Spiegel: Bundeswehr will alle tauglich Gemusterten einziehen

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Erstveröffentlicht: 
29.03.2009

Die Zahl der jungen Männer sinkt - deshalb fürchtet Verteidigungsminister Jung den Streit um die Wehrgerechtigkeit nicht: In den kommenden Jahren plant er, alle tauglich Gemusterten zur Bundeswehr einzuziehen.

 

Berlin - Er fürchtet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sieht für die Zukunft keine Probleme bei der Einberufungspraxis von Wehrpflichtigen. In den nächsten Jahren werde die Bundeswehr alle tauglich gemusterten Wehrpflichtigen einziehen, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk.

 

Als Grund nannte Jung die sinkende Zahl der jungen Männer. In den vergangenen drei Jahren habe sich die Zahl der 18-jährigen Männer allein in den neuen Ländern von 100.000 auf 50.000 halbiert. In den kommenden Jahren müsse die Quote von derzeit 79,1 Prozent der Wehrpflichtigen, die Dienst in der Bundeswehr leisten, erhöht werden.

 

"Bundeswehr braucht sehr gute, taugliche Soldaten"

 

Die untauglich Gemusterten könnten bei der Betrachtung der Wehrgerechtigkeit keine Rolle spielen, sagte der CDU-Politiker. Vor allem in den Einsätzen brauche die Bundeswehr sehr gute, taugliche Soldaten. Deswegen könnten bei einem weiteren Rückgang der Jahrgangsstärken die Tauglichkeitskriterien auch nicht verschärft werden.

 

Hintergrund ist eine Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts, dass die derzeitige Einberufungspraxis zum Wehrdienst als verfassungswidrig eingestuft hat. In zwei Fällen setzte das Gericht deshalb die Einberufung von jungen Männern zum Grundwehrdienst aus, weil der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt sei. Es werde nicht mehr "umfassend und gleichmäßig" eingezogen. Das Kölner Gericht legte die Fälle dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor, das nun prüfen soll, ob die Praxis mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Seit Jahren gibt es immer wieder heftige Diskussionen um die Wehrpflicht - vor allem über Gerechtigkeit oder Willkür in der Musterungs- und Einberufungspraxis. So wirft ein Verein von Kriegsdienstverweigerern dem Verteidigungsministerium vor, dass die Kreiswehrersatzämter mit zweierlei Maß messen - und Verweigerer viel häufiger als tauglich einstufen als andere junge Männer.

 

Das Bundesverteidigungsministerium widerspricht dem Willkür-Vorwurf stets. Dass inzwischen nur noch jeder zweite junge Deutsche als tauglich gemustert wird, erklärt Staatssekretär Christian Schmidt mit "gesundheitlichen Faktoren, Adipositas zum Beispiel, also Fettleibigkeit".

 

Allerdings ist auch klar: Es entspricht dem politischen Willen, dass immer weniger Grundwehrdienstleistende einberufen werden. Für 2010 sehen die Planungen der Bundeswehr eine Personalstärke von rund 250.000 Soldaten vor, zu Zeiten des Kalten Krieges waren es rund eine halbe Million. FDP und Grüne fordern daher die Abschaffung der Wehrpflicht. Die SPD will grundsätzlich an ihr festhalten, nach einem Parteitagsbeschluss aber dennoch nur noch Freiwillige einziehen.