Der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags beschäftigt sich mit der rechten Musikszene im Schwäbischen. Auf der Suche nach Spuren von Zschäpe und Co.
Es sind Botschaften voller Hass. „Wir kehren Euch wie den Dreck der Straße aus der Geschichte weg“, grölt Achim Schmid ins Mikrofon. „Die Sau ist tot, wir sind befreit“, heißt es in einem Lied, das den Tod des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, kommentiert.
Was die schwäbische Band „Celtic Moon“ in den 1990er Jahren auf eine CD presste, ist auch fast 20 Jahre später kaum zu ertragen. Und doch sind es genau diese Abgründe, mit denen sich die Parlamentarier des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag beschäftigen werden.
Netzwerke militanter Neonazis
Am Montag sollen Sachverständige den Abgeordneten einen Überblick über die rechtsextreme Szene und ihre Musik verschaffen. Im Fokus stehen dabei die 1990er Jahre. Jene Zeit, in der sich die Jenaer Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisierten und sich über Landesgrenzen hinweg die Netzwerke militanter Neonazis bildeten.
Welche Köpfe dahinter steckten, wird die Ausschussmitglieder besonders interessieren. Erst Anfang November hatte der Vorsitzende Wolfgang Drexler anlässlich des fünften Jahrestages des Auffliegens des NSU betont, wie schwierig sich die Suche nach Unterstützern des „Trios“ gestalte. Gleichzeitig „liege es auf der Hand“, dass Mundlos und Böhnhardt über Hinweisgeber oder Kontakte verfügten, als sie im April 2007 zum Morden auf die Heilbronner Theresienwiese kamen. Dort schossen sie – darin sind sich der Untersuchungsausschuss und die Bundesanwaltschaft einig – auf die Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen.
Anlehnung an den britischen Skinhead-Kult
Tatsächlich tappen die Aufklärer im Landtag bisher im Dunkeln. Kein Wunder, dass sie sich jetzt der braunen Musikszene annehmen. Viel stärker als heute gruppierten sich Neonazis in den 1990er Jahren um die Bands mit der harten Gitarrenmusik, die den britischen Skinhead-Kult adaptierten. Eine der erfolgreichsten Combos ist auf einer unveröffentlichten Version eines NSU-Bekennervideos zu hören. „Wir sind am Puls der Zeit“, singen die Stuttgarter „Noien Werte“, während Fotos von Opfern der rassistischen Mordserie über den Bildschirm flimmern.
Der „Noie Werte“-Gitarrist Andreas G. räumte im Februar 2015 vor dem Münchner Oberlandesgericht ein, Zschäpe „flüchtig“ gekannt zu haben. Auch bei „Celtic Moon“ spielten Personen, mit denen sich der Ausschuss noch befassen wird. Sänger Achim Schmid versorgte als V-Mann den Verfassungsschutz mit Informationen.
Nötigung und Körperverletzung
Mit seinen Musik-Projekten „Höllenhunde“ und „Wolfsrudel“ tingelte er bundesweit durch Rechtsrock-Partys und NPD-Veranstaltungen. Später wandte sich Schmid dem Ku Klux Klan zu, in dem auch sein „Celtic Moon“-Kollege Holger W. aus Gschwend Mitglied wurde.
Die Polizei kennt „Tweety“, wie seine Kameraden den heute 45-jährigen W. nennen, als gewaltbereiten Neonazi. Zwölf Mal landete er in den Straftäter-Dateien der Behörden, unter anderem wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung. „Tweety“ soll auch dabei gewesen sein, als Chemnitzer Skinheads aus dem engen Umfeld von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in den 1990er Jahren zum Feiern ins Ländle kamen. Damals hielt W. allerdings bei einer anderen Band die Gitarre in der Hand: „Triebtäter“ genießen bis heute Kult-Status in der Szene.
Geheimtipp in Heilbronn
Sie orientierten sich früh am internationalen Netzwerk „Blood & Honour“ und gehörten zum Umfeld der Stuttgarter Skinheadgruppe „Kreuzritter für Deutschland“. Die Kontakte der Band dürften für die NSU-Rechercheure des Landtags von besonderem Interesse sein. So grüßten „Triebtäter“ im Szene-Blatt „United Skins“ den Herausgeber Carsten Szczepanski, der als V-Mann „Piatto“ für den brandenburgischen Geheimdienst spitzelte. Ausgerechnet ihn soll der mutmaßliche NSU-Unterstützer Jan W. 1998 nach Waffen gefragt haben. Nach Informationen unserer Zeitung fanden BKA-Ermittler 2012 im Handy von Jan W. auch die Telefonnummer von „Tweety“. Die Musiker von „Triebtäter“ schwärmten außerdem vom Skinhead-Treff „Bayernkeller“ in Heilbronn: „Das ist ein Geheimtipp. Dort treffen sich die meisten Skins aus allen Regionen“.