Amoklauf bei Rockerfest

Erstveröffentlicht: 
24.05.2016

Wieder gibt es eine Gewalttat aus dem „Blood&Honour“-Netzwerk: Ein österreichisches Mitglied der militanten Organisation lief Amok, angeblich wegen eines Streits mit seiner Freundin.

 

Der Amokläufer von Nenzing war mehrfach vorbestraft und gehörte dem radikalen rechten Lager an. Er mochte die bundesdeutschen Holocaust-Leugner Horst Mahler und Ursula Haverbeck. Zwei seiner zahlreichen Facebook-Freunde sind junge Neonazis der Partei „Die Rechte“ aus dem niedersächsischen Verden an der Aller, die anderen stammen zum Teil aus FPÖ-Kreisen oder zählen zum tiefbraunen Spektrum in Vorarlberg. Am Wochenende erschoss Gregor S. nachts bei einem Rock-Konzert auf dem Gelände des „MC The Lords“ in Nenzing zwei Menschen und verletzte elf schwer, danach hielt sich der Waffennarr die serbische Kalaschnikow-Nachbildung in den Mund und drückte ab. Zuhause und in seinem Auto fand die Polizei später weitere Waffen und Kriegsmaterial, er hätte demnach ein weitaus größeres Blutbad anrichten können.

 

Die österreichischen Behörden räumten zwar ein, dass S. dem Inlandsgeheimdienst lange bekannt sei und zwischen 2005 und 2010 achtmal rechtskräftig wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung verurteilt worden sei, aber ein politischer Hintergrund für den Amoklauf wird nicht angegeben. Es soll sich dagegen um eine Beziehungstat handeln.

 

Gregor S. beging die Tat vor den Augen der Mutter seines kleinen Sohnes, die sich anscheinend überhaupt nicht in der rechten Szene bewegt.  Sie stand  Medienberichten zufolge in der Nähe auf einem Parkplatz, als der Täter die Waffe aus dem Auto holte und scheinbar wahllos in die Menge der Konzertbesucher schoss. Auch sie floh vor ihm. Bei Facebook schreibt „C... “, nicht mit den Medien reden zu wollen: „Ned hüt, ned morn und ned in 10 johr!“  Freunde pflichten ihr bei, dass sie nichts für die Tat könne.  Worin liegt also das Motiv für die Tat ? Warum schoss der Neonazi auf die rund 150 Gäste der zweitägigen „Lordsparty“ . Der 1986 gegründete „Töff“-Club  schreibt auf seiner Internetseite, dass es „immer wieder diverse Troubles unter Gleichgesinnten" gegeben habe. Diese hätten aber „alle erfolgreich geregelt“ werden können. 

 

Im Zusammenhang mit Gewalttaten aufgefallen


Auffällig schnell dezimierte sich nach dem Verbrechen der Freundeskreis von S. bei Facebook. Zuvor hatten sogar Funktionäre der FPÖ dazu gehört. Einem FPÖ-Nachwuchspolitiker hatte Gregor S. 2015 zum „Wiegenfest“ gratuliert. Besonders beachtlich ist jedoch, dass der 27-jährige Amokläufer, gegen den seit 2004 ein Waffenverbot bestand und der ganz offensichtlich dagegen verstieß, bis mindestens 2010 „Blood&Honour Vorarlberg“ angehörte. Das berichten österreichische Medien übereinstimmend.

 

Nicht zuletzt seit den Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) rückte deren Unterstützernetzwerk „Blood&Honour“ (B&H) ins Visier der Öffentlichkeit. Im Nachbarland existierten bereits Ende 1999 Sektionen von „Blood&Honour“ in Vorarlberg, Tirol, und Wien. 2002 war ein Konzert in Vorarlberg unter anderem mit der Chemnitzer Band „Blitzkrieg“, deren Musiker  aus dem NSU-Netzwerk stammen, geplant. Über 1000 Gäste wurden erwartet. Auch das  Chemnitzer Skinzine „White Supremacy“ von Jan Werner schrieb über die österreichischen Ableger, die sich nach der Auflösung von „Blood&Honour Südtirol“ 2001 durch die italienische Polizei und darauf folgenden Hausdurchsuchungen zerstritten. 2003 kam es zu einer heftigen Schlägerei zwischen der rivalisierenden Wiener und Vorarlberger Sektion. Wenig später  soll es allerdings ein Treffen zwischen internationalen Aktivisten in einer Berghütte in Vorarlberg gegeben haben – es ging um die Fortführung von „Blood&Honour“. In Thüringen zum Beispiel bestand das Netzwerk nach dem bundesdeutschen Verbot im Jahr 2000  im Untergrund bis 2006 weiter. 2003 wurde ein Konzert mit den bekannten bundesdeutschen Szene-Bands „Noie Werte“ und „Endstufe“ in der Heimatregion des Amokläufers angekündigt.

 

2005 war Gregor S. an einem Angriff auf ein Punk-Konzert in Bludenz beteiligt.  Die angreifenden Neonazis seien mit Baseballschlägern, Pfeffersprays und Gaspistolen bewaffnet gewesen. Die Vorarlberger Szene wurde zunehmend aktiver und gewaltbereiter. 2009 gab es eine Massenschlägerei zwischen Rockern und Neonazis mit einem Toten und mehreren Schwerverletzten. Der Installateur mit den dunklen Haaren fiel bis etwas 2010 immer wieder im Zusammenhang mit Gewalttaten auf. 

 

Für Thüringen geplantes „Blood&Honour“-Konzert in Vorarlberg


S. kannte auch den „Die Rechte“-Funktionär Markus Walter, der zeitweilig in Liechtenstein, aber auch in Verden an der Aller wohnte. Das ergaben Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg. Auf Facebook postete Walter folgenden Satz an S. und andere treue Gefolgsleute:  „Viele Wegbegleiter entpuppten sich als charakterlose Versager oder Verräter und sind größtenteils nicht mehr aktiv, oder sind gar dem jüd****** Zeitgeist zum Opfer gefallen! Doch der wahren Bewegung bricht das kein Bein ab, ganz im Gegenteil es trennte sich eher die Spreu vom Weizen – und das ist auch gut so! Doch diejenigen die stehen blieben, sind wahrlich charakterstarke Personen wo selbst die Freundschaft bis heute trotz unzählige hunderte Kilometer Entfernung überdauert! DANKE! ;)“

 

Über Walter kann auch S.s Faible für bundesdeutsche  Holocaust-Leugner oder einschlägige Gruppen wie die  „Europäische Aktion“ entstanden sein. Noch im März dieses Jahres fand ein für Thüringen geplantes „Blood&Honour“-Konzert in Vorarlberg statt. Politiker der österreichischen Grünen wiesen darauf hin, dass die Kameraden zuvor in einem Schießstand in Feldkirch einen Schießwettkampf durchgeführt hätten. Einer von S.s Neonazi-Freunden poste stolz mit einer Knarre im Anschlag.  Der Amokschütze selbst zeigte sich im Internet eher harmlos, postete aber die Neonazi-Musikveranstaltung „Fest der Nationalen“ – „In.Bewegung“ – die im Juli  in Sonderhausen in Thüringen stattfinden soll.