Erst Blumen, dann Pleiten – AfD-Parteitag rebelliert

Erstveröffentlicht: 
03.04.2017
Sächsische Basis verlangt Schulterschluss mit Höcke und Pegida Von Andreas Debski

 

Weinböhla. Es kam einer Drohung gleich, was Frauke Petry nach dem Parteitag der sächsischen AfD verbreitet hatte. Die Bundes- und Landesvorsitzende sprach unter der Woche davon, dass ihre vier Politikjahre aufreibend gewesen und keineswegs alternativlos seien. Es liegt nahe, dass diese Aussagen als Reaktion auf die Richtungskämpfe zu verstehen sind, die ihr vor acht Tagen, bei der ersten Auflage des AfD-Parteitages, einige Niederlagen gebracht und sichtbar zugesetzt hatten. Bei der Fortsetzung am Sonnabend in Weinböhla (Kreis Meißen) zeigten die Äußerungen zunächst Wirkung: Die Basis war auf Versöhnungskurs aus. Zumindest am Anfang.

 

Gleich zu Beginn überreichte der Kreisverband Dresden – auf dessen Konto einige der letzten Petry-Schlappen gingen und der sich den Glückwünschen zu ihrer Spitzenkandidatur nicht angeschlossen hatte – einen Strauß mit Frühlingsblühern. Garniert wurden die Blumen mit der Ankündigung, dass die Partei keine Querulanten gebrauchen könne. Ein klares Zeichen, wohin der Parteitag diesmal steuern sollte.

 

Norbert Mayer von der Freiheitlich Patriotischen Alternative, die als Rechtsableger vom Bundesvorstand mit einem Bann belegt wurde, ging noch einen Schritt weiter: Der Freitaler war die Chefin bei seiner Kampfkandidatur vor einer Woche hart angegangen, hatte unter anderem von Tyrannei und Diktatur gesprochen. Jetzt trat er ans Mikrofon und bat um Entschuldigung. Frauke Petry verfolgte die Annäherungen am Rande des Podiums, diesmal deutlich entspannter als vor Wochenfrist.

 

Insbesondere die Kandidaten für die AfD-Landesliste zur Bundestagswahl versuchten, Harmonie zu erzeugen. Die Appelle zur Einigkeit reihten sich im Viertelstunden-Takt aneinander – und sagten damit viel über den Zustand der Partei. Da wünschte sich Benjamin Przyballa vom Kreisverband Zwickau „eine Streitkultur ohne Intrigen und Schläge unter die Gürtellinie“, schämte sich Ulrich Lupart aus dem Vogtland für den „zerrütteten Haufen“ und verlangte Stefan Vogel, der Fraktionsvorsitzende in Dresden, dass „Schluss mit dem Dominanzstreben Einzelner“ sein müsse. Zugleich wurde ebenso deutlich, wie unterschiedlich und konträr die Meinungen zu der sich moderat gebenden Führung sind. Das Sammelbecken vieler Unzufriedener offenbart zunehmend Risse.

 

Vor allem deshalb erwiesen sich die „Alternativlos“-Aussagen von Frauke Petry, die sie auf dem Parteitag nicht kommentieren wollte, letztlich als Pyrrhussieg. Der demonstrative Waffenstillstand hielt nur wenige Stunden – und überstand nicht einmal das Treffen am Sonnabend. Ein vom Kreisverband Zwickau eingebrachter Antrag, dass sich der Landesvorstand – mit Frauke Petry an der Spitze – beim Bundesvorstand dafür einsetzen soll, dass das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Landeschef Björn Höcke zurückgenommen wird, fand in Weinböhla eine große Mehrheit. Zur Begründung hieß es: Inhaltlich habe sich dessen Dresdner Rede „an unserem Grundsatzprogramm orientiert“.

 

Michael Muster vom Kreisverband Leipzig Land versuchte, dagegen zu argumentieren: Er meinte, bei Höckes Rede habe nur noch „Sieg Heil!“ gefehlt – und wurde dafür heftigst ausgebuht. Auch Sven Itzeck (Zwickau) sprach sich gegen Höcke aus – ihm wurde sogar beschieden, endlich die „Fresse“ zu halten. Itzeck selbst musste danach durch einen Ordner vom Saalmikrofon ferngehalten werden, damit sich Roland Ulbrich (Leipzig) darstellen konnte.

 

Sachsens AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer wies seinerseits darauf hin, dass ein Parteitagsvotum pro Höcke die Vorsitzende beschädige und ein Signal mangelnden Respekts sei. Doch auch dieser Appell verhallte. Wie schon in der Vorwoche, als der Parteitag für den Dresdner Richter Jens Maier und gegen das vom Landesvorstand betriebene Ausschussverfahren votierte.

 

Frauke Petry bekam von den erneuten Streitereien nichts mehr mit: Die 41-Jährige hatte sich in den freien Nachmittag, zu ihren vier Kindern, verabschiedet. Deshalb verpasste sie auch eine ebenso heftig geführte Debatte zum Umgang mit Pegida. Der Landesvorstand hatte, wie auch der Bundeskonvent der AfD, einen Schulterschluss abgelehnt und es für parteischädigend erklärt, wenn gemeinsame Sache gemacht würde. Die AfD Dresden sah darin einen „willkürlichen Beschluss“ und verlangte, „unsere Wähler, die bei Pegida sind“ abzuholen. Auch dafür gab es die Unterstützung des Parteitages. Die erfolgreichen Rebellen klatschten sich nach ihrem Triumph ab, als hätte Dynamo den Bundesliga-Aufstieg schon in der Tasche.

 

Wurlitzer musste schließlich konsterniert feststellen: „Im Moment ist es so, dass dem Landesvorstand relativ selten geglaubt wird.“ Das zeigten – wie schon in der vergangenen Woche – die immer neuen Voten gegen den Vorstand. Diese Grabenkämpfe fasste Ivo Teichmann (Sächsische Schweiz) so zusammen: „Als Vorstand dürft ihr nicht immer nur dagegen sein – der Parteitag ist die Basis.“ Ein Antrag, die Presse von den Diskussionen auszuschließen, scheiterte knapp: Die Mehrheit sprach sich für Transparenz aus, obwohl der Fall Höcke laut Bundesvorstand nicht mehr öffentlich behandelt werden soll.

 

Gewählt wurde übrigens auch wieder. Dabei gelang der Verwaltungswirtin und ehemaligen Streifenpolizistin Verena Hartmann ein überraschender Durchmarsch: Die 43-Jährige setzte sich im ersten Anlauf klar gegen fünf Mitbewerber durch. In ihrer Bewerbungsrede hatte sie immer wieder reichlich Applaus geerntet, unter anderem als sie davon sprach, dass „der Schatz des eigenen Volkes nicht auf dem Altar einer Multi-Kulti-Ideologie geopfert“ werden dürfe.

 

Verena Hartmann lobte „mein Stück heile Welt in der Sächsischen Schweiz“ und beschwor unter jubelnder Zustimmung, dass „unsere Kultur und unsere Tradition nicht zu Staub verfallen“ dürften. Damit erreichte sie den aussichts­reichen Listenplatz 9 für die Bundes­tagswahl, gefolgt von Lars Herrmann (Leipzig-Land), Christoph Neumann (Leipzig) und Jörg Brettschneider (Mittelsachsen).