Polizei muss Security einsetzen – aber findet kaum Personal

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Erstveröffentlicht: 
04.05.2017

„Belastende Situation“: Die Hamburger Polizei hat den Objektschutz im Vorfeld des G-20-Gipfels teilweise an private Sicherheitsunternehmen übergeben. Doch es gibt Probleme beim Personal.

 

Von Denis Fengler

 

Seit bei Anschlägen militanter G-20-Gegner mehrere Polizeifahrzeuge in Flammen aufgegangen waren, hat die Hamburger Polizei den Schutz ihrer Liegenschaften und der Austragungsorte des für Anfang Juli anstehenden Gipfels wichtiger Industrie- und Schwellenländer ausgeweitet.

Als Teil des Sicherheitskonzepts für das G-20-Treffen wurden zudem Anfang April mehrere Polizeiliegenschaften, insbesondere die Gelände des Polizeipräsidiums und der Bereitschaftspolizei in Alsterdorf, zusätzlich mit Natodraht abgeschirmt. Polizeibeamte patrouillieren seitdem Tag und Nacht, sind zudem am Rathaus sowie der Elbphilharmonie und den Messehallen überaus präsent. Doch der Bewacherjob geht an die Substanz der Einheiten – weshalb die Polizei seit dieser Woche zusätzlich auf die Dienste des privaten Sicherheitsdienstes Power zurückgreift. Eine zweistellige Zahl an privaten Sicherheitsleuten sei bereits eingesetzt, sagte Polizeisprecher Timo Zill.

Beamte der Hamburger Polizeikommissariate, vor allem aber zahlreiche Einheiten der Bereitschaftspolizei, selbst die spezialisierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE), waren in den vergangenen Wochen immer wieder auch für den Objektschutz abgestellt worden – und fehlten damit bei ihren eigentlichen Aufgaben. „Der Objektschutz frisst unglaublich viel Personal“, heißt es aus Polizeikreisen, und sei zudem überaus demotivierend. „Die Situation ist derzeit überaus belastend“, sagt Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).


Temporäre Lösung bis nach dem G-20-Gipfel

Zumal die Hamburger Polizei allein in dieser Woche den Objektschutz in der Stadt ohne weitere Hilfe bewältigen müsse, da keine auswärtigen Kräfte zur Verfügung stehen würden. Eine Hundertschaft pro Tag sei von der Hamburger Polizeiführung von anderen Bundesländern angefordert worden, sagt Lenders. Doch insbesondere nach den personalintensiven Maifeiertagen würde es an Zusagen fehlen, weshalb die Hamburger Polizei in dieser Woche allein dastehe. Lenders forderte die Polizeiführung und Innensenator Andy Grote (SPD) auf, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, weiter auswärtige Polizeieinheiten zur Unterstützung nach Hamburg zu holen.

 

Die Einbindung der Power-Sicherheitsleute sei eine temporäre Lösung bis nach dem G-20-Gipfel, sagte Polizeisprecher Zill. Sie sollen in einem „Mischkonzept“ gemeinsam mit Polizeibeamten auf Streife geschickt werden, allerdings nur auf den Liegenschaften der Polizei. Den externen Objektschutz, also die Bewachung des Rathauses und der beiden Veranstaltungsorte Messe und Elbphilharmonie, will die Polizei auch in Zukunft nicht aus der Hand geben. Seit die Sicherheitsmaßnahmen angesichts des bevorstehenden Gipfels hochgefahren worden seien, habe man sich auch auf dem freien Markt umgeschaut, sagte Polizeisprecher Zill. „Wir wollen wieder flexibler werden.“ Der Einsatz privater Sicherheitsleute werde eine „spürbare Entlastung“ bringen. „Die Polizeibeamten sollen wieder ihre originären Aufgaben wahrnehmen.“

Die Pläne der Polizei sehen nach Informationen der „Welt“ vor, bis zu 90 private Sicherheitsleute einzusetzen. Allerdings dürfte das schwierig werden. Schon jetzt sollen sich Probleme abzeichnen, ausreichend geeignetes Personal zu finden, schließlich müssen die privaten Bewacher angesichts ihres Aufgabenfeldes besonderen Sicherheitsanforderungen genügen. Und nicht nur das: Auch die Sicherheitsüberprüfung der einzelnen Kandidaten soll deutlich länger dauern als gedacht und die Pläne deshalb durchkreuzen. Noch in der vergangenen Woche soll es danach ausgesehen haben, nur sieben Sicherheitsleute einsetzen zu können, was dem sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein entsprochen hätte. Laut Polizeisprecher sollen es aber mittlerweile deutlich mehr sein.

LKA erwartet 8000 gewaltbereite Linksextreme

Dass der Staatsschutz der Polizei seine Prognose für den G-20-Gipfel nach dem 1. Mai deutlich nach oben korrigiert hat, dürfte auch die Debatte um das Thema Sicherheit weiter vorantreiben. Wie die „Bild“ am Mittwoch mit Verweis auf ein internes Lagepapier des Landeskriminalamtes (LKA) berichtete, rechnet die Polizei für Anfang Juli nun bereits mit bis zu 8000 gewaltbereiten Linksextremen. Noch Ende März hatte der Staatsschutz nur halb so viele militante G-20-Gegner prognostiziert. Die Polizei bestätigte die Lageeinschätzung gegenüber der „Welt“. Hintergrund der erweiterten Einschätzung sei die sehr frühe und breite Mobilisierung gegen den G-20-Gipfel insbesondere im Ausland, sagte Sprecher Timo Zill.

Gewaltbereite Gruppen haben sich aus Skandinavien, insbesondere Schweden, sowie aus den Niederlanden und Italien angekündigt – sowohl für eine Demo am Vorabend des Gipfels als auch für eine Großdemo mit möglicherweise bis zu 100.000 Teilnehmern am zweiten Gipfeltag. Die Polizei gibt sich entspannt: „Diese Prognose überrascht uns nicht. Wir gehen mit aller Ruhe und Gelassenheit damit um“, sagte Zill. Er betonte, die Lage könne sich noch jederzeit ändern. Und: „Mit Unterstützung von Polizeikräften aus dem ganzen Bundesgebiet werden wir mit der gewaltbereiten Klientel umgehen.“