Interview: „Radikalisierung läuft längst über die AfD“

Erstveröffentlicht: 
17.01.2017

Die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König über die Folgen des gescheiterten NPD-Verbots für den Kampf gegen Rechts.

 

Frau König, ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für NPD und die Neonazi-Szene ein Erfolg?

 
Die Neonazis in Thüringen und auf Bundesebene feiern das natürlich. Sie ärgern sich aber gleichzeitig über die Begründung, etwa darüber, dass eine ethnisch definierte ‚Volksgemeinschaft‘ als verfassungsfeindlich erachtet wird. Grundsätzlich: Für die NPD ist es ein kurzzeitiger Erfolg, der mittel- und langfristig nichts an der zunehmenden Bedeutungslosigkeit ändert.

 

Sie sind seit Jahrzehnten auch auf lokaler Ebene gegen Neonazis aktiv. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für Menschen, die sich ähnlich engagieren ganz konkret?

 
Für viele hatte sich mit einem NPD-Verbot die Hoffnung verbunden, dass es eine argumentative Grundlage liefern könnte – zum Beispiel im Fall von Kindergärtnerinnen, die in der NPD sind. Das Urteil vom Dienstag wird aber am Engagement der Leute vor Ort nichts ändern. Allerdings wird es weiterhin schwierig sein, der NPD etwa Räume zu entziehen, weil das Verbot zum zweiten Mal gescheitert ist.


Aber liefert die ausdrückliche Einstufung der NPD als verfassungsfeindlich nicht auch eine Hilfe für solche Auseinandersetzungen?

 
Das sind letztlich juristische Einzelfallentscheidungen. Man kann die Urteilsbegründung sicher heranziehen, das muss sich im konkreten Fall noch zeigen.

 

Sie sind selbst immer wieder Ziel von Drohungen: Im Verbotsantrag ging es auch um eine „Atmosphäre der Angst“, die von der NPD ausginge. Könnten nach dem Urteil jetzt weitere Hemmungen fallen?

 
Das klingt jetzt vielleicht hart, aber die Angsträume, die auch durch NPD-Vertreter mit erzeugt werden, wären durch ein Verbot nicht verschwunden. Dieser Atmosphäre der Angst muss gesellschaftlich entgegengewirkt werden, durch geschlossenen Agieren gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, die zunehmende Menschenfeindlichkeit. Da geht es nicht nur um die NPD.

 

Dennoch: Befürchten Sie, die NPD könnte jetzt auf noch radikalere Positionen setzen? Ein erneutes Verbotsverfahren droht ja erst einmal nicht.

 
Es gab in den letzten Jahren eine Strategie der Zurückhaltung in der Öffentlichkeit. Während das Verbotsverfahren lief, wurde etwa intern ausgegeben, sich nicht öffentlich mit Straftätern zu solidarisieren – zum Beispiel mit dem ehemaligen NPD-Kader Ralf Wohlleben, der im NSU-Prozess angeklagt ist. Diese Zurückhaltung werden sie jetzt wieder aufgeben und sicher wieder stärker ihre Positionen in die Öffentlichkeit tragen. Aber gesellschaftlich ist das nicht das Problem.

 

Wie meinen Sie das?

 
Die Radikalisierung in der Gesellschaft ist längst da und läuft nicht in erster Linie über die NPD, sondern über die AfD. In Thüringen werden Björn Höcke und seine Partei von den Neonazis auf den Straßen als parlamentarischer Arm bezeichnet. Die AfD hat längst Teilpositionen der NPD übernommen, zumindest in Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel ist das erwähnte Konzept der ethnischen reinen ‚Volksgemeinschaft‘, da braucht man sich nur die Reden von Herrn Höcke anzuhören.

 

Was heißt das für zukünftiges Engagement gegen Rechts?

 
Weitermachen. Es gilt, weitere Partner zu gewinnen, die sich klar bekennen und ihren Blick nicht nur eindimensional auf die NPD richten, sondern auch sehen, welche Rolle die AfD inzwischen spielt. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts muss unterstützt werden, durch entsprechende Fonds der Landesregierungen, auf Justiz-Ebene und von der Polizei, die repressive Maßnahmen umsetzen muss, dort wo sie den Zugriff hat.