Hausrecht? Hausverbot? Moses mit Sprengstoff? Warum hat das Leipziger Ordnungsamt beim Katholikentag gekniffen?

Erstveröffentlicht: 
05.06.2016

Das Rumgeeier des Leipziger Ordnungsamtes beim 100. Deutschen Katholikentag hat ein Nachspiel. Erst hat man der Kunstaktion „Das 11. Gebot“ eine völlig unsinnige Auflage erteilt, sich mit dem Veranstalter des Katholikentages ins Benehmen zu setzen, dann kam der mit einem „Hausverbot“ und am letzten Tag sprach ein Ordnungsmann auch noch einen Platzverweis aus. Irgendjemand hat da völlig versagt. Genug Gründe für eine Nachfrage, findet Juliane Nagel.

 

Denn normalerweise ist jeder Protest – auch gegen einen steuerfinanzierten Katholikentag – durch die Verfassung gedeckt. Kein Ordnungsamt kann ihn untersagen, bloß weil ihm vielleicht die Protestbotschaft nicht gefällt. Aber genau darauf lief das hinaus, was das Leipziger Ordnungsamt da am vergangenen Wochenende mit der Kunstaktion der Giordano-Bruno-Stiftung angestellt hat. Man hat – mit seltsamen Kapriolen  – einfach das Recht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt, stellt die Linke-Stadträtin Juliane Nagel fest.

 

„Beim Katholikentag in Leipzig wollte die Giordano-Bruno-Stiftung mit einer Kunstaktion, einem mahnenden Moses, auf die Millionen-Subventionen der öffentlichen Hand für derartige kirchliche Veranstaltungen hinweisen. Dies tut sie bereits seit 2004 bei vergleichbaren Veranstaltungen“, kommentiert es die Abgeordnete jetzt in ihrer Anfrage, die sie gern vom Oberbürgermeister beantwortet haben möchte. „Das Ordnungsamt Leipzig hatte keine Einwände gegen diese angemeldete Aktion der Aktionsgruppe ‚11. Gebot‘, erlegte den VeranstalterInnen allerdings auf, sich mit dem Erstanmelder für die Sondernutzungsflächen, dem Katholikentag, ins Einvernehmen zu setzen und sich dessen Genehmigung einzuholen. Dieser wiederum sprach der Skulptur-Aktion ein ‚Hausverbot‘ aus. – Der Versuch, die Kunstaktion final zum Abschlussgottesdienst des Katholikentags am 29.05.2016 durchzuführen, wurde vom Ordnungsamt mit Verweis auf Sicherheitsbedenken unterbunden. Man könne nicht wissen, ‚ob in der Kunstskulptur nicht Schusswaffen und Sprengstoff versteckt‘ seien.“

 

Alles sehr dubios. Immerhin standen genug Polizisten dabei, die so einen Verdacht hätten überprüfen können. Und: Warum wurde nicht gleich das Sprengkommando geholt und der Platz geräumt?

 

Ein einziges Winden und Drehen. Da ist nicht mehr viel übrig von der Leipziger Protestklarheit des Jahres 1989. Und es ist ja nicht der erste Fall, bei dem Leipzigs Ordnungsbehörde in letzter Zeit mehr als seltsame Vorstellungen über das entwickelt hat, was Gegenprotest in Leipzig darf und was nicht.

 

Logisch, dass Juliane Nagel eine Menge Fragen hat, die sie im Stadtrat ordentlich beantwortet haben möchte.

 

Das sind ihre Fragen für die Ratsversammlung am 22. Juni:


Auf welcher Rechtsgrundlage lässt sich ein „Hausrecht“ für die Veranstalter des Katholikentag für Teile des öffentlichen Raums übertragen?


Wie ist die Einschränkung der Versammlungsfreiheit mit Verweis auf dieses „Hausrecht“ herzuleiten?


Warum war das Ordnungsamt Leipzig nicht in der Lage, die Versammlungsfreiheit für die VeranstalterInnen einer Kunstaktion zu gewährleisten – wie in Bezug auf die Demonstration gegen TTIP am Samstag, 28.05.2016, geschehen – vor allem vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit, die das Äußern von Kritik einschließt?


Welche Anhaltspunkte gab es für die Gefahrenprognose für die geplante Spontanversammlung der Aktionsgruppe „11. Gebot“ am 29.05.2016, nach der in der Skulptur „Schusswaffen und Sprengstoff versteckt“ hätten sein können, und inwieweit wurde versucht, diese Annahmen aus dem Weg zu räumen?