„Hier ist das Urteil schon gesprochen! Das ist schlimmer als in der Nazizeit“, ruft Udo Stein im Landtag. Heimische Abgeordnete sind entsetzt.
Die Grünen hatten am Donnerstag eine Debatte über Antisemitismus auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt. Anlass: Antisemitismus-Vorwürfe gegen den 69-jährigen AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon. Über dessen Ausschluss „soll am 21. Juni in einer Fraktionssitzung abgestimmt werden“, informiert der AfD-Abgeordnete Anton Baron aus Niedernhall.
Sein Kollege Stein hat für seinen Zwischenruf eine Rüge kassiert. „Ich bitte für meinen Zwischenruf heute im Landtag um Entschuldigung und nehme diesen Zwischenruf ohne Wenn und Aber zurück. Was ich sagte, tut mir aufrichtig leid. Ich distanziere mich von jeder Relativierung oder Verharmlosung der Nazizeit“, gibt Stein noch am Donnerstag eine Erklärung ab. Er hätte als Vergleich besser Nordkorea nehmen sollen, macht der 33-Jährige am Telefon deutlich und ergänzt: „Am besten lernt man aus Fehlern.“ Er habe Gedeon schützen wollen, auch wenn dessen Rücktritt für die AfD das Beste wäre. „Im Rechtsstaat gilt man so lange als unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist“, betont der Neuling im Landtag.
Aus Sicht von Jutta Niemann würde ein Ausschluss Gedeons das Problem nicht lösen. „In der AfD versuchen verschiedene Abgeordnete immer wieder, mit hasserfüllten Aussagen gegen Minderheiten die Gesellschaft zu spalten“, macht die grüne Landtagsabgeordnete aus Hall deutlich. Der Zwischenruf von Stein folge dem AfD-Muster, mit krassen Aussagen vorzupreschen, dann wieder zurückzurudern oder sich falsch verstanden zu fühlen. Arnulf von Eyb nennt die Vorkommnisse „unerträglich und widerwärtig“. Der CDU-Abgeordnete aus Dörzbach war nicht selbst im Plenum anwesend, hat später vom Zwischenruf erfahren. Er betont, dass eine Partei, die sich durch Abgrenzung und feindliche Äußerungen definiere, „auf Dauer keinen Bestand in unseren Parlamenten haben darf“.
„Der besagte Zwischenruf von Udo Stein offenbart dessen völlige Unkenntnis über die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft. Wer eine Debatte im baden-württembergischen Landtag mit Methoden der NS-Herrschaft vergleicht, wenn er sich ins Unrecht gesetzt sieht, gesteht damit eine fundamentale Unfähigkeit ein, sich ins parlamentarische Geschehen einer demokratischen Gesellschaft einzufügen“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Annette Sawade aus Wackershofen. Für Friedrich Bullinger wird deutlich: Udo Stein habe sich mit diesem ungeheuerlichen und ahistorischen Vergleich als Zwischenruf selbst disqualifiziert. Der FDP-Landtagsabgeordnete aus Rot am See sieht darin keinen Ausrutscher, sondern für ihn „hat der bräunliche Wolf im Schafspelz im Plenum seine Maske fallen lassen“.