Die rechtsextreme Gruppierung "Blood and Honour" und ihr bewaffneter Arm "Combat 18" sind trotz eines Verbots in Deutschland offenbar wieder aktiv. Nach Recherchen von NDR und SZ hat der Verfassungsschutz zahlreiche Hinweise darauf.
Von Reiko Pinkert und Jan Lukas Strozyk, NDR
Unter dem Namen "Combat 18" hatten sich europaweit jahrelang gewaltbereite Neonazis zusammengeschlossen - auch in Deutschland, bis die Gruppe hier verboten wurde. Nun scheint "Combat 18" in Deutschland wieder aktiv, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Nach Recherchen des NDR und der "Süddeutschen Zeitung" verfügen die Ermittlungsbehörden zudem über zahlreiche konkrete Hinweise zu Aktivitäten der Gruppe. "Combat 18" gilt als der bewaffnete Arm der europaweit aktiven Neonazi-Gruppe "Blood and Honour". Beide Gruppierungen sind in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten.
Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass es seit vier Jahren wieder eine aktive Nazi-Gruppierung mit dem Namen "Combat 18" in Deutschland gibt. Ihre Mitglieder sollen in weiten Teilen Deutschlands aktiv sein: Laut Sicherheitsbehörden existieren aktuell Mitglieder in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Außerdem habe man in den vergangenen Jahren immer wieder Hinweise auf regionale Strukturen erhalten. Eine genaue Mitgliederzahl ist dem Innenministerium allerdings nach eigener Aussage nicht bekannt. Um wen es sich handelt, ob die mutmaßlichen Mitglieder schon vor dem Verbot bei "Combat 18" aktiv waren oder anderweitig Teil der Neonazi-Szene sind, ist ebenfalls unklar.
Hunderte Hinweise zu "Blood and Honour"
Nach Informationen von NDR und SZ sind beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in den vergangenen Jahren zu "Blood and Honour" zahlreiche sogenannte Quellenberichte eingegangen, zum Beispiel Hinweise von Informanten. Zahlreich bedeutet: im hohen dreistelligen Bereich - ungewöhnlich viel für ein Netzwerk, das es nicht mehr geben darf. Das BfV beobachtet die Gruppe offenbar sehr genau. Zudem liegen den Verfassungsschützern Hinweise auf Geldflüsse vor: Im Juni 2016 soll der deutsche "Combat 18"-Ableger einen Teil seiner Mitgliedsbeiträge ins EU-Ausland transferiert haben. Ein mutmaßliches Führungsmitglied der Gruppe soll außerdem Überweisungen für die ungarische "Blood and Honour"-Sektion abgewickelt haben.
Der Generalbundesanwalt, in Deutschland zuständig für Terrorismus-Ermittlungen, beobachtet die Aktivitäten der Mitglieder nach eigenen Angaben ebenfalls. Anlass für ein Ermittlungsverfahren sieht die Behörde bislang allerdings nicht. "Im Gegensatz zur Bundesregierung haben antifaschistische Recherchen seit Jahren auf die zentrale Bedeutung dieser Struktur hingewiesen", sagte Martina Renner, Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Bundestag, dem NDR. "Gleichzeitig werfen die bekannten V-Leute, die deutsche Geheimdienste bei 'Blood and Honour' geführt haben, die Frage auf, warum es seit dem Verbot keinen nennenswerten Ermittlungsdruck gab."
Führerlose Zellen wie beim NSU
Übersetzt heißt "Combat 18" in etwa Kampftruppe Adolf Hitler: Die 18 steht für AH, den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet. Von militanten Rechten 1992 in Großbritannien gegründet, verübten ihre Mitglieder zahlreiche Anschläge auf politische Gegner, Migranten und Journalisten in ganz Europa.
Die Mutterorganisation "Blood and Honour" veranstaltete vor allem rechtsextremistische Konzerte und produzierte einschlägige, häufig indizierte Tonträger wie Kassetten und CDs. In ihren Publikationen wurde zu Anschlägen aufgerufen und der Kampf gegen politische Gegner und Migranten in so genannten führerlosen Zellen propagiert. Eine Methode, die es den Sicherheitsbehörden schwerer machen und die auch die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" NSU angewandt haben soll. Einige Unterstützer des NSU sowie ehemalige Freunde des Trios waren früher führende Mitglieder in deutschen "Blood and Honour"-Sektionen.
Nach dem Verbot von "Blood and Honour" und "Combat 18" in Deutschland im Jahr 2000, so das Thüringer Innenministerium, war die Szene stark geschwächt. Konzerte fanden nicht mehr statt und somit wurde die Rekrutierung von jungen Menschen sowie die Verbreitung von rechtsextremistischer Ideologie deutlich erschwert. Neonazis, die früher eine Rolle gespielt hatten, hätten mittlerweile die Szene verlassen oder sich umorientiert. Einige hätten versucht, die Strukturen heimlich weiterzuführen. Ermittlungsverfahren waren häufig die Folge.
Im November 2016 berichteten Medien von einer Razzia bei Rechtsextremisten in Suhl (Thüringen). Die vier Männer sollen Mitglieder von "Blood and Honour Südthüringen" gewesen sein, einer Nachfolgeorganisation der verbotenen Gruppe.