Richter kritisiert Türkei in PKK-Prozess

Ein Richter in Hamburg spricht ein mildes Urteil gegen einen kurdischen Funktionär, obwohl er Mitglied in einer terroristischen Vereinigung ist. Die Begründung: Auch die Türkei unterstützt den Terror.

Erstmals hat der Staatsschutzsenat am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg einen PKK-Funktionär zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der frühere Leiter der kurdischen Arbeiterpartei im Gebiet Bremen erhielt am Freitag ein Jahr und neun Monate. Den Haftbefehl hob das Gericht auf. Die mehr als 70 Zuschauer im Saal, darunter zahlreiche Unterstützer, applaudierten im Stehen, als klar war, dass der PKK-Mann auf freien Fuß kommt.

In drei ähnlichen Fällen hatte der Staatsschutzsenat PKK-Kader zuvor zu zweieinhalb beziehungsweise jeweils drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. 2011 hatte das Bundesjustizministerium grundsätzlich erlaubt, PKK-Funktionäre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafrechtlich zu verfolgen.

Im nun entschiedenen Fall habe der 60 Jahre alte Verurteilte von August 2014 bis März 2015 für die PKK das Gebiet Bremen unter dem Decknamen „Besir“ geleitet, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Rühle. Er habe Spendensammlungen und Propagandaveranstaltungen organisiert und an Kadertreffen teilgenommen. Damit habe sich der Angeklagte der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig gemacht.

Jesidische Herkunft wirkt sich positiv ausDie PKK versuche ihre Ziele in der Türkei mit Mord und Totschlag durchzusetzen. Sie könne sich nicht auf einen Kombattantenstatus berufen, der ihr das Recht zum Töten geben würde. Das sei bereits höchstrichterlich geklärt worden, sagte der Richter.

Zugunsten des Mannes wertete das Gericht sein weitgehendes Geständnis und seine jesidische Herkunft, wegen der er in der Türkei besonderer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Der Senat erkannte auch an, dass die PKK seit 2013 in der nordsyrischen Stadt Kobane gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfe. Der IS habe 2014 einen Völkermord an den Jesiden in Syrien und im Nordirak verübt. Die PKK habe geholfen, Jesiden im Sindschar-Gebirge vor der Ermordung durch den IS zu retten.

Das Gericht unterstellte als wahr, dass die Türkei in der Zeit von 2011 bis 2014 den IS und al-Qaida unterstützte. Mitglieder der Terrororganisationen seien unentgeltlich in türkischen Krankenhäusern behandelt worden. Außerdem habe die Regierung in Ankara zugelassen, dass Kämpfer in das Konfliktgebiet eingeschleust wurden. Die Menschenrechte würden in der Türkei verletzt, kurdische Dörfer zerstört, in Gefängnissen werde systematisch gefoltert. Es gebe außergerichtliche Hinrichtungen. Das alles gehöre dazu, wenn man der Situation des Angeklagten gerecht werden wolle, sagte Rühle.

„Wir respektieren Ihren Lebensweg“

Vom Vorwurf der versuchten Nötigung wurde der 60-Jährige freigesprochen. Es habe zwar einen Konflikt zwischen dem Angeklagten und einem Vater gegeben, dessen 21-jährige Tochter gegen den Willen der Eltern als Kämpferin für die PKK rekrutiert worden war. Bei einem Treffen soll der Angeklagte dem Vater mit einer Pistole gedroht und gesagt haben: „Wenn du zur Polizei gehst, dann weißt du, was kommen wird!“ Der Vater zeigte den PKK-Funktionär dennoch an. Im Prozess habe er aber die Aussage verweigert. Darum sei nicht sicher, ob der Angeklagte tatsächlich eine versuchte Nötigung begangen habe.

Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte sich für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ausgesprochen. Der Richter ermahnte den Angeklagten: „Wir respektieren Ihren Lebensweg und Ihre politische Überzeugung (...), aber wir gehen davon aus, dass Sie nicht wieder Funktionen für die PKK übernehmen.“ Er sei nun ein freier Mann, sagte Rühle und überreichte ihm Pass und Handy.