AfD im Saalekreis Wie Tillschneider die Partei geschlossen nach rechts rücken will

Erstveröffentlicht: 
10.03.2017

Hans-Thomas Tillschneider hat das Ruder im AfD-Kreisverband Saalekreis übernommen. Er liebäugelt mit den Identitären und Legida, sein Kurs scheint klar vorgeben. Ein Problem bleibt ihm jedoch weiterhin erhalten.

 

Merseburg - „Solche Situationen werden sich nicht wiederholen.“ Die Ansage von Hans-Thomas Tillschneider ist kurz und eindeutig. Der Kreisverband der AfD hatte in seiner Außendarstellung zuletzt ein skurriles Bild abgegeben.


Teils radikalen Statements wie einem Aufruf zum Systemsturz auf der eigenen Facebookseite folgte mehrfach eine öffentliche Distanzierung des Kreisvorsitzenden Gottfried Backhaus. Doch der Landtagsabgeordnete ist seit dem Kreisparteitag vor zwei Wochen dieses Amt los.


Neuer Kreischef Hans-ThomasTillschneidersetzt auf demonstrative Geschlossenheitsbekundungen der zerstrittenen AfD


Sein Nachfolger ist sein Fraktionskollege Tillschneider. Und dieser setzt auf demonstrative Geschlossenheitsbekundungen der zuletzt zerstrittenen Partei. Dazu gehört freilich auch, dass der Vorsitzende die Hoheit über die Kommunikationskanäle des Kreisverbandes besitzt.


Dürfen die dort geposteten Inhalte als Indikator für die künftige Ausrichtung des Kreisverbandes gelten, dann zeichnet sich ein klar rechter Kurs ab. So werden etwa SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in einem Beitrag vom Montag als „Volksverräter“ tituliert und die Antifa als Nazis. Überraschend ist das nicht.


Neuer AfD-Kreischef Tillschneider ist das Bindeglied zur Neuen Rechten – unterstützt die Identitäre Bewegung und Götz Kubitschek


Tillschneider gilt wie die Landeschefs André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) und Björn Höcke (Thüringen) als Rechtsaußen in der AfD. So ist der 39-jährige Akademiker Mitbegründer und Bundessprecher der parteinahen Patriotischen Plattform (PP). Die verwendet gern Begriffe wie „Volksdeutsche“ und fordert etwa nach dem wegen umstrittener Äußerungen eingeleiteten Ausschlussverfahren gegen Höcke die sofortige Neuwahl des Bundesvorstandes der Partei.


Für den rechten Flügel der AfD nimmt Tillschneider eine Art Scharnierfunktion zur Neuen Rechten ein. So unterhält er etwa Kontakte zu deren Vordenker Götz Kubitschek aus Schnellroda, für dessen Zeitschrift „Sezession“ er schon Interviews gab und einen Gastbeitrag verfasste.


Der neue Kreischef befürwortet zudem eine Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz überwachten und auf öffentlichkeitswirksame Aktionen spezialisierten rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), die in Halle etwa in Form der „Kontrakultur“ auftritt.


Hans-Thomas Tillschneider: „AfD und IB kämpfen auf verschiedenen Feldern für dasselbe Ziel.“


Gegenüber der MZ erklärte Tillschneider: Er halte sich zwar an einen vom Bundesvorstand gefassten Beschluss, dass es keine Kooperation mit der IB gibt: „Das ändert aber nichts daran, dass ich diesen Beschluss für falsch halte. [...] AfD und IB kämpfen auf verschiedenen Feldern für dasselbe Ziel: das deutsche Volk erhalten, das Eigene verteidigen.“


Auch bei Lediga-Demos mischte AfD-Kreischef Tillschneider mit


Dem islamfeindlichen Legida-Bündnis in Leipzig, einer radikaleren Version der islamfeindlichen Dresdener Pegida-Bewegung, bei der Tillschneider im vergangenen Jahr auch auftrat, stand der Landtagsabgeordnete nach eigenen Bekunden anfänglich als Berater zur Seite, habe sich dann aber zurückgezogen. Allerdings besuchte er auch später noch Legida-Demonstrationen.


Der Islam ist für Tillschneider ohnehin ein zentrales Thema, nicht erst seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen aus Nahost. Er ist promovierter Islamwissenschaftler. Bis zu seinem Einzug in den Landtag arbeitete er als Akademischer Rat an der Uni Bayreuth. An der gab es nach Bekanntwerden seiner politischen Aktivitäten Kontroversen um seine Person.


Immer wieder äußert sich Tillschneider kritisch über Muslime. Jüngst sprach er in einer Landtagsrede „vom Eindringen Millionen orientalischer Flüchtlinge“. Ein Islamkritiker sei er deshalb jedoch nicht, sagt der Wissenschaftler. Er sieht sich als „Islamisierungskritiker“. „Der Islam ist gut so, wie er ist – in seinen Stammländern. Er passt nicht zu Deutschland.“


Seine Worte wählt Tillschneider mit Bedacht – und gern auch provokativ.


Tillschneider ist rhetorisch begabt und im Gegensatz zu Poggenburg kein Polterer. Seine Worte wählt er mit Bedacht – und gern auch provokativ. Kurz nach Höckes umstrittener Forderung einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ verlangte er im Landtag eine „bildungspolitische Wende um 180 Grad“.


Gegenüber der Presse ist er misstrauisch. Fragen beantwortet er nur schriftlich. Den Richtungsstreit im Kreisverband nennt er eine schlechte „journalistische Fiktion“ – anders als sein eher führungsschwacher Widersacher Backhaus.


AfD-Kreischef Tillschneider strebte bereits vor seinem Landtagseinzug mehrere politische Mandate an


Der war beim Kreisparteitag krankheitsbedingt abwesend – und wurde gleich gänzlich aus dem Vorstand gewählt. Vertagungsanträge seiner Frau lehnte der Parteitag ab. „Die Gelegenheit wurde für eine Palastrevolution genutzt“, resümiert Backhaus, der seinen Nachfolger als „Karrieristen“ charakterisiert.


Zumindest strebte Tillschneider bereits vor seinem Landtagseinzug – erfolglos – mehrere politische Mandate an. Im Vorfeld der Landtagswahl verlegte er seinen Wohnsitz dann von Sachsen in den Saalekreis.


Dort will er nun mit einem möglichst geschlossenen Kreisverband in den Bundestagswahlkampf ziehen. Anders als lange geplant, steht er dabei nicht persönlich zur Wahl.


Störfaktor Backhaus


Überraschend erklärte er im Januar seinen Verzicht mit der bescheidenen Begründung: Er sei in der Landtagsfraktion als Sprecher für Bildung und Kultur unverzichtbar. „Das kann niemand außer mir.“ Eine von vielen Breitseiten gegen Backhaus, der gemeinsam mit Tillschneider im Bildungsausschuss sitzt.


Der geschasste und als eher gemäßigt geltende Kreischef dürfte in den kommenden Monaten wohl der größte Störfaktor für die gewünschte einheitliche Außendarstellung sein.


Schließlich zeigte er seit dem Kreisparteitag bereits mit mehreren Äußerungen Richtung Poggenburg und Tillschneider, dass er wohl nicht gewillt ist, das gewünschte Narrativ einer in sich geschlossenen Partei mitzutragen.