Ein Richter, der sich für die AfD engagiert, verbietet einem Kritiker der NPD das Wort. Es handelt sich um den Extremismusforscher Kailitz, der Gutachter im Verbotsverfahren ist.
Die NPD muss verboten werden, fordert Steffen Kailitz. Er ist Politikwissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden - im Verbotsverfahren tritt er als Sachverständiger auf. Ein Richter aus Dresden, der Mitglied der AfD ist, untersagte ihm nun, bestimmte kritische Aussagen über die rechtsextreme Partei zu wiederholen.
Kailitz legte unter anderem in der mündlichen Verhandlung des Verbotsverfahrens dar, dass die NPD ihrem "Aktionsprogramm" zufolge alle "ethnische Nicht-Deutschen aus dem deutschen Volkskörper aussondern" wolle.
Anfang Mai wiederholte er seine Argumentationin einem Gastbeitrag für die "Zeit" und führte sie detaillierter aus. Dort schrieb Kailitz, die NPD plane "rassistisch motivierte Staatsverbrechen". Er legte dar, die rechtsextreme Partei wolle "acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben", "darunter mehrere Millionen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund". Eben die ethnischen Nicht-Deutschen.
In der mündlichen Verhandlung im Verbotsverfahren war es Anfang März ausführlich um die Frage gegangen, wer laut NPD-Programm deutsch ist und wer nicht. Der NPD-Vorsitzende Frank Franz hatte sich bei einer Antwort auf Nachfragen der Bundesverfassungsrichter gewunden (Lesen Sie hier mehr).
Mitglied im AfD-Schiedsgericht
Kailitz darf seine Äußerungen aus dem Artikel nun nicht mehr wiederholen. Das hat durch Beschluss vom 10. Mai Richter Jens Maier vom Landgericht in Dresden entschieden - "wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung".
Richter Maier, 55, ist in der AfD aktiv. Er wurde auf dem sächsischen Landesparteitag im Dezember 2013 zum Mitglied des Schiedsgerichts der rechtspopulistischen Partei bestellt.Zuerst hatte der Verfassungsblog darüber berichtet.
Im Falle der Zuwiderhandlung droht der Richter dem Wissenschaftler "Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten" an, "oder sofortige Ordnungshaft, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren".
Den Antrag, den Verbotsbeschluss im Wege der einstweiligen Verfügung zu fällen, hatte Peter Richter gestellt. Der rechtsextreme Anwalt vertritt die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht. Dort hatte der Jurist bereits den kritischen Ausführungen von Kailitz vehement widersprochen. Nun darf der Politikwissenschaftler seine Argumentation nicht wiederholen. Die NPD feiert das als großen Erfolg.
Ein "echter Justizskandal"
Kailitz hat über seinen Anwalt bereits Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Er spricht gegenüber SPIEGEL ONLINE von einem "echten Justizskandal", er fühle sich in seiner Wissenschaftsfreiheit beschnitten. Am 10. Juni soll nun über den Widerspruch verhandelt werden, sagt er.
Gerichtssprecher Ralf Högner, Vorsitzender Richter am Landgericht in Dresden, betont gegenüber SPIEGEL ONLINE, Richter Maier habe seine Mitgliedschaft im AfD-Schiedsgericht angezeigt. "Nach den Richtergesetz ist das Engagement für eine politische Partei zulässig." Wer an der Neutralität eines Richters Zweifel habe, könne einen Befangenheitsantrag stellen.
Kailitz äußerte sich auch mehrmals negativ über die Arbeit der AfD im sächsischen Landtag. Er nannte deren Arbeit unter anderem "eine unterdurchschnittliche parlamentarische Leistung von dem, was man normalerweise als Fraktion auf die Beine stellt". Hat diese Kritik die Entscheidung des Richters beeinflusst?
Maier weist das in der "Süddeutschen Zeitung" zurück. Er sagt, Kailitz sei ihm bisher kein Begriff gewesen. Auch über dessen Tätigkeit als Sachverständiger will er erst nachträglich erfahren haben.
heb