke vor die Kamera gehalten. MDR-Mitarbeiter wurden angepöbelt, so dass der Dreh ebenfalls abgebrochen werden musste. Die Polizei teilte dem MDR vor Ort mit, das man das Aufspannen von Regenschirmen nicht verbieten könne. Filmaufnahmen zeigen, dass an der Störaktion auch Ordner der Versammlung beteiligt waren. Hierzu heißt es von der Polizei Nordhausen auf Anfrage, ein solches Verhalten wäre maximal eine Ordnungswidrigkeit nach dem Versammlungsrecht. "Ob von der zuständigen Versammlungsbehörde diesbezüglich Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgenommen wurden, ist nicht bekannt." 

 

Widersprüchliche Berichte von Polizei und Pressevertretern

 

Unklarheit herrscht nach MDR-Informationen über mögliche weitere Einschränkungen in Leinefelde. So berichtet der Blog "Zeit-Störungsmelder", dass Journalisten durch Polizisten aufgefordert worden seien, ihre Personalien anzugeben. Auf Anfrage des MDR wies der Sprecher der Landespolizeiinspektion Nordhausen den Vorwurf zurück.

Nicht bekannt wurde der Polizei auch die Vermummung eines Ordners der Veranstaltung, die durch Fotos im Internet dokumentiert ist. Sie zeigen den Mann nach Angaben des Fotografen, während das MDR-Team den Platz verließ. Nach dem Versammlungsgesetz ist Vermummung bei öffentlichen Versammlungen in Deutschland strafbar.


Die Polizei Nordhausen teilte dem MDR mit, die Bilder seien bei der Polizei ebenso wenig bekannt wie eine Vermummung des Orders. 

 

Neonazi-Lied konnte nicht geprüft werden


Nach Informationen des MDR spielte die Schweizer Band "Amok" aus dem Umfeld des militanten Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour" ein Lied der britischen Neonazi-Band "Screwdriver". Der verstorbene Sänger von "Screwdriver" Ian Stuart Donaldson gründete das "Blood & Honour"-Netzwerk und gilt als Ikone der Neonazi-Szene.  Auf Anfrage des MDR heißt es von der Polizei Nordhausen, der Ordnungsbehörde seien im Vorfeld Musiklisten aller auftretenden Bands vorgelegt worden. Das betreffende Lied sei nicht dabei gewesen. Allerdings seien die Musiker nicht verpflichtet, sich im Vorfeld Lieder genehmigen zu lassen. Polizeilich habe das Abspielen dieses Liedes keine Konsequenzen. Und weiter:

 

 Durch den polizeilichen Staatsschutz wurde die Einhaltung der Musiklisten während der Aufführung überprüft. Durch die Band "AMOK" wurden zusätzlich zur eingereichten Liste zwei englische Liedtitel gespielt. Beide Lieder konnten, auf Grund mangelnder Englischkenntnisse, vor Ort nicht geprüft oder ausgewertet werden. Da das Lied "Tomorrow belongs to me" indiziert wurde (durch Entscheidung Nr. 7333 (V) vom 17.11.2006, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 225 vom 30.11.2006), könnte die Versammlungsbehörde gegen den Veranstalter ein Verfahren einleiten. Polizeilich erfolgte jedoch keine Aufzeichnung der Lieder. Ob das Lied tatsächlich abgespielt wurde, kann nicht gesagt werden.

 

Die genannte Bekanntmachung im Bundesanzeiger bezieht sich nach MDR-Informationen allerdings auf die Indizierung eines Albums der britischen Neonazi-Band, das unter anderem das in Leinefelde aufgeführte Lied enthielt, nicht aber automatisch auf den einzelnen Titel. Dass die Schweizer Rechtsextremisten beim Eichsfeldtag das Lied gespielt haben, dokumentieren Tonaufnahmen des MDR-Kamerateams. Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling sagte dem MDR, ihre Fraktion würde sich im Zusammenhang mit den zahlreichen Rechtsrockkonzerten in Thüringen an den Innenminister wenden. Im Umgang mit den Veranstaltungen gebe es starke Defizite. "Aus meiner Sicht braucht es gut geschultes Personal, um tatsächlich reagieren zu können, wenn Verstöße passieren, sowohl bei Ordnungsbehörden als auch bei der Polizei."