Es ist wieder soweit. Gut einen Monat nach ihrer letzten Zusammenkunft und etwa zwei Jahre nach der ersten Demonstration hat der Legida e.V. nun für Montag erneut eine Kundgebung mit anschließendem Aufzug angemeldet. Zwei Jahre lang und etwa vierzig Mal bot die Bewegung ihre rassistischen Parolen als Montagabendprogramm dar. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Zum ersten Mal in Erscheinung trat Legida Ende 2014, als der damalige Kopf der Bewegung, Silvio Rösler, bekanntgab, man wolle die Dresdner »Abendspaziergänge« nun auch in Leipzig machen. Und während an deutschen Küchentischen noch diskutiert wurde, ob Pegida denn nun rechts sei oder nicht einfach eine Bewegung der besorgten Bürger, veröffentlichte Legida schonmal vorab ein Positionspapier. Schnell war klar: Mit Legida bekommt Leipzig seinen ganz eigenen Naziaufmarsch.
Zaunlatten und Hitlergruß
Am 12. Januar 2015 war es dann soweit: Legida marschierte Deutschlandfahnen schwenkend durch das Leipziger Waldstraßenviertel. Rund 2500 Demonstranten brüllten ihre Parolen von »Wir sind das Volk« über »Lügenpresse« hin zu »Merkel muss weg« und »wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen« den etwa 30.000 Gegendemonstranten entgegen. Die Polizei schleuste Legida durch den Gegenprotest, räumte mehrere Sitzblockaden. Das ganze Spiel wiederholte sich dann nahezu wöchentlich, wenn auch mit wechselnden Routen und in unterschiedlicher Absurdität. Während Legida über den Innenstadtring marschierte, rödelte auf dem Augustusplatz die Gulaschkanone, wurden Journalisten zu Boden getreten, griffen Demonstrationsteilnehmer Gegendemonstranten mit Zaunlatten an, skandierten bekannte Neonazis den Hitlergruß. All das geschah unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Angriff auf Connewitz
Die Teilnehmerzahlen bei Legida flauten zum Frühjahr 2015 rapide ab und bewegten sich das gesamte Jahr zwischen 300 und 700. Und auch die anfänglichen Ambitionen was Berichterstattung und Gegenproteste angeht sanken allmählich, denn die montägliche Posse rund um Rassisten, Neonazis und Aluhutträger war vor allem eines: Zeitverschwendung. Bis zum ersten Jahrestag.
Denn der 11. Januar 2016 kam mit einem großen Knall. Während Legida in der Innenstadt die üblichen Reden und Parolen abspulte, griffen etwa 250 Rechte den linksalternativen Stadtteil Connewitz an, schmissen Scheiben ein und verwüsteten ganze Straßenzüge. Plötzlich war klar: Auch wenn Legida sich durch interne Querelen und mangelnde Teilnehmerzahl immer mehr selbst ins Aus schießt, das Problem, dass von einer rechten Bewegung ausgeht, ist real.
Ohne Pegida und Bachmann
In Folge des Angriffs kochten die Debatten rund um Legida in den letzten Monaten wieder hoch. Einen Aufwind erfuhr die Bewegung jedoch nicht. Auch die ursprünglich noch freundschaftlich Geprägte Unterstützung durch Pegida ist schon lange gebrochen, nachdem an besagtem Januarabend 2015 zwei Mitglieder der Neonazi-Band »Kategorie C« bei Legida auftraten. Das scheint jedoch noch nicht bei allen Legida-Initiatoren angekommen zu sein, denn für Montag lud man sich Pegida-Guru Lutz Bachmann ein. Blöd nur, dass Pegida an jenem Abend selbst zu einem »Abendspaziergang« in Dresden aufruft, um das »Jahr der Entscheidung« zu beginnen.
Inzwischen ist Legida, die sich mittlerweile zum Bündnis »Festung Europa« um die frühere Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling und Kompagnon Edwin Wagensveld zählt, kaum mehr als ein trauriger Haufen Übriggebliebener. Nur rund 150 treue Seelen nahmen an der letzten Kundgebung Anfang Dezember teil. Die Augen vor diesen verschließen sollte man jedoch trotzdem nicht. Denn auch letztes Jahr machte unter anderem die Leipziger Polizei den Fehler, der Bewegung kaum noch eine Relevanz zuzuschreiben, woraufhin der unerwartete Angriff erst geschehen konnte.
»Selbstbeschäftigungstherapie« und Porno-Drohung
Nicht zuletzt deshalb hat sich für kommenden Montag breiter Gegenprotest angekündigt. Bündnisse aus Zivilgesellschaft, Kirche und radikaler Linken haben an verschiedenen Ordnen Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet. Nur die CDU will wieder nicht. Den Gegenprotest hält man dort für »Selbstbeschäftigungstherapie«. Die Mobilisierung gegen die »Gesinnungsdiktatur« bei Legida selbst läuft derweil eher schleppend, nur rund 35 Zusagen hat die entsprechende Veranstaltung auf Facebook bislang. Stattdessen macht die Legida-Unterstützerin Tatjana Festerling Schlagzeilen auf Dschungelcampniveau. Kürzlich beschuldigte Lutz Bachmann sie, sie betreibe ein Fake-Profil von ihm und stelle so falsche Inhalte über ihn ins Netz. Nun droht er damit, einen Porno von ihr hochzuladen, falls sie dieses Profil nicht offline nimmt.
Eigentlich ein weiterer Grund, sich zu fragen: Kann man die eigentlich noch Ernst nehmen? Und auch wenn vieles dagegenspricht, bleibt die Antwort doch: Man muss. Denn trotz all dem Kopfschütteln kann man die ständige Präsenz einer rechten Bewegung, die die Stadt seit zwei Jahren begleitet, nicht unkommentiert lassen.
Infos zu Gegenprotesten:
- Aufzug „Die Rechten zu Boden – Rechte Netzwerke zerschlagen – Für einen konsequenten Antifaschismus“: Wolfgang-Heinze-Straße → Karl-Liebknecht-Straße → Peterssteinweg → Wil- helm-Leuschner-Platz → oberer Martin-Luther-Ring → Petersstraße → Markt → Katharinen- straße → Brühl → Richard-Wagner-Platz, 17:30 bis 20 Uhr
- Aufzug „2017: Demokratisch. Gerecht. Vielfältig. Gesellschaft gestalten, statt Ängste verbreiten“: Nikolaikirchhof → Schuhmachergäßchen → Reichsstraße → Grimmaische Straße → Thomasgasse → Thomaskirchhof → Gottschedstraße → Käthe-Kollwitz-Straße, 18 bis 21 Uhr
- Aufzug „#Blockruf heißt Platz nehmen – Geschichte darf sich nicht wiederholen“: Augustusplatz → Georgiring → Willy-Brandt-Platz → Tröndlinring → Goerdelerring → Käthe- Kollwitz-Straße → Friedrich-Ebert-Straße → Waldplatz, 18 bis 22 Uhr
- Kundgebung „#Blockruf heißt Platz nehmen – Geschichte darf sich nicht wiederholen“: Haupt- bahnhof Westseite, 18:00 Uhr bis 22 Uhr
- Mahnwache „Stolpersteine putzen“: Feuerbachstraße 17a, 19:15 bis 22 Uhr
SARAH ULRICH