Brandenburgs Regierungskoalition will mehr Personal für den Geheimdienst – allerdings auf Umwegen. Innenminister Karl-Heinz Schröter reagiert zurückhaltend.
von Alexander Fröhlich
Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition im Landtag will wegen der wachsenden Bedrohung durch Islamisten und anhaltende Gefahren von Rechts- und Linksextremisten die Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium aufstocken – allerdings über Umwege. Von den im kürzlich verabschiedeten Doppelhaushalt 2017/18 festgelegten Zuwachs auf 8250 Stellen für die Polizei soll nach den Überlegungen der rot-roten Koalition ein Teil der Posten – möglich wären 30 – ins Innenressort verschoben werden. Dort soll nach PNN-Informationen die Verfassungsschutzabteilung um eine zweistellige Zahl von Stellen aufgestockt werden.
Bislang hatte es die rot-rote Koalition vermieden, diese nach dem Haushaltsrecht nicht einfache Stellenverschiebung offen zu kommunizieren. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und SPD-Fraktionschef Mike Bischoff hatten zwar wiederholt erklärt, das der Verfassungsschutz personell besser aufgestellt werden müsse. Allerdings hatten sie während der Haushaltsberatungen nur angedeutet, dass es mit dem neuen Etat möglich sein werde, „den Verfassungsschutz durch Personalumsetzung zu stärken“. Grund für diese zurückhaltenden Äußerungen war die Suche nach einer für die Linke gesichtswahrenden Lösung. Denn deren Programm ist die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Allerdings zeigte sich die Fraktionsspitze der Linke auch pragmatisch und wollte einer Verstärkung des Geheimdienstes angesichts der Bedrohungslage aber nicht im Wege stehen.
Die Umsetzung bleibt offen
Ob Schröter die mit ihm im Landtag verabredeten Personalverschiebungen auch umsetzt, bleibt allerdings offen. Ein Ministeriumssprecher sagte den PNN, es würden weiterhin „Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit“ gelten. Im Klartext heißt das: Alle neuen Stellen bei der Polizei müssten auch für die Polizei eingesetzt und dürften nicht zum Innenministerium verschoben werden. Klar festgelegt im Haushalt ist für den Verfassungsschutz nur, dass der ursprünglich geplante Wegfall von zehn Stellen gestrichen worden ist. Damit ist der Personalabbau offiziell bislang nur gestoppt, aber nicht rückgängig gemacht worden.
Vor der finalen Entscheidung des Landtags hatte der Verfassungsschutzchef Carlo Weber den Druck auf die Koalition erhöht. In einem bundesweit einmaligen Vorgang hatte Weber in einem Interview davor gewarnt, dass der Verfassungsschutz im Land wegen Personalmangel, mehr Aufgaben und wachsender Bedrohung faktisch kaum noch handlungsfähig und nur bedingt einsatzbereit ist. Weber bezeichnete den Zustand der Abteilung im Innenministerium als prekär, einzelne Bereich würden inzwischen „ganz blank ziehen“. Um gegenzusteuern hatte Weber gefordert, das Personal müsse um ein Drittel aufgestockt werden. Statt der aktuell 90 Mitarbeiter seien 125 nötig, um auf die aktuelle Sicherheitslage zu reagieren.
Weber bestätigte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Deutschen Presseagentur (dpa) die zunehmende Bedrohung durch Islamisten. Wie die PNN bereits berichtet hatte, hat der Verfassungsschutz aktuell etwa 100 Islamisten im Land im Visier. Die Hälfte davon gilt als gewaltbereit. 2014 waren es noch 40 Islamisten in Brandenburg, im vergangenen Jahr 70. Zudem sind es aktuell nicht mehr nur wie in den Vorjahren Tschetschenen, die der Terrormiliz IS nahestehen. Weber sagte: „Während wir in den Vorjahren fast zu 100 Prozent Personen aus kaukasischen Ländern darunter hatten, sind es jetzt durch die Flüchtlinge auch einige Syrer, von denen uns Kontakte zum IS gemeldet werden.“ Laut Weber gibt es einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden abstrakten Terrorgefahren durch Islamisten mit der militärischen Zurückdrängung des IS in Syrien und im Irak – dann werde verstärkt auf Terror gesetzt, „gegen den sich keine Armee wehren kann“. Probleme gibt es auch bei Rechtsextremisten. „80 Prozent der ermittelten rechten Gewalttäter bundesweit hatten wir noch nicht auf dem Schirm, weder Staats- noch Verfassungsschutz“, sagte Weber. „Das gibt uns das besorgniserregende Gefühl: Der Radar ist unvollständig.“