Ein 28-jähriger Deutsch-Russe soll aus Habgier den Anschlag auf den BVB verübt haben. Nach Recherchen von ZEIT und ZEIT ONLINE arbeitete er als Elektroniker in Tübingen.
Von Holger Stark
Die Ermittler sind im Fall des Anschlags auf die Mannschaft von Borussia Dortmund einen Schritt weiter gekommen: In den Morgenstunden nahm die Polizei nach Angaben der Bundesanwaltschaft einen 28-jährigen Deutsch-Russen fest. Nach Informationen von ZEIT und ZEIT ONLINE ist er im Technischen Bereich der Uniklinik Tübingen beschäftigt. Der verdächtige Sergej W. soll auf fallende Kurse der BVB-Aktie spekuliert haben. Mit dem Anschlag wollte er offenbar den Kurs manipulieren. Damit ist klar: Das Bekennerschreiben, das den Anschlag für den "Islamischen Staat" reklamierte, war eine bewusst gelegte falsche Fährte.
Am 11. April, dem Tag des Anschlags, hatte sich Sergej W. im Dortmunder Mannschaftshotel L'Arrive eingemietet. Das Zimmer, um das er bei der Buchung gebeten hatte, sollte freien Blick auf die Straße haben – den späteren Tatort. Aus dem Hotel heraus loggte er sich bei einer Bank ein, erwarb Verkaufsoptionen auf die BVB-Aktie – 15.000 sogenannte Put-Optionen, für die er eigens einen Kredit von etwa 40.000 Euro aufgenommen hatte. Mit den Optionen, die nach Informationen der ZEIT eine relativ kurze Laufzeit bis zum 17. Juni hatten, hätte Sergej W. wohl einen Gewinn in sechsstelliger Höhe eingestrichen.
Als der Mannschaftsbus der Dortmunder am Dienstag vergangener Woche gegen 19.15 Uhr aus dem Hotel rollte, zündete Sergej W. die drei am Tatort platzierten Bomben offenbar manuell aus seinem Hotelzimmer. Den Zündmechanismus betätigte er nach Erkenntnissen der Ermittler mit einem elektronischen Schalter, den er wohl per Funk auslöste.
Der Verdächtige hat eine Ausbildung als Elektroniker und soll versiert im Umgang mit Zündtechnik gewesen sein. Noch immer ungeklärt sind Art und Herkunft des Sprengstoffes.
Auf die Spur kamen die Ermittler ihm durch einen Hinweis auf die Verkaufsoptionen, schließlich fügte sich Puzzleteil um Puzzleteil: die Buchung des Hotelzimmers, die IP-Nummer des Internetanschlusses des Hotels, der freie Blick auf den Tatort, die ungewöhnlichen technischen Fähigkeiten.
Zusätzliche Klarheit brachte eine Rekonstruktion der Tat am Tatort selbst, bei der die Ermittler an diesem Dienstagabend unter anderem testeten, ob aus dem Hotelzimmer, in dem Sergej W. gewohnt hatte, tatsächlich eine Zündung möglich war. Zu dem Zeitpunkt observierten Polizisten den Verdächtigen bereits.
Kein politischer Hintergrund
Bei dem Anschlag waren in Dortmund neben dem Mannschaftsbus des BVB drei Sprengsätze explodiert, als die Spieler auf dem Weg zu der Champions-League-Partie gegen den AS Monaco waren. Der Spieler Marc Bartra und ein Polizist wurden verletzt. Das Spiel wurde verschoben.
Mit dem Fahndungserfolg ist wahrscheinlich, dass es keinerlei politischen Hintergrund für die Tat gibt – Sergej W. soll schlicht aus Habgier gehandelt haben.