Bei den NSU-Untersuchungen gibt es neue Rätsel. Auch nach viereinhalb Jahren intensiver Ermittlungen sind noch entscheidende Fragen unbeantwortet. Eine dreht sich um anonyme DNA-Spuren. Sie können den NSU-Mitgliedern Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe nicht zugeordnet werden.
von Matthias Reiche, MDR AKTUELL
Es geht um die sogenannten genetischen Fingerabdrücke. Hat man von denen ein sogenanntes Vollmuster, kann man eine Person identifizieren. Man kann auch bestimmen, ob ein Täter zum Tatort passt. Das macht die anonymen DNA-Spuren beim NSU-Fall auch für Clemens Binniger interessant. Er ist der Vorsitzende des zweiten Untersuchungsausschusses des Bundestags: "Uns ist aufgefallen, dass an keinem der 27 Tatorte, die dem NSU zugerechnet werden, DNA von Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe gefunden wurde, dafür aber anonyme DNA. Deshalb muss man der Frage nachgehen, ob diese DNA möglicherweise von Mittätern stammt."
Anonyme DNA stammt möglicherweise vom Täter
Wie viele anonyme DNA-Spuren an den Tatorten sichergestellt wurden, ist bisher nicht beziffert. Einer der interessanten Fälle führt dabei nach Heilbronn, wo die Polizistin Michele Kiesewetter erschossen und ihr Kollege schwer verletzt wurde. An dessen Rücken fanden sich zwei DNA-Vollmuster-Spuren: "Alle Überprüfungen, die man bisher gemacht hat, ob diese DNA möglicherweise von anderen Kollegen stammt, die den Streifenwagen benutzt haben, von Sanitätern oder von welchen, die zuerst am Tatort waren oder aus dem privaten Umfeld, ergaben keine Treffer. Dann muss man sich ja die Frage stellen, ob sie möglicherweise vom Täter stammen."
Binninger fordert maximale Recherche
Gegenüber MDR AKTUELL bestätigt die Bundesanwaltschaft, dass es neben den Tatort- oder Altspuren auch 43 DNA-Neuspuren gibt, die bisher nicht zugeordnet werden können. Gefunden wurden sie im ausgebrannten Wohnmobil und an Gegenständen aus der Zwickauer Frühlingsstraße. In dem Wohnmobil sollen die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Selbstmord begangen haben.
Beate Zschäpe gab zu, nach dem Tod der beiden, die gemeinsame Wohnung in Brand gesteckt zu haben. Das erklärt möglicherweise, warum dort erstaunlich wenig Spuren des sogenannten Trios gefunden wurden. Was die fremde DNA an den Tatorten betrifft, hat dies für die Bundesanwaltschaft offensichtlich keine Priorität.
Da werde erst ermittelt, wenn man die Smoking Gun als das ultimative Beweismittel präsentiert, vermutet CDU-Politiker Clemens Binninger: "Das ist unsere Kritik. Anonyme DNA-Spuren an Tatorten und an Tatwaffen, die man sonst niemandem zuordnen kann, sind für uns schon beachtlich. Wir erwarten, dass da maximal recherchiert wird, um es auszuschließen. Man darf nicht einfach sagen, es spielt keine Rolle. Man darf nicht mit dem Mangel leben, dass die Haupttäter es geschafft haben sollen, an 27 Tatorten gar nichts zu hinterlassen."
Nur wenige NSU-Kontaktpersonen wurden überprüft
Deshalb will der zweite NSU-Untersuchungsausschuss nach der Sommerpause das Thema aufgreifen. Da wird auch die Bundesanwaltschaft noch einmal Stellung beziehen müssen. Außerdem wollen sich die Abgeordneten von einem BKA-Verantwortlichen im Detail erklären lassen, wie mit der DNA-Datenbank gearbeitet wird. Beispielsweise werden rund 100 Kontaktpersonen dem Umfeld des NSU zugerechnet. Bisher wurde jedoch nur bei nur 19 Personen geprüft, ob sie als Verursacher der anonymen DNA-Spuren in Frage kommen.