Beate Zschäpe soll Berliner Synagoge ausgespäht haben

Erstveröffentlicht: 
07.10.2016
Ein Polizist will Beate Zschäpe, Angeklagte im NSU-Prozess, im Jahr 2000 beim Ausspähen einer Synagoge gesehen haben.
  • Demnach könnte Zschäpe früher in Anschlagsplanungen der Terrorzelle eingebunden gewesen sein als angenommen.
  • Die Nebenklage will den Objektschützer nun im Prozess vorladen lassen, damit er seine Beobachtungen erneut schildert.

Beate Zschäpe war möglicherweise sehr viel früher in Anschlagsplanungen der Terrorzelle NSU eingebunden als bislang bekannt ist. Das legt ein Beweisantrag des Münchner Rechtsanwalts Yavuz Narin nahe, den der Nebenklagevertreter am 314. Hauptverhandlungstag des NSU-Prozesses am Donnerstag stellte. Bereits am 7. Mai 2000 hat ein Berliner Polizeibeamter danach angegeben, Zschäpe und drei weitere Personen an der Synagoge in der Rykestraße gesehen zu haben. Der Polizist war dort als Objektschützer eingesetzt.

 

Nach seinen Beobachtungen hielten sich Zschäpe und Uwe Mundlos wenige Meter neben dem Haupteingang der Synagoge auf und „beschäftigten sich mit Kartenmaterial“. Am selben Tag gegen 16 Uhr bemerkte er während einer Wachablösung, wie Zschäpe und Uwe Mundlos erneut in Richtung der Synagoge gingen.

 

Einen Tag später sah der Polizist die Sendung „Fahndung live“, in der nach den drei Untergetauchten gesucht wurde – und erkannte Zschäpe und Mundlos sofort. Allerdings wurde er nach dem 4. November 2011, als der NSU enttarnt wurde, nicht wieder vernommen. Der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin möchte nun, dass der Objektschützer im NSU-Prozess geladen wird, um seine Beobachtungen erneut zu schildern. Das solle schließlich beweisen, dass Zschäpe „die Vorgehensweise des NSU nicht nur bekannt war, sondern deren Aktionen von Anfang an auch unter ihrer aktiven Mitwirkung erfolgten und von dieser mitgetragen wurden“, wie Narin vortrug. 

 

Mehrstündiger Aufenthalt im Umfeld der Synagoge


Zudem seien die NSU-ler überzeugte Judenhasser gewesen, so Narin. Die „antisemitische Gesinnung der Angeklagten Zschäpe und des Mundlos war damals bereits so ausgeprägt, dass deren mehrstündiger Aufenthalt im unmittelbaren Umfeld der Synagoge und des Friedhofs weder unbewusst erfolgt sein kann noch anderen Zwecken wie etwa der Andacht oder dem Gedenken dienen konnte“, so der Anwalt. So gab Zschäpe bereits in ihrer Erklärung vom Dezember 2015 zu, dass sie 1996 an der Herstellung eines Puppentorsos beteiligt war, der im Brust- und Rückenbereich mit einem Davidstern und der Aufschrift „Jude“ versehen war und eine Schlinge um den Hals trug. Die Puppe wurde an einer Autobahnbrücke in der Nähe von Jena aufgehängt.

 

Außerdem räumte Zschäpe in derselben Erklärung ein, sie habe durch das Versenden von Briefbombenattrappen am 30. Dezember 1996 gegen die angeblich „verfälschende Berichterstattung in den Medien protestieren“ wollen, erinnere sich aber nicht mehr an den Inhalt der beigefügten Schreiben. Eines der Begleitschreiben ging bei Kripo in Jena ein und lautete: „Mit Bombenstimmung in das Kampfjahr 97. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dieses Jahr kommt Bubis dran!“, führte Narin aus. Ignatz Bubis war damals Vositzender des Zentralrats der Juden in Deutschland.

 

Im Brandschutt der zerstörten Wohnung des NSU-Trios an der Zwickauer Frühlingsstraße fanden die Ermittler außerdem Festplatten mit antisemitischer Propaganda, etwa ein Wahlwerbeplakat der NSDAP mit der Aufschrift „Die Juden sind unser Unglück“ und den nationalsozialistischen Propagandafilm „Der ewige Jude“.

 

Der Beweisantrag bringt Zschäpe in Bedrängnis, denn sie hatte erst in der vergangenen Woche in einer persönlichen, selbst vorgetragenen Erklärung gesagt, dass sie zwar „nationalistischem Gedankengut“ angehangen habe, jetzt aber anders dächte. Yarin will dagegen beweisen, dass die Angeklagte sich „noch vor der Begehung des ersten Mordes an Enver Şimşek mit den völkischen, antisemitischen und rassistischen Überzeugungen der Gruppierung“ identifizierte und gewillt war, ihre „Überzeugung, die sie in ihrer Einlassung vom 29. September 2016 als ,nationalistisches Gedankengut’ verniedlichte, durch terroristische Gewalttaten umzusetzen“. 

 

„Menschenrechte stehen nicht entgegen“


Auch in einer anderen Sache sieht es nicht gut aus für die Angeklagte. Ihre Alt-Anwälte Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm wollen weiter verhindern, dass Briefe, die Zschäpe selbst an den Senat schrieb und in denen sie sich über ihre Verteidiger beschwerte, in öffentlicher Sitzung verlesen werden. Der Anwalt Andreas Lickleder, der Anja Sturm am Donnerstag vertrat, meinte, eine Verlesung verstoße gegen elementare Grund- und Menschenrechte der Mandantin. Der Inhalt der Briefe berühre das Binnenverhältnis zwischen Mandantin und Anwälten, das in der Rechtsordnung besonders geschützt sei. „Eine Verwertung von Unterlagen, die elementarer Bestandteil des Rechts auf Verteidigung sind, ist somit im Hinblick auf Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgeschlossen“, so Lickleder.

 

Die Bundesanwaltschaft wies seinen Widerspruch zurück. Oberstaatsanwältin Anette Greger betonte, dass Zschäpe sich selbst an den Senat gewandt und gewusst habe, dass alle Briefe zu den Akten kämen. „Sie wurde vor Beginn der Hauptverhandlung belehrt, dass alles, was sie sagt oder schreibt, verwendet werden kann“, so Greger. Sämtliche Schriftstücke, die Zschäpe an den Senat gerichtet habe, stellten Urkunden dar und könnten im Wege der Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden. „Menschenrechte stehen dem nicht entgegen“, so Greger trocken.

 

Das Verfahren wird am kommenden Mittwoch, dem 12. Oktober, fortgesetzt.