Die Nachbarn haben Sympathie für die jungen Leute

Erstveröffentlicht: 
28.04.2010

Im Südwesten

Die Nachbarn haben Sympathie für die jungen Leute

Freiburg Autonome besetzen ein Haus in der Innenstadt und wollen es als "unkommerziellen Treffpunkt" nutzen. Von Heinz Siebold


Freiburg ist anders - dort gibt es sogar wieder einmal eine Hausbesetzung. Am Freitag vergangener Woche besetzten rund 80 junge Leute aus der linksradikalen Szene ein Haus in der innenstadtnahen Gartenstraße, nahe dem Dreisamflüsschen. Der einstöckige Schlichtbau stand seit einigen Jahren leer, vorher war darin ein Secondhandladen, davor ein Lebensmittelgeschäft untergebracht. Die Besetzer haben das Objekt nach ihren Aussagen im Rahmen einer "Freiraum-Kampagne" besetzt, mit der sie auf Wohnungsleerstand bei gleichzeitiger Wohnraumnot aufmerksam machen wollen. Allerdings ist das besetzte Objekt nicht als Wohnraum vorgesehen, es soll als "unkommerzieller und solidarischer Treffpunkt" genutzt werden.

Eine Sprecherin der "Freiraum-Kampagne" begründete den Zweck der Aktion so: "Hunderte Häuser stehen leer, die Mieten steigen stetig und eine Umstrukturierung der Stadt zugunsten des Kapitalismus ist allgegenwärtig." Der Zeitpunkt und das Objekt für die Besetzung waren gut gewählt, denn in der Endphase des OB-Wahlkampfes hätte eine Räumung unschöne Schlagzeilen gemacht. Zumal die besetzte Hütte nur einen Pflastersteinwurf vom unvergessenen "Dreisameck" entfernt ist, dem Häuserkomplex, der vor seinem Abriss im Jahr 1980 besetzt und mit einem Polizeiaufgebot geräumt wurde, das Freiburg zeitweise den Titel "Polizeiburg" eingetragen hatte.

Für das jetzt besetzte Häuschen liegt noch kein Räumungsantrag vor. Es gehört einer Erbengemeinschaft, von der es gerüchteweise heißt, sie sei sich uneins über die Verwertung der Immobilie. Zu dem Gebäude gehört nämlich noch ein Hinterhof, und dieses innerstädtische Filetstück könnte ordentlich versilbert werden.

Ein erster Versuch, das leicht morbide Haus abzureißen und an seiner Stelle einen Neubau zu errichten, scheiterte. Ein 2004 eingereichter Abriss- und Bauantrag ist vom Baurechtsamt der Stadt Freiburg abgelehnt worden, weil der Abstand zum Nachbarhaus zu gering geplant war. Das war beim Presseamt der Stadt zu erfahren. Der Ablehnungsbescheid wurde angefochten, aber vom Verwaltungsgericht im Januar dieses Jahres bestätigt. Wegen der Neubaupläne treffen die jungen Hausbesetzer bei den alteingesessenen Bewohnern der Gartenstraße auf eine gewisse Sympathie, weil ein klotziger Neubau den Charme der alten Wohnstraße verändern würde.