Polizistenmord von Georgensgmünd - Bundesregierung: Keine rechtsextreme Tat

Erstveröffentlicht: 
26.01.2017

Der Polizist, der vergangenen Oktober im mittelfränkischen Georgensgmünd von einem sogenannten "Reichsbürger" erschossen worden ist, wird von der Bundesregierung nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die dem BR exklusiv vorliegt.

Von: Thies Marsen

 

Laut Bundesregierung ist dafür die bayerische Landespolizei verantwortlich, also das LKA. Dieses habe die Tat nicht dem Phänomenbereich politisch motivierte Gewalt zugeordnet. Eine Anfrage des BR beim bayerischen Innenministerium, warum dies nicht geschehen ist, blieb bisher unbeantwortet. 

 

Mord mit Ansage?


Am 19. Oktober 2016 hatte ein 49-Jähriger in Georgensgmünd einen Beamten erschossen, als die Polizei bei dem selbsternannten „Reichsbürger“ Waffen sicherstellen wollte. Im Vorfeld der Tat hatte der Mann im Internet zahlreiche antisemitische und rassistische Inhalte verbreitet. Darin hetzt er unter anderem gegen Juden, Flüchtlinge und die Bundesregierung in teils typischem Neonazi-Jargon – entsprechende Screenshots seiner Facebook-Seite liegen dem BR vor.

Dass seine Tat trotzdem nicht als rechtsextreme Gewalttat eingestuft wird sei ein „offener Affront gegenüber den Opfern rechter Gewalt“, kritisiert die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner.

 

"Wenn ein überzeugter Anhänger des deutschen Reiches und Antidemokrat aus seiner politischen Haltung heraus einen Polizisten erschießt, ist das eindeutig Ausdruck dieser Ideologie."

Martina Renner, Die Linke 

 

Streit über Zahl rechter Gewalttaten


Die Sicherheitsbehörden hätten aus dem NSU-Skandal offenbar nichts gelernt. Über die Zahlen von Opfern rechter Gewalt gibt es seit Jahren Streit. Während die Bundesregierung davon ausgeht, dass seit der Wiedervereinigung weniger als 80 Menschenvon rassistischen und rechtsextremen Tätern ermordet wurden, gehen Opferinitiativen und Journalisten von bis zu 200 Opfern aus. Auch in Bayern gibt es mehrere umstrittene Fälle, etwa den Mord an dem 40-jährigen Peter Siebert im April 2008 in Memmingen, der von seinem Neonazi-Nachbarn erstochen worden war, weil er sich über dessen lauten Rechtsrock beschwert hatte.

 

Oder der Mord an einem Obdachlosen im niederbayerischen Plattling im Mai 2006 durch zwei Rechtsextremisten. Auch der Fall eines kasachischen Aussiedlers der im Juli 2013 auf dem Kaufbeurer Tänzelfest von einem Neonazi erschlagen worden war, wurde von Bayerns Polizei und Justiz nicht als rechtsextreme Tat gewertet und damit nicht in die offizielle Statistik der Bundesregierung aufgenommen.