Viele Bürger der Stadt haben ein starkes Zeichen gegen die rechtspopulistische Partei gesetzt. Die befürchteten Krawalle sind am Samstagmorgen ausgeblieben.
Nürtingen - Um 7 Uhr am Samstagmorgen zeigt das Thermometer Minus zwölf Grad. Rund um die weiträumig wie eine Festung gesicherte Nürtinger Stadthalle K3N stehen hunderte Polizisten bereit und warten auf Demonstranten, die ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringen wollen, dass die rechtspopulistische AfD in der Stadthalle ihren Nominierungsparteitag für die Bundestagswahl abhält. Vier Kundgebungen – drei linksautonomer Gruppen sowie eine große Aktion vieler Nürtinger Parteien, und Initiativen auf dem benachbarten Schillerplatz – sind angemeldet, erzählt die Pressesprecherin der Polizeidirektion Reutlingen, Andrea Kopp.
Nach den Erfahrungen beim letztjährigen AfD-Parteitag auf dem Stuttgarter Messegelände, bei dem es zu heftigen gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, hat die Polizeidirektion Reutlingen dieses Mal vorgebeugt. Mehrere hundert Beamte sind seit der Nacht im Einsatz, um die Sicherheit der Teilnehmer des Parteitags zu gewährleisten.
Kurzes Gerangel mit einigen Blockierern
Vier Stunden später – das Thermometer zeigt immer noch Minus neun Grad – kann Kopps Kollege Josef Hönes eine erste, vorsichtig positive Bilanz des bisherigen Einsatzes ziehen. Zwei Mal haben die Kollegen den Versuch einiger Demonstranten unterbinden müssen, die Zugänge zur Stadthalle zu blockieren. Dabei ist es jeweils zu einem kurzen Gerangel gekommen. Außerdem sind gegen 10 Uhr aus dem Kreis der rund 300 linksautonomen Demonstranten vereinzelt Eier und Tomaten in Richtung Stadthalle geflogen. Bei der Festnahme der Werfer kommt es zu einer weiteren kleinen Auseinandersetzung. Auch eine Rauchbombe wurde gezündet. Schaden angerichtet hat sie nicht. „Natürlich kommt uns das Wetter entgegen“, sagt der Polizeisprecher. Die klirrende Kälte habe sicher einen Beitrag dazu geleistet, dass deutlich weniger Demonstranten nach Nürtingen gekommen sind als erwartet.
Eine geradezu ausgelassene, fröhliche Stimmung herrscht derweil bereits auf dem Schillerplatz. Hunderte Bürger sind dem Aufruf des Bündnisses „Nürtingen ist bunt“ gefolgt und sind dort zusammengekommen, um mit einer Vielzahl an Aktionen und Informationsständen Nürtingen als Stadt erlebbar zu machen, „in der es für angstbesetzte, ausgrenzende Parteipolitik und deren rechtslastigen Populismus keinen Platz gibt“: So steht es in der „Nürtinger Erklärung“, die die Initiatoren des Aktionsbündnisses am Dienstagabend bei dessen Gründung verabschiedet haben. Es gibt bunte Kekse, jede Menge kulturelle Beiträge, und um 11 Uhr eine Kundgebung, bei der die zahlreichen Redner deutlich Position gegen die AfD und deren Weltbild beziehen. Die Teilnehmer bleiben dabei ihrem Vorsatz treu, die Mitglieder der AfD nicht zu provozieren oder zu diskriminieren.
Händler des Wochenmarkts haben weniger Kundschaft
So bleibt es an diesem Morgen in Nürtingen erfreulich friedlich. Einzige Leidtragende sind wohl die Händler des Wochenmarkts. Deren Stände sind bei weitem nicht so umlagert wie an normalen Samstagen. Allerdings könnte auch das weniger mit dem AfD-Parteitag, als mit den wirklich eiskalten Temperaturen zu tun haben. Der Parteitag geht am Sonntag zu Ende.