In Budapest wird das Denkmal für den jüdisch-marxistischen Philosophen Georg Lukács entfernt
Der Budapester Stadtrat hat auf Antrag der rechtsradikalen Jobbik-Partei
beschlossen, dass das Denkmal für den jüdisch-marxistischen Philosophen
Georg Lukács im Szent-István-Park der ungarischen Hauptstadt
verschwinden soll.
Man muss kein Marxist sein, um Lukács als
bedeutende Persönlichkeit der Geistesgeschichte zu würdigen. Zumal es
offensichtlich ist, dass die Demontage des Denkmals dem Marxisten Lukács
und dem Juden Lukács gilt.
Wirkung
Ursprünglich hieß Lukács Löwinger, sein Vater war Bankdirektor, seine
Mutter war eine geborene Wertheimer – beide entstammten dem wohlhabenden
jüdischen Bürgertum. Den Philosophen Lukács zeichnete aus, dass er ein
nicht-doktrinärer Denker und Verfechter der Marxschen Ideen war. Einer
mit großer Wirkung: Thomas Mann verarbeitete Lukács im Zauberberg zum Professor Naphta, und György Dalos bezieht sich in seinem Roman Der Versteckspieler auf ihn. Mit eigenen Büchern wie Die Theorie des Romans und Von Nietzsche zu Hitler oder, was mich besonders beeindruckte, seiner vierbändigen Ästhetik prägte Lukács das Denken unserer Zeit.
Die
Abwicklung von Georg Lukács hat aber nicht erst jetzt begonnen. Im
vergangenen Jahr wurde schon das Archiv des 1971 gestorbenen
Philosophen, das sich in seiner alten Wohnung befand, geschlossen. Und
Bemühungen, alles, was im Stadtbild oder an der Universität an ihn
erinnert, zu verbannen, gibt es noch länger. Interessant ist, dass die
Demontage des Lukács-Denkmals in genau jenem Stadtteil Budapests
stattfindet, in dem traditionell viele jüdische Künstler und
Intellektuelle leben, der Neu-Leopoldstadt. An einer anderen Stelle des
Platzes findet sich auch eine Skulptur, die an Raoul Wallenberg
erinnert.
bálint hóman Das
Verschwinden des Lukács-Denkmals steht auch in Zusammenhang mit der
Verehrung für Bálint Hóman, einen 1951 verstorbenen Ideologen des
Horthy-Faschismus, der während der Schoa als Religions- und
Bildungsminister mitverantwortlich für die antisemitischen Gesetze war.
Für Hóman wurde ein Denkmal errichtet, aber das für Lukács soll
verschwinden.
Man muss in der Tat nicht dem Marxismus verfallen
sein, um diese Vergangenheitspolitik, die den schlimmsten Judenhass der
ungarischen Geschichte zu nobilitieren versucht, skandalös zu finden. Es
ist eine offen rechtsradikale Politik, die wir derzeit in Ungarn
erleben.
Der Autor wurde in Budapest geboren und war württembergischer Landesrabbiner.