Streit mit Österreichs Rechtspopulisten - Erfurter Filmverein gewinnt Prozess gegen FPÖ

Erstveröffentlicht: 
10.03.2017

Die Erfurter "Filmpiraten" können sich wieder ganz ihren Projekten widmen. Der Rechtsstreit mit der österreichischen FPÖ ist beendet: Einen Antrag auf Revision durch die Partei wies der Oberste Gerichtshof in Wien zuletzt ab. von Axel Hemmerling und Johanna Hemkentokrax

 

In den Vereinsräumen der Erfurter Filmpiraten knallen an diesem Abend Anfang März die Sektkorken. Vor ein paar Tagen hat der kleine Verein erfahren, dass er den Rechtsstreit gegen die rechtspopulistische Partei FPÖ in Österreich endgültig gewonnen hat. Ein paar Freunde sind zu der kleinen Feier gekommen. "Ich bin einfach total erleichtert", beschreibt Jan Smendek die Gemütslage. "Ich als Vorstandsmitglied hatte in den letzten zwei Jahren einige schlaflose Nächte."

 

Was den jungen Filmemacher um den Schlaf gebracht hatte? Seit gut zehn Jahren berichten die jungen Videojournalisten vom Erfurter Filmpiraten e.V. über Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Sie arbeiten ehrenamtlich, fahren in ihrer Freizeit zu Neonazi-Aufmärschen quer durch Deutschland und veröffentlichen ihre Reportagen anschließend im Internet. 

 

Bericht über Jenaer Student Josef S.


2014 berichteten die kritischen Journalisten auch über den Prozess gegen Josef S. in Wien. Die österreichischen Behörden warfen dem Jenaer Studenten Landfriedensbruch im Zuge der Proteste gegen den jährlichen Akademikerball vor. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen, nach einem umstrittenen Verfahren wurde Josef S. verurteilt, der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) verlieh dem Studenten einen Preis für Zivilcourage.

 

Auszüge aus der Dokumentation der Filmpiraten über Josefs Prozess und die Preisverleihung veröffentlichte die rechtspopulistische FPÖ in ihrem Youtube-Kanal. Mit dem Logo der Filmpiraten, aber anderem Sprechertext und dem eigenen Copyright. Das wollte der kleine Erfurter Verein nicht auf sich sitzen lassen und mahnte die Partei ab. Kurz darauf kam die unerwartete Wendung in Form einer Klage der FPÖ gegen die Unterlassung - Streitwert 35.000 Euro. "Das war erst mal ein Schock", sagte Jan Smendek, vom Filmpiraten e.V. Anfang 2015 dem MDR. "Wir haben das für einen schlechten Scherz gehalten, dass sie das auf einmal so umdrehen. Die haben die Materialien genommen, haben gegen das Urheberrecht verstoßen und verklagen jetzt uns." 

 

Handelsgericht urteilt zugunsten der Filmpiraten


Die FPÖ zeigte sich damals auf Anfrage von MDR THÜRINGEN keiner Schuld bewusst. Der Streitwert in Höhe von 35.000 Euro sei üblich. Zur Klage hieß es: "Die Rechtsgrundlage ist das österreichische Urheberrechtsgesetz. Die 'Filmpiraten' behaupten, dass die FPÖ zu Unrecht eine Filmsequenz übernommen habe. Nach unserer Ansicht ist das falsch, da die in Rede stehende Veröffentlichung der 'Filmpiraten' unter einer Creative-Commons-Lizenz stand. Die FPÖ hat das Filmmaterial der 'Filmpiraten' auch in keiner Weise verändert."

 

Das Handelsgericht in Wien sah das anders. Im Sommer 2016 urteilte es zugunsten der Filmpiraten. "Bei der Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material ist in aller Regel davon auszugehen, dass dies nicht unbeschränkt und frei von jeglichen Restriktionen geschehen darf", hieß es in der Urteilsbegründung. Die FPÖ ging dagegen in Berufung und legte zuletzt Revision beim Obersten Gerichtshof in Wien ein - doch die wurde jetzt abgewiesen. 

 

FPÖ nutzt Filmmaterial weiter


Die FPÖ-Klage sei für den 20-köpfigen Verein existenzbedrohlich gewesen, erzählt Jan Smendek heute. Wegen des hohen Streitwerts waren die Anwaltskosten enorm. Zwar hätten Spendenkampagne und die Verfahrenshilfe in Österreich sehr geholfen, doch rund 6.000 Euro seien trotzdem erstmal an den Filmpiraten hängen geblieben. Wieviel sie davon von der FPÖ zurück bekämen sei noch unklar. Und auch, wie sie mit der Partei weiter verfahren, müssen die Filmpiraten erst noch auf ihrer nächsten Mitgliederversammlung entscheiden. Denn die FPÖ nutzt immer noch das Filmmaterial auf ihrem Youtube-Kanal.

 

An diesem Abend überwiegt bei Jan Smendek und seinen Mitstreitern aber die Erleichterung. "Worauf ich mich persönlich am meisten freue, ist eben tatsächlich auch wieder Energie in ein Filmprojekt zu setzen und nicht mit Akten, Juristen und Rechtsanwälten und Verfahren die Zeit zu verbringen."