Während des spanischen Bürgerkrieges griffen zahlreiche Menschen aus der Region zu den Waffen, um die Republik zu verteidigen - Nach Francos Sieg wurden sie verfolgt - Von Brigitte und Gerhard Brändle
Als im Sommer vor 80 Jahren in Spanien Militärs unter General Franco gegen die demokratisch gewählte Regierung putschen, machen sich "Spanienkämpfer" aus Deutschland auf den Weg - auch aus Baden und aus Heidelberg. Die einen sitzen in Maschinen der Luftwaffe oder auf Dampfern wie der "Usamaro" - in Zivil und getarnt als "Union Reisegesellschaft". Die anderen - oft schon aus ihrer Heimat vertrieben oder geflohen - kommen auf Bergpfaden über die Pyrenäen, als "Urlauber" mit dem Zug von Paris über Perpignan nach Barcelona, auf Fähren von Marseille über Mallorca ans Festland. Die einen sind Wehrmachtssoldaten mit Sold, Frontzulage und Vorab-Beförderung, die anderen sind meist Arbeiter, Nazi-Gegner aus verschiedenen Parteien, ab 1933 oft in "Schutzhaft" im KZ Kislau.
Flucht vor den Nazis ...
Aus Karlsruhe kommt ein adliger Luft-Terrorist der Nazi-Söldner-Truppe "Legion Condor", der am 26. April 1937 den Tod auf Guernica warf. Ein anderer Bomberpilot stammt aus Mannheim. Die Fregatte "Karlsruhe" kreuzt vor der spanischen Küste, angeblich zum Schutz der dort lebenden Deutschen, tatsächlich aber als Teil der Seeblockade, um Lieferungen für die rechtmäßige Regierung Spaniens zu verhindern. Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik Karlsruhe, konkret das Zweigwerk Lübeck, liefert ab 1936 Patronen für die "Legion Condor".
Die meisten Namen der Verteidiger der spanischen Republik aus Heidelberg fehlen in ihrer Stadt, nur zwei von acht sind erwähnt: Matthias Hoffmann und Alfons Müller. Beide sind Kommunisten und kennen sich aus der Weinstube "Bodega" in der Hauptstraße 184, dem Treff der 1933 verbotenen KPD. Hoffmann, von Beruf Maler, Gewerkschaftsmitglied und Betriebsrat, wird 1933/34 mehrfach in "Schutzhaft" genommen und im gerade eingerichteten Konzentrationslager Kislau für sieben Monate eingesperrt. Alfons Müller, vor seiner Entlassung 1933 Laborant an einer Heidelberger Klinik, dann Wirt der Weinstube "Bodega", sitzt im August 1933 ebenfalls in "Schutzhaft". 1935 bringen die Anti-Nazis in Heidelberg ein Flugblatt gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Umlauf. Im Oktober 1936 warnt Hoffmanns Vermieterin ihn vor der Gestapo-Überwachung, er flieht mit Alfons Müller nach Straßburg. Von dort geht nach Paris und dann mit dem Nachtzug über Perpignan nach Alicante. Hoffmann kämpft im "Tschapajew-Bataillon", dann im "Bataillon Edgar André" der Internationalen Brigaden, Müller kämpft erst im "Bataillon Edgar André" und dann in der "Columna Durruti" der Anarcho-Syndikalisten. Hoffmann überlebt die Lager Gurs und Dachau, Müller Dachau und Buchenwald.
Die Geschwister Gretel und Edgar Linick wachsen in einer jüdischen Familie auf. Edgar ist kaufmännischer Angestellter und Mitglied der Gewerkschaft, Gretel ist Schneidermeisterin mit eigenem Geschäft. Er engagiert sich im Umfeld der KPD in der "Roten Hilfe" und im "Bund der Freunde der Sowjetunion". Edgar muss 1933 den Boykott jüdischer Geschäfte miterleben, der die Lebensgrundlage seiner Eltern infrage stellt, ebenso den Sturm der SA am 2. Mai auf das Gewerkschaftshaus an der Rohrbacher Straße. Er entgeht der drohenden Verhaftung durch die Flucht ins Ausland. Ab September 1933 hält er sich in Spanien auf.
Im Juli 1936 beteiligt er sich in der Sanitätseinheit der kommunistisch orientierten PSUC (Partido Socialista Unificado de Catalunya) gegen den Putsch Francos. Ab Dezember 1936 ist er Sekretär des Sanitätsdienstes der Internationalen Brigaden. 1936 kommt seine Schwester Gretel nach Spanien und arbeitet als Krankenschwester in Hospitälern der Internationalen Brigaden. Als 1939 die Internationalen Brigaden Spanien verlassen müssen, internieren die französischen Behörden Edgar in den Lagern St. Cyprien und Gurs, im Straflager Le Vernet und im November 1941 im Wüstenlager Djelfa in Algerien. 1938 muss Gretel Spanien verlassen, wird in Frankreich mehrfach verhaftet und ab 1940 in den Lagern Gurs und Vidauban und 1942 im Lager Rivesaltes interniert. Die Nazis verschleppen sie am 13. September 1942 ins Durchgangslager Drancy bei Paris, von dort am 16. September 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz, wo sie ermordet wird.
1943 befreit die britische Armee die in Djelfa internierten Spanien-Freiwilligen und nimmt sie in ihre Pioniereinheit auf. 32 von ihnen können Ende November 1943 in einem von den Alliierten geschützten Transport per Bahn, Lastwagen und Schiff über Suez, Kairo, Alexandria, Haifa, Bagdad, Teheran, Bender-Schah und Krasnowodsk (heute Türkmenbasi) in die Sowjetunion ausreisen. Dort arbeitet Edgar Linick als Redakteur bei "Freies Deutschland", einer Zeitung für Kriegsgefangene in der UdSSR. 1948 kehrt er nach Berlin (Ost) zurück, arbeitet im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und dann als Chefredakteur der Zeitschrift "Außenhandel". Erst Jahre nach der Befreiung erfährt er vom Schicksal seiner Familie, von der Deportation der Eltern am 22. Oktober 1940 ins Lager Gurs und dem Tod der Mutter im Lager Noé, von der Ermordung seiner Schwester Gretel in Auschwitz und von der Rückkehr seines Vaters nach Heidelberg.
Karl Kippenhahn kämpft wie Hoffmann und Müller im "Bataillon Edgar André", nach dem Sieg der Franco-Putschisten ist er wie Edgar Linick in den Lagern Gurs, Le Vernet und Djelfa in Algerien interniert. Nach der Befreiung kann er ebenfalls in die UdSSR ausreisen und wird dort zum Fallschirmspringer ausgebildet. Als Mitglied einer Partisaneneinheit springt er 1944 im Hinterland der Wehrmacht in Polen ab. Anfang 1945 nimmt die SS ihn in Polen fest und erschießt ihn. In Mosel, einem heutige Ortsteil von Zwickau, wo er 1935/36 lebte, ist eine Straße nach ihm benannt.
Zwei der Spanienfreiwilligen aus Heidelberg erleben ebenfalls die Befreiung 1945 nicht: Heinrich Venuleth, Maler und Gewerkschafter aus Leimen, kämpft im Thälmann- und dann im Hans-Beimler-Bataillon, er soll das Jahr 1937 nicht überlebt haben. Seine Frau und seine Tochter müssen nach 1945 jahrelang um Wiedergutmachung streiten. Karl Düll, Installateur und auch Mitglied der KPD, wird 1939 im Lager Gurs eingesperrt. Er kann fliehen und schließt sich der Résistance an. Über seinen Tod heißt es: "im Maquis gestorben".
Max Diamant, aus einer jüdischen Familie aus Polen stammend, lebt 1930/31 in Heidelberg und ist ab 1931 Mitglied der neu gegründeten Sozialistischen Arbeiter-Partei. 1933 müssen er und seine Frau Anna vor den Nazis fliehen. Diamant arbeitet unter anderem in Straßburg als Grenzsekretär der SAP. Im August 1936 ruft die SAP ihre Mitglieder mit technischen, militärischen oder medizinischen Qualifikationen auf, zur Verteidigung der Republik nach Spanien zu gehen. Diamant reist als Vertreter der SAP nach Spanien, leitet von Oktober 1936 bis April 1937 das deutschsprachige Büro der POUM in Barcelona und ist verantwortlich für Radiosendungen und die Redaktion der Zeitschrift "Die spanische Revolution". Er wird abgelöst von einem Emigranten, der später die Geschicke Deutschlands entscheidend mitbestimmen wird: Willy Brandt.
... bis nach Mexiko
Diamant lebt danach mit seiner Frau in Frankreich, wo er 1939 zeitweise als "feindlicher Ausländer" interniert wird. 1941 arbeitet er mit in der Fluchthilfe-Organisation von Varian Fry in Marseille, im Mai 1941 erhalten er und seine Frau ein Visum für Mexiko, gehen im September 1941 nach Lissabon und arbeiten dort weiter zusammen mit den Quäkern und dem CAS (Centre Américaine de Secours) an der Rettung von Menschen nach Übersee. Sie selbst reisen im Frühjahr 1942 über Casablanca nach Mexiko. Dort engagiert sich Diamant in der Liga "Pro Cultura Alemana", nicht in der kommunistisch dominierten "Bewegung Freies Deutschland".
Die bisher einzige Erinnerung an die Widerstandskämpfer aus Heidelberg gegen Franco und die Nazi-Söldnertruppe "Legion Condor" ist ein Stolperstein für Max Diamant - in Ludwigshafen.
Info: Am heutigen Dienstag, 18. Oktober [2016], findet um 19 Uhr in der Heidelberger Volkshochschule, Bergheimer Straße 76, eine Veranstaltung der VVN-BdA mit dem Titel "Adelante Libertad - Spanienfreiwillige aus Heidelberg 1936 -1939" statt.