250 Studierende der Uni Freiburg haben das Audimax am Mittwoch besetzt. Sie protestieren gegen die Wiedereinführung von Studiengebühren. Am Morgen danach sind noch 100 vor Ort.
Offiziell sollte es nur der letzte feststehende Punkt auf der
Tagesordnung der Studentischen Vollversammlung sein. Rund 474
Studierende nahmen an dieser teil. Gegen 21 Uhr erklärte dann einer der
letzten Redner das Audimax unter tosendem Applaus für besetzt. Rund 250
Studierende blieben. Sie fordern, den Raum bis Freitagabend ungestört
nutzen zu können. Außerdem wollen sie, dass sich die Security zurückhält
und keine Taschenkontrollen durchführt.
Matthias Schenek, Kanzler der Albert-Ludwigs-Universität, forderte die
Studierenden auf, den Raum zu räumen. Um 22.30 Uhr trat er ans Pult und
sprach ein Hausverbot bis Freitagabend aus. Weiter drohte er den
Anwesenden mit rechtlichen Schritten. Gegenüber der BZ wollte Schenek
sich nicht zu der Besetzung äußern.
Schon zu Beginn der Vollversammlung waren einige Studierenden durch
große Trekking-Rucksäcke und bunte Isomatten aufgefallen, als sie sich,
einen Schlafsack unterm Arm, ihren Weg durch die Sitzreihen bahnten.
Eigenen Angaben zufolge haben sie Verpflegung bis Donnerstagabend dabei.
Am Donnerstagvormittag befinden sich immer noch etwa 100 Studierende im
Audimax. Es gibt ein offenes Plenum. Vorlesungen fielen aus. Die
sogenannte Besetzung soll bis Freitagabend andauern.
Ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne)
reagierte laut der Nachrichtenagentur dpa mit Unverständnis. "Wir
erwarten, dass sich Studierende mit ihren Argumenten einmischen - das
ist völlig legitim und erwünscht. Und daran hindert sie auch niemand.
Deshalb bedarf es auch keiner Besetzung."
Die Polizei wisse von der Besetzung, so Polizeisprecher Frank Fanz. "Im Moment sind aber noch keine Maßnahmen zu treffen."
Studierende, die nicht aus der EU kommen, sollen ab dem Wintersemester
2017/18 Studiengebühren bezahlen. Deren Höhe ist noch nicht bekannt, es
sollen wohl 1500 Euro pro Semester sein – ein Fünftel davon soll direkt
an die Hochschulen gehen. Aktuell wären von dieser Regelung an
Freiburger Hochschulen rund 2900 Studierende betroffen.
Auch soll ein Zweitstudiumin Baden-Württemberg in Zukunft wieder Geld
kosten – es geht wohl um 650 Euro pro Semester. Das Land will zudem den
Semesterbeitrag, den alle Studierenden bezahlen müssen, um jeweils 10
Euro erhöhen.
Der Vorstoß kommt jetzt von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer
(Grüne). Das Land wolle so den auf den Wissenschaft- und Kunstbereich
entfallenden Konsolidierungsbedarf von 48 Millionen Euro ausgleichen.
Ein Gutachten habe bereits ergeben, dass Studiengebühren für
Nicht-EU-Bürger zulässig seien, hieß es in einer Stellungnahme der
Landesrektorenkonferenz. "Studierende, die von außerhalb der EU nach
Baden-Württemberg kommen, hier eine exzellente Ausbildung genießen und
dabei das Hochschulsystem ihres Herkunftslandes entlasten, sollten sich
an der Finanzierung ihres Studienplatzes beteiligen – und mehr als einen
Beitrag sehen die Planungen nicht vor", sagte Hans-Jochen Schiewer,
Rektor der Uni Freiburg.
Rund 400 Freiburger demonstrierten Ende November gegen die Pläne der
Landesregierung. "Bildungsgerechtigkeit ist ein unglaublich hohes Gut",
sagte etwa Leon Grünig, Vorstand der Studierendenvertretung der Uni.
Auch bei der Vollversammlung schimpften die Studierenden über das
Vorhaben – eine Studentin sprach von Diskriminierung. Eine andere sagte:
"Die Relevanz eines Themas macht sich nicht daran fest, wie viele Leute
es betrifft – da werden Leute benachteiligt!"
Entwarnung Leute, hier brennt nichts! Ich höre auch keine Feuerwehrsirenen #freiburgbrennt
— Sara (@sarrizzlle) 15. Dezember 2016
Ein weiterer Redner wies darauf hin, nach Deutschland kämen nicht nur
"die Eliten" – wie in der Debatte oft behauptet – sondern auch viele
Menschen aus der Mittelschicht. Seine Schlussfolgerung: "Es ist Zeit,
endlich Reparationen zu bezahlen für den Kolonialismus!"
Am Ende entschied die Vollversammlung mit großer Mehrheit, sich gegen
die Wiedereinführung von Studiengebühren auszusprechen – und auch gegen
die Erhöhung des Semesterbeitrags.
Die Situation im Kollegiengebäude II am Mittwochabend erinnert an den
November 2009. Auch damals hatten Studierende – insgesamt waren es rund
400 – nach einer Vollversammlung das Audimax besetzt. Sie folgten dem
Beispiel anderer Städte. Erst nach dreieinhalb Wochen gaben sie das
Audimax wieder frei.
Ein Hauptgrund für die Besetzung waren zuvor vom Land eingeführten
Studiengebühren. Jeder Studierende musste 500 Euro pro Semester
bezahlen. "Freiburg brennt", lautete das Motto.
Auch am Mittwochabend rief ein Student durch den Saal: "Verbreitet die Nachricht – twittert unter dem Hashtag #freiburgbrennt!"
#freiburgbrennt weiter! Wir wissen, dass es fast noch Nacht ist für die meisten Studierenden, aber kommt trotzdem vorbei. Wir haben Kaffee!
— Marisa (@Marai7Marisa) 15. Dezember 2016