Die Pegida-Veranstaltung in Dresden zum bzw. gegen den Tag der Deutschen Einheit findet am Montagnachmittag viel Zulauf, auch Gegendemos sind angekündigt. Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert während des Festakts für ein selbstbewusstes und zugleich weltoffenes Deutschland geworben.
Dresden. Die Pegida-Veranstaltung in Dresden zum bzw. gegen den Tag der Deutschen Einheit findet am Montagnachmittag enormen Zulauf. Mehrere Tausend Menschen sammelten sich um Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz am Sammelplatz an der Ammonstraße. Beide waren am Vormittag bereits auf dem Neumarkt zugegen, als eine wütende Menschenmenge Politiker beschimpfte, die zu den offiziellen Einheitsfeierlichkeiten anreisten. Pegida plant einen Rundgang am Rande des Festgeländes. Linke Gruppen haben Gegenproteste entlang der Route angekündigt.
Festakt: Appell für ein weltoffenes Deutschland
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat zuvor in Dresden für ein selbstbewusstes, weltoffenes und vielfältiges Deutschland geworben. „Das Paradies auf Erden ist hier nicht. Aber viele Menschen, die es verzweifelt suchen, vermuten es nirgendwo häufiger als in Deutschland“, sagte der CDU-Politiker am Montag beim zentralen Festakt in der Dresdner Semperoper.
Er monierte, dass die Deutschen das Bild ihres eigenen Landes viel zu negativ darstellten. „Wir können und dürfen durchaus etwas mehr Selbstbewusstsein und Optimismus zeigen“, sagte er. Deutschland könne sich „durchaus eine kleine Dosis Zufriedenheit“ erlauben, wenn nicht sogar ein Glücksgefühl.
Lammert: Erstaunliche Empörung
Mit Blick auf die Pöbeleien am Rande der Feierlichkeiten sagte Lammert: „Diejenigen, die heute besonders laut pfeifen und schreien und ihre erstaunliche Empörung kostenlos zu Markte tragen, die haben offenkundig das geringste Erinnerungsvermögen daran, in welcher Verfassung sich diese Stadt und dieses Land befunden haben, bevor die deutsche Einheit möglich wurde. Deshalb gilt mein besonderer Respekt all den Menschen hier in Dresden, in Sachsen, in Thüringen, in Sachsen-Anhalt, in Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, die wissen, was sie selbst in diesen Jahren geleistet und nicht vergessen haben, dass andere ihnen dabei geholfen haben.“
Polizei rechtfertigt Störer-Kundgebungen
Unterdessen hat die Polizei die Störer-Kundgebungen in der Dresdner Altstadt gerechtfertigt. Obwohl Versammlungen im Bereich des Einheitsfestes eigentlich strikt untersagt sind, haben Polizei und Ordnungsamt am Montag bei den Anhängern von „Pegida“ und „Festung Europa“ ein Auge zugedrückt. „Von den Personen ging keine Gefahr für Ablauf und Sicherheit der Protokollveranstaltungen aus“, teilte die Polizei mit. Die lautstarken Beleidigungen sowie das ausdauernde Pfeifen werte man als Meinungsäußerung, berichtet DNN-Online. Am Blauen Wunder in Dresden haben weitere Kundgebungen gegen den Tag der Deutschen Einheit begonnen.
Rechte Demonstranten am Kongresszentrum
Die meisten Gegendemonstranten hatten sich gegen Mittag vom Neumarkt in Richtung Semperoper, Ort des offiziellen Festaktes. Auf dem Theaterplatz lärmen sie mit Trillerpfeifen gegen das aufspielende Polizeiorchester an und begleiten auch die Übertragung aus der Oper mit Pfiffen und Rufen. Minsterpräsident Stanislaw Tillich rief in seiner Festrede dazu auf, mit Worten gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. „Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und Gewalt“, sagte er. „Das ist menschenverachtend und zutiefst unpatriotisch.“
Auch vor dem Internationalen Kongresszentrum, in dem der Empfang des Bundespräsidenten stattfindet, hatten sich kurzzeitig um die 100 rechte Demonstranten gesammelt.
Wir sind traurig und beschämt über die Respektlosigkeit und den Hass der Pöbler bei den bisher friedlichen Feierlichkeiten zum #TdDE16
— Sachsen (@SachsenDe) October 3, 2016
Hohe Sicherheitsvorkehrungen
Zum Höhepunkt und Abschluss der Feierlichkeiten in Dresden zum Tag der Deutschen Einheit wurden an diesem Montag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hochrangige Politiker erwartet. Am Mittag steht ein Festakt in der Semperoper mit rund 1.000 geladenen Gästen auf dem Programm.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum Tag der deutschen Einheit zu gegenseitigem Respekt und Dialogbereitschaft aufgerufen. 26 Jahre nach der Wiedervereinigung sei der Tag der Einheit für die allermeisten Deutschen nach wie vor ein Tag der Freude und Dankbarkeit, sagte die CDU-Chefin am Montag vor dem zentralen Festakt in Dresden. Es gebe aber auch neue Probleme. „Und ich persönlich wünsche mir, dass wir diese Probleme gemeinsam, in gegenseitigem Respekt, in der Akzeptanz sehr unterschiedlicher politischer Meinungen lösen und dass wir auch gute Lösungen finden.“
Die Kanzlerin, Bundespräsident Joachim Gauck und andere Gäste waren vor dem Festakt von mehreren hundert Demonstranten beschimpft und angepöbelt worden, darunter vor allem Anhänger des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses. Sie riefen „Volksverräter“, „Haut ab“ und „Merkel muss weg“. Auch Trillerpfeifen ertönten.
Die Ankommenden mussten von der Polizei durch die einige hundert Personen starke Menge eskortiert werden. „Um Zugang der Ehrengäste zu den Protokollveranstaltungen am Neumarkt zu gewährleisten, mussten Personen zurückgedrängt werden“, teilte die Polizei via Twitter mit. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatte die Gäste zunächst vor dem Verkehrsmuseum empfangen, wo sie sich in das Goldene Buch der Stadt eintrugen. Anschließend ging es weiter zum Ökumenischen Gottesdienst in die Frauenkirche. Auch nach dem Ende des Gottesdienstes wurden die Gäste wieder beschimpft. Die Sächsische Staatskanzlei äußerte sich auf Twitter: „Wir sind traurig und beschämt über die Respektlosigkeit und den Hass der Pöbler bei den bisher friedlichen Feierlichkeiten zum #TdDE16“.
Mit rund 2600 Beamten sichert die Polizei die Veranstaltungen zu den Feierlichkeiten ab. Am Nachmittag zieht Pegida am Rande des Festgeländes durch die Stadt. Linke Gruppen haben Gegenproteste angekündigt. Am Blauen Wunder haben die asylfeindliche Initiative „Wellenlänge“ und Fortress Europe um Tatjana Festerling Demonstrationen angekündigt.