Wer ist Roman Zozulya, der vermeintliche Neonazi-Fußballer?

Erstveröffentlicht: 
02.02.2017

Stellt euch mal folgendes Szenario vor: Der FC St. Pauli–traditionell links und antirassistisch ausgerichtet–tritt vor die Presse und verkündet die Verpflichtung eines Spielers, der bei seinem Ex-Verein mit Neonazi-Vorwürfen überhäuft wurde. Undenkbar, glaubt ihr? Vielleicht hierzulande, aber nicht in Spanien.

 

Dort hat das ‚spanische St. Pauli', der Zweitligist Rayo Vallecano, kurz vor Ende der Transferperiode mit dem Ukrainer Roman Zozulya einen Spieler verpflichtet, der offen mit einer rechtsgerichteten Kampfeinheit sympathisiert. Und wie man sich denken kann, waren nicht nur die Ultras des Vereins, die Bukaneros, so gar nicht glücklich mit dem Deal. Gewonnen haben sie den Machtkampf am Ende trotzdem. Doch eins nach dem anderen.

 

Vor nicht mal einem Jahr schnupperte der Madrider Arbeiterverein gegen den steinreichen Lokalrivalen Real an der Sensation und lag zwischenzeitlich mit 2:0 vorne. Doch das Spiel endete mit einer Enttäuschung (2:3)–wie auch die Saison. Denn nach Platz 18 musste Rayo den Gang in die Segunda División antreten. Auch dort scheinen die Trauben zu hoch zu hängen, der Verein befindet sich in Abstiegsgefahr. Und vor lauter Angst, bis in die dritte Liga durchgereicht zu werden, kam Vereinspräsident Martín Presa auf die Idee eines Verzweifelten. Anders kann man sich nicht erklären, dass er den ukrainischen Nationalspieler Roman Zozulya vom spanischen Erstligisten Real Betis bis zum Saisonende ausgeliehen hat.

 

Schon vorher, als klar wurde, mit wem sich Rayo in der Winterpause verstärken wollte, liefen die Fans Sturm und informierten den Verein über die Nazi-Vorwürfe. Doch Herr Presa ließ sich nicht beirren und boxte das Leihgeschäft durch. Natürlich war damit nicht die Kontroverse, ebenso wenig wie der Protest, aus der Welt geschafft, ganz im Gegenteil. Gestern hätte Zozulya sein erstes Mannschaftstraining gehabt–und glänzte durch Abwesenheit. So konnte er auch nicht das große Protestbanner sehen, das Fans neben dem Trainingsplatz aufgehängt hatten.

 

Rayo fans rail against signing of

— AS English (@English_AS) February 1, 2017

 

„Vallekas ist kein Ort für Nazis. Presa, für dich auch nicht. Hau ab", lautete die eindeutige Botschaft an Zozulya und den Präsidenten.

 

Und abgehauen ist Zozulya. Und zwar zurück nach Sevilla zu Real Betis. Die Fans haben also den Machtkampf mit dem eigenen Verein gewonnen.

 

Doch was ist dran an den Nazi-Vorwürfen gegen Zozulya? Die Situation gestaltet sich–ähnlich wie die in der Ukraine–unübersichtlich.

 

Er selbst beteuert, dass das Ganze nur ein Missverständnis sei. Ein Fotograf habe einst das Wappen auf einem seiner T-Shirts mit einer rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppe in Verbindung gebracht, dabei sei es nur das Wappen seines Heimatlandes gewesen, wie er im folgenden Appell die Fans von Vallecano wissen ließ.

 

Carta de @zozulyaroman18, nuevo jugador del @RVMOficial, a los rayistas pic.twitter.com/2vJPMdySCS
— Rayo Vallecano (@RVMOficial) January 31, 2017

 

Mag sein, wir sind keine Wappenexperten. Doch auf seinem Twitter-Account kann man ihn mit Waffen, paramilitärischen Gruppen und–jetzt wird es interessant–einem Schal mit dem Gesicht von Stepán Bandera sehen.

 

5) En esta foto le vemos con una bufanda de Stepán Bandera, referente del nazismo ucranio pic.twitter.com/dOYrG3IkKz
— Betis Class (@BetisClass) January 31, 2017

 

Bandera–ein ukrainischer Unabhängigkeitskämpfer in den 30er-Jahren–ist eine höchst kontrovers diskutierte Person. Für viele Ukrainer ist er ein Nationalheld, für andere hingegen ein Mörder und Inspirationsquelle für noch mehr Mörder. „Die Juden betrachten ihn als Inkarnation des ukrainischen Antisemiten, weil auch im Namen Banderas viele Juden bei Pogromen und Erschießungen umgekommen sind", schrieb der MDR in einem Porträt über Bandera. Zudem brachte seine Organisation im zweiten Weltkrieg Zehntausende Polen um. Bandera wird bis heute von Nationalisten und Rechtsextremen in der Ukraine gleichermaßen verehrt. Dass die Grenzen zwischen diesen beiden Lagern fließend sind, beweist das Regiment Asow. Und genau mit dieser Gruppe hat sich Zozulya in der Vergangenheit umgeben. Das Regiment ist bekannt für die rechtsextremen Ansichten vieler seiner Anführer sowie für die Verwendung rechtsextremer Symbole

 

All das zeichnet das Bild einer höchst kontroversen Persönlichkeit. Schon ein „normaler"–soll heißen, politisch neutraler–Verein sollte sich zweimal überlegen, einen Mann wie Zozulya zu verpflichten. Denn auch wenn wir nicht in seinen Kopf schauen können: Indizien, die auf eine zumindest problematische Weltanschauung hinweisen, gibt es mehr als genug. Es kann natürlich sein, dass Zozulya zu Bandera und dem Regiment Asow hält, weil beide für den Unabhängigkeitskampf der Ukraine stehen—und dabei, sei es nun wissentlich oder unreflektiert, deren faschistische Aspekte ausblendet. Eins steht aber fest: Ein linksgerichteter Verein wie Rayo Vallecano kann sich keine Ambiguitäten leisten, wenn es um rassistisches Gedankengut geht, kann sich keinen Spieler holen, wenn auch nur der kleinste Verdacht besteht, dass dieser rechtsextreme Positionen vertritt.

 

Oder sie hätten sich vor dem Transfer einfach nur dieses Video angeschaut und gesagt: Hey, wir holen uns vielleicht doch keinen Spieler, der in seiner Zeit bei FK Dnipro (früher: Dnipro Dnipropetrowsk) von der Tribüne aufs Feld stürmte, um einen Linienrichter zu treten.