Selten ging es im Sächsischen Landtag so laut und emotional zu, wie bei der Debatte über die Anti-Braunkohle-Demonstrationen am Pfingstwochenende in der Lausitz. Vor allem CDU und Linke scheuten sich nicht vor persönlichen Angriffen. Die zur Ordnung rufende Glocke von Landtagspräsident Rößler war nahezu im Dauereinsatz. Mahnende und vermittelnde Worte wurden mit wenig Beifall bedacht, dafür kam von der AfD ein Loblied auf das Kohlendioxid.
Von Stephan Tittel
"Attacke" als Motto im Sächsischen Landtag
Die Fraktionen im Sächsischen Landtag haben sich einen heftigen Schlagabtausch zu den Anti-Braunkohle-Protesten am Pfingstwochenende in der Lausitz geliefert. CDU und SPD hatten die Diskussion unter dem Titel "Mit der Braunkohle als Brückentechnologie den Strukturwandel gestalten - die Lausitz braucht Zukunft und keine Gewalttäter" beantragt.
Rößler konnte Glocke kaum aus der Hand legen
Die sehr emotional geführte Diskussion war vor allem von gegenseitigen, oft persönlichen Anschuldigungen geprägt. Immer wieder wurden die Redner durch lautstarke Zwischenrufe unterbrochen. Landtagspräsident Matthias Rößler musste mehrmals eingreifen und die Abgeordneten an die Regeln für Landtagsdebatten erinnern.
CDU: Umweltrandalierer und Terroristen in der Lausitz
Auftaktredner Lars Rohwer von der CDU ging zum Anfang noch auf den
Begriff Brückentechnologie ein und begründete die Notwendigkeit der
Braunkohleverstromung mit unzureichenden Speichermöglichkeiten für
erneuerbare Energien für wind- und sonnenarme Zeiten. Schnell drehte
sich jedoch die Diskussion in Richtung einer Verurteilung der Aktionen
am Pfingstwochenende in der Lausitz. Rohwer sprach von
Umweltrandalierern, die in der Lausitz nicht erwünscht gewesen seien.
Alle Unions-Redner warfen vor allem der Linken, aber auch den Grünen
vor, mitverantwortlich für Ausschreitungen und vorsätzlich begangene
Straftaten bei den Protesten gewesen zu sein.
Die Abgeordneten
Frank Heidan und Alexander Krauß bezeichneten die Demonstranten als
Krawallmacher und Terroristen. Dabei bezogen sie ausdrücklich
Linke-Abgeordnete mit ein, die vor Ort waren. Krauß warf zudem Linken
und Grünen vor, sich im Parlament nicht von der Gewalt distanziert zu
haben. Heidan forderte den Linke-Abgeordneten Marco Böhme wegen dessen
Protestteilnahme zur Aufgabe seiner Immunität und zur Selbstanzeige auf.
Grüne und Linke: Klimaschützer ernst nehmen statt kriminalisieren
Nicht weniger emotional fielen die Redebeiträge und Reaktionen der
Grünen- und Linksabgeordneten aus, die allesamt eine Gewaltbeteiligung
zurückwiesen. Sie verteidigten den friedlichen Protest als
gerechtfertigt und warfen der CDU vor, alle Demonstranten in
Kollektivhaftung zu nehmen. Der Grünen-Parlamentarier Gerd Lippold
sagte, mit solchen pauschalen Diffamierungen habe die Union mehr
klimaschutzengagierte Menschen auf die Straßen getrieben, als Grüne und
auch Linke es je mit ihren Aufrufen vermocht hätten. Genauso habe es die
Regierung selbst in der Hand, ob sich der Konflikt zuspitze oder
entschärfe.
Auch Linke-Abgeordnete warf der CDU vor, eine
dringend notwendige Umweltschutzbewegung durch unqualifizierte Angriffe
zu kriminalisieren. Die Braunkohleverstromung bezeichnete sie als die
klimaschädlichste Energiegewinnungsform. Ihr Parteikollege Marco Böhme
sagte, die CDU habe beim Thema Strukturwandel versagt und schere sich
einen Dreck um die Zukunft. Stattdessen diskreditiere sie Leute, die
dies tun würden.
SPD zwischen Verurteilung und Verständnis
Ein gemischtes Bild gab die SPD wider. Wirtschaftsexperte Thomas Baum
verurteilte die Proteste und sprach von verbrecherischem Handeln. Vor
allem die Gleismanipulationen mit Klemmschuhen und Gleiskrallen seien
gezielte Anschläge gewesen. Sein Kollege Henning Homann warnte dagegen
vor einer Schwarz-Weiß-Einteilung. Alle 2.000 Teilnehmer an den
Protesten dürften nicht mit den 300 gezählten Gewalttätern in einen Topf
geworfen werden. Sein Aufruf an das Parlament zu einem friedlichen
Dialog einzuladen, erhielt deutlich weniger Beifall, als einige
persönliche Attacken von CDU- und Linke-Abgeordneten auf den politischen
Gegner.
Auch SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig vertrat
Homanns Vermittlungsstrategie und begrüßte den friedlichen Teil des
Anti-Kohle-Protestes. Dieser gehöre zum Wesen der Demokratie. Zugleich
zeigte er sich enttäuscht, dass Linke und Grüne im Sächsischen Landtag
nicht die gleiche Einsicht wie ihre Brandenburger Kollegen gezeigt
hätten, dass nämlich die Proteste in der Lausitz wenig hilfreich gewesen
seien. Ebenso verurteilte Dulig das teils unbeherrschte Verhalten
einiger Abgeordneter in der Debatte.
AfD: CO2 macht die Erde grün
Die AfD teilte in der Debatte nach allen Seiten aus. Umweltpolitiker Jörg Urban sprach von Protesten verwirrter junge Menschen in der Lausitz. Dabei habe die grüne und linke Jugend schwere Straftaten unterstützt. Schwarz-Rot warf er im Land und im Bund zu viel Klimaschutz vor. Kein EU-Partner wolle die ehrgeizigen CO2-Einsparziele Deutschlands mittragen. Zudem hätte eine Studie aus China gezeigt, dass der höhere CO2-Anteil das Pflanzenwachstum weltweit begünstige – die Erde sei grüner geworden. Die Braunkohle bezeichnete Urban als unverzichtbar, um unabhängig von teuren Stromimporten zu sein.
Zitate aus der Landtagsdebatte
Dieser Besuch in der Lausitz war nicht erwünscht.
Lars Rohwer, CDU
Nichts an dieser Gewaltorgie war gut.
Thomas Baum, SPD
Wann wollen Sie (die sächsische Regierung – Anm. d. Red.) endlich anfangen mit Ihrem Strukturwandel?
Kathrin Kagelmann, Linke
Schwarz-Weiß-Debatten helfen uns nicht weiter.
Henning Homann, SPD
In Sachen Klimaschutz und Kohleausstieg sind Ihre (CDU – Anm. d. Red.) Hauptgegner doch nicht die Grünen-oder die Linken-Abgeordneten hier im Landtag. Ihr Hauptgegner ist die Realität.
Gerd Lippold, Grüne
CDU und SPD haben die deutsche Klimahysterie bundes- und sachsenweit erst losgetreten. Nun tragen sie den Popanz von der angeblichen CO2-Katastrophe vor sich her - genauso wie die Grünen in den 80er Jahren den Popanz vom Waldsterben.
Jörg Urban, AfD
Es ist unser Wunsch, dass die jungen Menschen endlich mal den Betonköpfen erklären, dass die Braunkohle in der Erde bleiben muss.
Marco Böhme, Linke
An diesem Pfingstwochenende hat niemand gewonnen in der Lausitz. Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig