Von Astrid Geisler
Zuerst war es ein einzelner Bereitschaftspolizist aus Sachsen, der unter Verdacht geraten war. Er soll mutmaßliche Rechtsterroristen der Gruppe Freital mit vertraulichen Informationen versorgt haben. Im Dezember standen plötzlich zwei Beamte im Fokus der Staatsanwaltschaft. Nun stellt sich heraus, dass schon drei Polizisten verdächtigt werden, Mitgliedern der Freitaler Terrorzelle Informationen zugespielt zu haben. Und vielleicht ist das immer noch nicht alles: Schon im Dezember haben sächsische Ermittler ein weiteres Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet.
Der Verdacht ist in allen Fällen der gleiche: Polizisten könnten Dienstgeheimnisse verraten haben und zwar an jene Neonazis, die 2015 die Kleinstadt Freital bei Dresden mit einer Serie von Anschlägen monatelang terrorisiert haben sollen. So ist es in der jüngsten Stellungnahme des sächsischen Innenministers Markus Ulbig für den Landtag in Dresden zu lesen. Sie liegt ZEIT ONLINE vor.
Der Fall der Freitaler Gruppe ist der erste, in dem der Generalbundesanwalt wegen Terrorverdachts gegen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte vorgeht. Die Bundesanwaltschaft hat sieben Männer und eine Frau wegen der Bildung einer rechten Terrorzelle und versuchten Mordes angeklagt. Der Prozess gegen sie soll am 7. März vor dem Oberlandesgericht Dresden beginnen.
Tipps aus der Bereitschaftspolizei
Schon vor mehr als einem Jahr hatten sächsische Ermittler erfahren, dass die Kontakte der rechtsextremen Freitaler Clique zur Polizei womöglich enger waren, als sie hätten sein dürfen. Im Dezember 2015 hatte Timo S., einer der Hauptbeschuldigten aus Freital, in einer Vernehmung erwähnt, sein mutmaßlicher Komplize Patrick F. habe Tipps aus der Bereitschaftspolizei bekommen.
Seither, so schreibt es Innenminister Ulbig in seiner Stellungnahme, bestand ein "Anfangsverdacht gegen Unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen". Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden habe deshalb "fortlaufend" ermittelt, versichert der Minister. Zu welchen konkreten Ergebnissen diese Arbeit führte, lässt er jedoch offen.
Fest steht: Ein Ermittlungsverfahren zu den Vorwürfen leitete die Staatsanwaltschaft Dresden erst vier Monate später ein, kurz nachdem eine Nebenklageanwältin eine Strafanzeige erstattet hatte. Bis Dezember 2016 ermittelte die Behörde dann gegen "Unbekannt" – obwohl der Hauptbeschuldigte Patrick F. den Vernehmungsbeamten schon im August 2016 den Namen seines Bekannten bei der Bereitschaftspolizei bestätigt hatte.
Die Ermittler, die den mutmaßlichen Rädelsführer der Terrorgruppe damals befragten, kamen aus Sachsen. Aber die Befragung fand im Auftrag des Generalbundesanwalts statt. Deshalb, so stellt es jedenfalls die sächsische Regierung dar, habe die zuständige Staatsanwaltschaft Dresden den Namen des Polizisten zunächst nicht erfahren. Das änderte sich erst, nachdem ZEIT ONLINE und der Spiegel über den Verdacht gegen einen Bereitschaftspolizisten berichtet hatten.
Seit Anfang Dezember 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden nun gegen den Bekannten des Angeklagten Patrick F., der Beamte der Bereitschaftspolizei wurde vom Dienst suspendiert.
Zweiter und dritter Beamter unter Verdacht
Wenige Tage später, am 13. Dezember, sagte Justizminister Sebastian Gemkow in einer Rede im Landtag überraschend, die Staatsanwaltschaft prüfe Verdachtsmomente gegen einen zweiten Polizeibeamten. Einen Monat später sind daraus nun drei Polizisten geworden.
Außerdem ist das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt hinzugekommen. Innenminister Ulbig teilte dem Landtag auf Nachfrage der Grünen-Fraktion dazu mit, es hätten sich aus einer Vernehmung eines der Angeklagten neue Anhaltspunkte für "eine mögliche Weitergabe von Informationen aus der sächsischen Polizei an mutmaßliche Mitglieder der Gruppe Freital" ergeben.
Zu spät vom BKA informiert?
Auch diese Befragung im Auftrag des Generalbundesanwalts liegt offenbar schon viele Monate zurück. Sie fand am 4. Mai 2016 statt, schreibt Ulbig. Das Bundeskriminalamt habe die Ermittler in Sachsen aber erst am 14. Dezember über diese Verdachtsmomente informiert – also genau einen Tag nach der Rede des Justizministers.
"Es stellt sich immer mehr die Frage, inwieweit sächsische Polizeibedienstete von den geplanten Straftaten wussten oder diese gar aktiv unterstützten", sagt der sächsische Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann. "Von der Weitergabe von Dienstgeheimnissen zu Unterstützungshandlungen für eine Terrorgruppe ist der Weg nicht weit."
Die Bundesanwaltschaft hat nach Angaben der sächsischen Landesregierung allerdings abgelehnt, selbst die Ermittlungen gegen die Polizisten zu übernehmen. Die Karlsruher Behörde ist nur für Terrorismusverfahren zuständig. Doch bisher hätten die Hinweise nicht ausgereicht, um einen Anfangsverdacht wegen Unterstützung der mutmaßlichen Terrorgruppe zu belegen.